Neu Delhi (Fides) - Indien bereitet sich auf das große Marienfest vor, das im Heiligtum von Veankanni im Bundesstaat Tamil Nadu gefeiet wird. Jedes Jahr wird dieser Marienwallfahrtsort von Millionen von Pilgern besucht, von denen die Hälfte Nicht-Christen sind. Zu Ehren der Jungfrau Maria, die hier im 16. Jahrhundert erschien, wird ein großes Fest gefeiert, das sich über neun Tage erstreckt: vom 29. August bis zum 8. September.
Anlässlich dieser Feierlichkeiten hat der Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, Kardinal Victor Manuel Fernàndez, einen Brief an den Bischof von Tanjore, Sagayaraj Thamburaj, geschickt, in dem er die Wertschätzung von Papst Franziskus für diesen an Glauben reichen Ort zum Ausdruck bringt, der auch Nichtchristen zugänglich ist. In der Tat ist es nicht ungewöhnlich, Prozessionen hinduistischer Pilger zu begegnen, die mit einer geblümten Bambusschale, in der Räucherstäbchen verbrannt werden, zum Marienzheiligtum kommen. Vor der goldenen Marienstatue angekommen, werfen sie sich vor ihr nieder und beten neben den christlichen Gläubigen zu ihr.
"Die Überlieferungen, die an diesem wertvollen Ort der Verehrung über einige Begegnungen der Jungfrau mit armen und kranken Kindern gesammelt wurden, sind wunderschön", schreibt der Kardinal. „Hier manifestiert sich die Zärtlichkeit und Nähe Marias, die Jesus uns als Mutter aller hinterlassen wollte".
Die Jungfrau wird in dem Heiligtum mit indischen Zügen dargestellt, gekleidet in den typischen Sari und mit einer Krone auf dem Kopf. Die Geschichte des Heiligtums selbst stellt einen Moment der Begegnung zwischen dem Christentum und der indischen Kultur dar.
Dies zeigt sich auch in der Geschichte der Erscheinungen, die mit diesem Ort verbunden sind. Die Gottesmutter erschien zum ersten Mal im 16. Jahrhundert einem Jungen aus Velankanni, einem Dorf mit heute etwa 5.000 Einwohnern, der Milch von seinem Dorf nach Nagapattinam trug. Während er an einem Teich rastete, erschien ihm die Jungfrau Maria und bat ihn um Milch für ihr Kind. Der Junge gab sie bereitwillig, und die Frau dankte ihm mit einem Lächeln. Als er seinen Kunden erreichte, erzählte der Junge die Vision, und wie durch ein Wunder füllte sich das Gefäß mit der fehlenden Milch, die sogar überlief. Erstaunt wollte der Mann in die Nähe des Teiches gehen, und auch er hatte eine Vision. Die Einwohner nannten den Ort „Matha Kalum“ oder "Teich der Mutter Gottes".
Gegen Ende desselben Jahrhunderts kam es zu einer zweiten Erscheinung. Maria erschien erneut einem kleinen, von Geburt an kranken Jungen, der an einem Ort namens Nadu Thittu ("Zentraler Berg") unter einem Baum Butter verkaufte. Die Jungfrau bat um Butter für ihr Kind und wies den jungen Hindu an, zu einem wohlhabenden Christen in Nagapattinam zu gehen, um dort eine Kapelle zu bauen. Erst als er in Nagapattinam ankam, erkannte der Junge, dass er geheilt worden war. Der wohlhabende Christ, von dem ihm die Frau mit dem Kind im Arm erzählte, hatte in der Zwischenzeit ebenfalls eine Vision, in der dieselbe Frau ihn bat, eine Kapelle zu bauen. Daraufhin wurde in Nadu Thittu eine erste kleine Kirche oder vielmehr eine Hütte gebaut, und von da an wurde der Ort zu einem Marienwallfahrtsort.
Im 17. Jahrhundert geriet ein portugiesisches Schiff, das von Macao nach Ceylon unterwegs war, in einen Sturm. Die Kaufleute gelobten der Gottesmutter, an dem Ort, an dem sie anlanden würden, einen Schrein zu errichten. Am 8. September - dem Fest der Geburt Mariens - kamen sie sicher in Velankanni an. Die Hütte wurde durch ein Steingebäude ersetzt, das später durch die Votivgaben der Kaufleute bereichert wurde. Zwischen 1920 und 1933 wurde das Heiligtum weiter ausgebaut. Am 3. November 1962 verlieh Johannes XXIII. ihr den Titel einer Basilika.
Heute wird das 2.400 Kilometer südöstlich von Neu-Delhi errichtete Heiligtum, das auch als „Lourdes des Ostens“ bezeichnet wird, jedes Jahr von rund 20 Millionen Pilgern aus aller Welt besucht. In den hohen Gewölben der Kirche werden Messen in verschiedenen Sprachen gefeiert. Wie der Name des Ortes schon sagt, werden die Pilger hier rundum betreut. So gibt es neben der Kirche auch ein Heim für Behinderte, das „Nirmal Hriday Home“, das von den Schwestern von Mutter Teresas geleitet wird. Außerdem gibt es mehrere Bildungs- und Schulzentren.
Im Jahr 2004 wurde die Stadt vom Tsunami schwer getroffen, der mehrere hundert Menschenleben forderte. Zwanzig Jahre nach dieser Tragödie ist nun alles wiederhergestellt: Der Wallfahrtsort Velankanni ist nach wie vor Ankunftsort für Millionen von Pilgern, ein Ort des Friedens und des Gebets, der auch von Papst Franziskus geschätzt wird, der der volkstümlichen Spiritualität der pilgernden Gläubigen stets nahe steht, weil sich in ihnen "die Schönheit der Kirche auf ihrem Weg widerspiegelt, die Jesus in den Armen Marias sucht und ihre Sorgen und Hoffnungen im Herzen der Mutter hinterlässt".
(F.B) (Fides 6/8/2024)