Von Paolo Affatato
Seoul (Fides) - "Um die pastorale Arbeit mit den Gläubigen in Nordkorea wieder aufzunehmen, muss man Schritt für Schritt vorgehen, immer geleitet von Hoffnung und Gebet" und sich im Bereich der humanitären Hilfe engagieren, um "das Vertrauen wiederherzustellen und die Tür zum Dialog zu öffnen". Dies betont der Erzbischof von Seoul und Apostolische Administrator von Pjöngjang, Peter Soon-taick Chung (ocd), der kürzlich am Forum für Frieden und Versöhnung in Seoul teilnahm, wo er junge Nordkoreaner zur Teilnahme am Weltjugendtag einlud, der 2027 in Seoul stattfinden wird (vgl. Fides 20/11/2023). Im Interview Fides spricht er über den Evangelisierungsauftrag der Kirche in Seoul und in ganz Korea.
Lassen Sie uns über die Sendung der Kirche in Seoul sprechen: Wie wird die Evangelisierung in einer großen Metropole gelebt, in der das Leben der Menschen von Technologie und Hektik geprägt ist? Ist da noch Platz für Gott?
Die Evangelisation in einer pulsierenden Metropole wie Seoul bringt zweifellos eine Reihe von Herausforderungen mit sich. Die technologische und hektische Natur des städtischen Lebens bedeutet, dass die Menschen sich oft in zahlreichen Ablenkungen verfangen, die ihre Aufmerksamkeit von Gott und dem geistlichen Leben ablenken können. In einer ausufernden Metropole wie Seoul ist der Ansatz der Kirche zur Evangelisierung durch Anpassungsfähigkeit, Relevanz und Inklusivität gekennzeichnet. Papst Franziskus erinnert uns an die Bedeutung des aktiven Zuhörens und des offenen Dialogs, und dies steht im Einklang mit unserer Sendung in Seoul, da wir uns bemühen, ein offenes und einladendes Umfeld der Kommunikation und des Verständnisses zu schaffen.
Auf der einen Seite spielt die digitale Öffentlichkeitsarbeit eine entscheidende Rolle. Die Erzdiözese Seoul macht sich die Möglichkeiten des Internets zunutze und nutzt soziale Medien, Live-Streaming-Dienste, Podcasts und Online-Gemeinschaften, um mit einer technikaffinen Bevölkerung in Kontakt zu treten. Dieser Ansatz holt die Menschen dort ab, wo sie sind, und macht es ihnen leichter, sich mit dem Evangelium auseinanderzusetzen. Dies gilt besonders für die Jugendarbeit und junge Erwachsene, da die jüngere Generation sehr offen für neue Ideen ist und die Technologie mit Leichtigkeit nutzt. Die Kirche muss in diesen Bereichen präsent sein, damit junge Menschen ihren Glauben in einem modernen Kontext erkunden können. Damit folgen wir dem Aufruf des Papstes zu einer Kommunikation, die es versteht, „neue Wege und Mittel für die wunderbare Verkündigung zu finden, zu der sie im dritten Jahrtausend berufen ist".
Andererseits ist die direkte Einbeziehung der Gemeinde ein wesentlicher Aspekt. Auch wenn die digitale Welt wertvolle Werkzeuge für die Evangelisierung bietet, muss man sich immer vor Augen halten, dass der Glaube letztlich zu einer persönlichen Begegnung mit Gott führt, die ihren tiefsten Ausdruck in körperlichen Erfahrungen und gemeinschaftlichen Gottesdiensten findet, in der konkreten Gesellschaft des Nächsten.
Aus diesem Grund nimmt die Diözesangemeinschaft aktiv an Veranstaltungen und Begegnungen teil, organisiert karitative Aktivitäten und bietet an, Beziehungen mit der breiteren Zivilgesellschaft aufzubauen. Dieser Stil dient auch dazu, die christliche Botschaft der Liebe und des Mitgefühls für jeden Menschen zu vermitteln.
Nicht zuletzt ist auch kulturelle Relevanz von größter Bedeutung. Die Kirche befasst sich mit zeitgenössischen Lebensfragen, die bei den Stadtbewohnern auf Resonanz stoßen, wie Stressbewältigung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und persönlicher Erfolg. Neben der geistlichen Begleitung bietet die Kirche auch praktische Unterstützung an, darunter Workshops, Seminare und Beratungsdienste, die sich mit den Herausforderungen befassen, mit denen die katholischen Gläubigen in Seoul konfrontiert sind. Das Ansprechen dieser Anliegen schlägt eine Brücke zwischen dem Glauben und dem täglichen Leben und ermöglicht es dem Evangelium, letzteres zu erhellen.
Ist die Kirche in Südkorea auch außerhalb ihrer Grenzen missionarisch tätig, „ad gentes“?
