AFRIKA/ÄGIYPTEN - Verfassungsgericht hat erstmals einen koptischen Vorsitzenden

Mittwoch, 9 Februar 2022 mittlerer osten   ostkirchen   gerechtigkeit   gleichberechtigung   schariah   islam  

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Kairo (Fides) - Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat den koptisch Christen und Richter Boulos Fahmy zum Präsidenten des Obersten Verfassungsgerichts Ägyptens ernannt. Bisher war er Vizepräsident dieser Institution und tritt die Nachfolge von Said Marei Amr an, der aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten ist. Das von Präsident al-Sisi unterzeichnete Ernnenungsdekret Nr. 51/2022 besagt, dass der neue Amtsinhaber ab dem heutigen Mittwoch, dem 9. Februar, sein Amt in vollem Umfang antreten wird.
Der 65jährige Boulos Fahmy ist der erste koptische Christ an der Spitze des Verfassungsgerichts seit dessen Gründung. Er wurde am 1. Januar 1957 geboren und ist derzeit das viertälteste richterliche Mitglied des Gerichtshofs. Nach seiner Berufung in die Staatsanwaltschaft im Jahr 1978 stieg er 1997 zum Richter am Berufungsgericht auf und wurde 2001 zum Vorsitzenden des Berufungsgerichts ernannt. Der koptische Richter übte seit 2014 auch die Rolle des Stellvertreters des Präsidenten des Verfassungsgerichts aus, nachdem er dieses Amt bereits von 2010 bis 2012 innehatte.
Der neue Präsident des Obersten Verfassungsgerichts ist Autor zahlreicher Bücher und juristischer Forschungsarbeiten und wurde in der Vergangenheit mehrfach von Ministerien und Regierungsinstitutionen zum Berater ernannt.
Das Oberste Verfassungsgericht Ägyptens ist das unabhängige Verfassungsgericht der Arabischen Republik Ägypten, das 1979 anstelle des zehn Jahre zuvor von Präsident Gamal Abd el Nasser geschaffenen Obersten Gerichtshofs eingerichtet wurde. Die Hauptaufgabe des Gerichtshofs besteht darin, die Verfassungsmäßigkeit der von den zuständigen ägyptischen Behörden erlassenen Gesetze und Verordnungen zu überprüfen und zu bestätigen. Der Verfassungsgerichtshof ist auch das oberste Gericht, das im Falle von Kompetenzkonflikten angerufen wird und Widersprüche zwischen den Urteilen der Justizbehörden auflösen muss.
In Artikel 2 der aktuellen ägyptischen Verfassung, die 2014 in Kraft trat, werden die "Grundsätze der islamischen Scharia" als "Hauptquelle der Gesetzgebung" anerkannt. Nach der Revolution von 2011, als die Regierung von den Muslimbrüdern geführt wurde, leistete der Oberste Gerichtshof jedoch auch Widerstand gegen die Programme zur rigiden Islamisierung der ägyptischen Gesetzgebung.
Die ägyptischen Medien haben die Ernennung Fahmys zum Leiter des Verfassungsgerichts als ein weiteres Zeichen für den Wunsch von Präsident al Sisi dargestellt, Christen den Zugang zu den höchsten Rängen der ägyptischen Institutionen zu garantieren. Unterdessen bereitet das ägyptische Parlament die Verabschiedung des neuen Gesetzes über den persönlichen Status der christlichen Bürger vor (vgl. Fides 11/1/2022). Das von der koptisch-orthodoxen Kirche und anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften in Ägypten seit Jahrzehnten erwartetes Gesetz soll auch wichtige Bestimmungen zu Fragen des Familienrechts enthalten. Die Beteiligung der in Ägypten vertretenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften an dem langwierigen Prozess der Ausarbeitung eines neuen Personenstandsgesetzes hatte bereits 2014 begonnen (vgl. Fides 22/11/2014). Damals hatte das Justizministerium den Oberhäuptern der verschiedenen Kirchen einen Gesetzesentwurf zur Prüfung vorgelegt. Die Ausarbeitung des Entwurfs nahm Zeit in Anspruch weil man einen Text zu formulieren wollte, der einheitlich ist, aber dennoch die unterschiedlichen Ansätze in Fragen wie Trennung und Scheidung schützt, die von den verschiedenen christlichen Konfessionen unterschiedlich geregelt werden.
(GV) (Fides 9/2/2022)


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