Papst Franziskus in Ajaccio: Der missionarische Kern der Volksfrömmigkeit

Samstag, 14 Dezember 2024 papst franziskus   spiritualität   volksfrömmigkeit   volksfrömmigkeit   marienverehrung  

Von Gianni Valente

Rom (Fides) - Es gibt ein von Jesus gesammeltes und begünstigtes Gottesvolk, das weiterhin um seine Gegenwart und seinen Trost in den Bedrängnissen des Lebens bittet und seine Erwartungen den Worten einfacher Gebete anvertraut.
Es ist die dankbare Anerkennung der Lebendigkeit dieses Volkes, die Papst Franziskus veranlasst hat, kurz vor Weihnachten eine kurze Reise nach Frankreich zu unternehmen, um am Sonntag, den 15. Dezember, in Ajaccio auf Korsika an der Abschlusssitzung des Kongresses über Volksreligiosität im Mittelmeerraum.
Der Bezug zur Volksspiritualität zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Lehramt von Papst Franziskus. Ein unterschwelliger Hinweis, der nicht aus einem Bestreben nach Rechtfertigung heraus wiederholt wird, nicht um Praktiken und Gesten zu „rehabilitieren“, die von bestimmten „entwickelten“ Kreisen als naive Ausdrucksformen verunglimpft werden, die es zu entmutigen oder bestenfalls zu tolerieren gilt.
Papst Franziskus hat, noch bevor er Bischof von Rom wurde, stets auf den missionarischen Wert der einfachsten Andachtshandlungen des Volkes Gottes hingewiesen. In den Jahren seines priesterlichen und bischöflichen Dienstes konnte er erfahren, dass ihnen „„in ihr eine aktiv evangelisierende Kraft eingeschlossen ist, die wir nicht unterschätzen dürfen; anderenfalls würden wir die Wirkung des Heiligen Geistes verkennen“ (Apostolisches Schreiben „Evangelii gaudium“, § 126).
Papst Franziskus erinnert immer wieder an die Spiritualität des Volkes, nicht nur als Ausdruck der Dynamik der „Inkulturation“, mit der jedes Volk den als Geschenk empfangenen Glauben an Christus in den Formen zum Ausdruck bringt, die seiner eigenen Kultur am vertrautesten sind.
Das Merkmal, das für Papst Franziskus die Spiritualität des Volkes an der Quelle kennzeichnet, ist gerade ihr „theologischer“ Zug, ihre Verbindung mit dem Wirken des Heiligen Geistes selbst, der das Volk Gottes „in die Wahrheit führt und zum Heil leitet“.
Das Wirken des Heiligen Geistes - so wiederholt der Bischof von Rom mit Bezug auf die Tradition der Kirche - stattet das Volk der Gläubigen mit einem „Instinkt“ des Glaubens - dem „sensus fidei“ - aus, der ihm hilft, das Wirken der Gnade Christi zu erkennen und ihr zu folgen. Und der „sensus fidei“ des Gottesvolkes, eine Gabe des Geistes und ein Zeichen seiner Liebe - wie Papst Franziskus betont - manifestiert sich mit einzigartiger Kraft gerade in dem, was auch in seinem „programmatischen“ Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“ als „Spiritualität“ oder „Volksfrömmigkeit“ definiert wird. Die Gesamtheit der Gesten und Praktiken, von denen „man sagen kann: das Volk evangelisiert fortwährend sich selbst“ und die als „authentischer Ausdruck des spontanen missionarischen Handelns des Gottesvolkes“ (EG §122) anzuerkennen sind.
In seinem ersten Apostolischen Schreiben verwendet Papst Franziskus Zitate aus dem Schlussdokument der V. Versammlung des CELAM in Aparecida im Juli 2007, um die Reichtümer zu erinnern, „die der Heilige Geist in der Volksfrömmigkeit mit seiner unentgeltlichen Initiative entfaltet“ (EG §124). Die Volksfrömmigkeit, die „in der Kultur der Einfachen verkörperte Spiritualität“, bringt „die Gnade des Missionsgeistes, des Aus-sich-Herausgehens und des Pilgerseins mit sich: »Das gemeinsame Gehen zu den Wallfahrtsorten und die Teilnahme an anderen Ausdrucksformen der Volksfrömmigkeit, wobei man auch die Kinder mitnimmt oder andere Menschen dazu einlädt, ist in sich selbst ein Akt der Evangelisierung. (EG § 124).
Der Bischof von Rom hat sich mehrfach von der Haltung derjenigen distanziert, die die Gesten der Volksfrömmigkeit als bloße Manifestationen einer natürlichen Religiosität abtun: „Wer das heilige gläubige Volk Gottes liebt“, schreibt Papst Franziskus in seinem Apostolischen Schreiben „Evanglii gaudium“, „kann diese Handlungen nicht einzig als eine natürliche Suche des Göttlichen ansehen. Sie sind der Ausdruck eines gottgefälligen Lebens, beseelt vom Wirken des Heiligen Geistes, der in unsere Herzen eingegossen ist“ (EG §125).
Im Vorwort zu Enrique Ciro Bianchis Buch über die Theologie des Volkes bekräftigt Papst Franziskus, dass „die Volksspiritualität nicht das Aschenputtel des Hauses ist. Es sind nicht die, die nicht verstehen, die nicht wissen...Wir werden immer vom Gespenst der Aufklärung heimgesucht, der uns dazu bringt, die konkrete Wirklichkeit zu ignorieren. Und Gott wollte durch konkrete Wirklichkeiten zu uns sprechen. Die erste Häresie der Kirche ist der Gnostizismus, den schon der Apostel Johannes kritisiert und verurteilt hat. Auch heute kann es gnostische Positionen vor dieser Tatsache der Spiritualität oder Volksfrömmigkeit geben“.
In den letzten Wochen hatten sich mit Bezug auf die Nachricht von der päpstlichen Reise nach Ajaccio französischen Intellektuelle und Kommentatoren geäußert. So schreibt Camille Dalmas auf „Aleteia. Org“ über die „Wiedergeburt“ der Bruderschaften auf Korsika; der Essayist Jean Duchesne erinnert in diesem Zusammenhang an die Dynamik der Volksspiritualität als „Gegenmittel“ zum Klerikalismus und dem neu entstandenen elitären Intellektualismus; Professor Yann Raison du Kleuziou, der von Marie-Lucile Kubacki für die Wochenzeitung „La Vie“ interviewt wurde, griff die Intuitionen des Dominikaners und Soziologen Serge Bonnet und des Priesters Robert Pannet auf, die bereits Mitte der 1970er Jahre dokumentiert hatten, wie die Volksfrömmigkeit in das Visier der damals führenden elitären Kreise geraten war. Diejenigen, die „im Namen der Modernisierung des Katholizismus“ einen „heimtückischen Klerikalismus“ ausübten, schürten Schuldgefühle bei den Menschen aus der Arbeiterklasse, während sie behaupteten, „im Namen ‚des Volkes‘ zu sprechen“.
(Fides 14/12/2024)


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