Im Oktober 1981 setzte die koreanische Kirche einen Meilenstein, indem sie zum ersten Mal in ihrer 200-jährigen Geschichte vier Priester als Missionare nach Papua-Neuguinea entsandte. Dieser bedeutende Schritt war eine Abkehr von der Tradition, sich auf Missionare aus Europa zu verlassen, und bezeugte, dass die koreanische Kirche ihre Berufung, eine missionarische Gemeinschaft zu sein, im Einklang mit der Botschaft des Evangeliums "Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung", annahm. Diese missionarische Verpflichtung leitete eine revolutionäre Ära ein, in der sich die so genannten "empfangenden Kirchen" in "gebende Kirchen" verwandelten. Derzeit sind 22 Priester der Erzdiözese Seoul aktiv in der Missionsarbeit in der ganzen Welt tätig. Erwähnenswert ist auch, dass die Erzdiözese Seoul im Jahr 2005 die "Seoul International Catholic Missionary Society" gegründet und 12 Missionare ins Ausland entsandt hat, was das kontinuierliche Engagement der Erzdiözese für die weltweite Mission widerspiegelt. Diese Missionspriester „ad gentes“ spielen eine wichtige Rolle bei der Verbreitung des christlichen Glaubens, bei der Seelsorge und bei humanitären Einsätzen in verschiedenen Ländern der Welt und unterstreichen das Engagement der koreanischen Kirche für die Verbreitung der christlichen Botschaft. Neben den Priestern und Ordensleuten spielen aber auch die katholischen Laien in Südkorea eine entscheidende Rolle in der Auslandsmission. Indem sie das Evangelium verkünden und bezeugen, engagieren sie sich in verschiedenen Bereichen, wie z. B. in der Lehre, der medizinischen Versorgung und der Gemeindeentwicklung.
Im Hinblick auf die Sendung der koreanischen Kirche darf das Verhältnis zu Nordkorea nicht außer Acht gelassen werden: 2023 jährt sich der Waffenstillstand zum 70. Mal. Haben Sie als Apostolischer Administrator in Pjöngjang Hoffnung auf Schritte des Dialogs und der Versöhnung? Wie kann die Seelsorge für die Gläubigen in Nordkorea wieder aufgenommen werden?
Als Apostolischer Administrator von Pjöngjang glaube ich fest an die Kraft der Hoffnung und an das Potenzial von Dialog und Versöhnung. Obwohl die Situation in Nordkorea viele Herausforderungen mit sich bringt, sollten wir nie den Glauben an die Möglichkeit verlieren, das Verständnis zu fördern und die Seelsorge für die Gläubigen in dieser Region wieder aufzubauen. Dialog und Versöhnung sind in der Tat entscheidende Schritte zur Heilung der Spaltungen, die schon zu lange bestehen. Die katholische Kirche, die sich von der Lehre Christi leiten lässt, setzt sich für Frieden, Verständnis und Versöhnung ein, nicht nur in Nordkorea, sondern weltweit.
Um die pastorale Arbeit mit den Gläubigen in Nordkorea wieder aufzunehmen, muss man, Schritt für Schritt vorgehen, immer geleitet von Hoffnung und Gebet. Zunächst kann die südkoreanische Kirche eine Schlüsselrolle bei den humanitären Bemühungen spielen, indem sie den Menschen in Nordkorea Hilfe anbietet. Indem wir auf ihre unmittelbaren Bedürfnisse eingehen und ihnen eine helfende Hand reichen, können wir Vertrauen aufbauen und die Tür zum Dialog öffnen.
Das Gebet ist ein mächtiges Werkzeug. Wir sollten niemals die Kraft des Gebets unterschätzen, wenn es darum geht, die Herzen und den Verstand zu verändern. Wenn wir für die Gläubigen in Nordkorea und für den Frieden beten, säen wir den Samen der Hoffnung und der Versöhnung. Es ist auch erwähnenswert, dass die Erzdiözese Seoul 2015 die Kampagne "Remember the Parishes of the North" (Erinnert euch an die Pfarreien im Norden) ins Leben gerufen hat, eine Art "spirituelle Partnerschaft", die bis heute andauert. Diese Initiative ist ein Zeugnis für unser anhaltendes Engagement für die Menschen in Nordkorea und unsere unerschütterliche Hoffnung auf Versöhnung und Heilung. Durch diese gemeinsamen Bemühungen wollen wir den Weg für eine bessere Zukunft und die Wiederaufnahme der Seelsorge für die Gläubigen in Nordkorea ebnen.
Darüber hinaus möchte ich anmerken, dass, obwohl die internationale Geopolitik nicht immer optimistisch erscheinen mag, ich den gemeinsamen Wunsch nach einem friedlichen Dialog spürte, der tief in den Herzen sowohl der Vereinigten Staaten als auch Nordkoreas verwurzelt ist, als ich am "Catholic Korea Peace Forum" in Washington D. C. im Jahr 2022 teilnahm, das gemeinsam von der Katholischen Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten über ihre Kommission für Gerechtigkeit und Frieden, der bischöflichen Kommission für die Versöhnung des koreanischen Volkes der Katholischen Bischofskonferenz von Korea und dem „Catholic Institute for Peace in Northeast Asia“ organisiert wurde. Die Hoffnung auf Dialog und Versöhnung ist tief in unserem katholischen Glauben verwurzelt. Wir sind fest davon überzeugt, dass die koreanische Kirche und damit auch der Heilige Stuhl eine wichtige Rolle bei der Förderung von Dialog und Frieden spielen können.
Zurück zu innenpolitischen Fragen: In Korea ist die Todesstrafe wieder zu einem zentralen Thema in der öffentlichen Debatte geworden. Gibt es echte Hoffnung auf eine dauerhafte Abschaffung in Südkorea?
Die Frage der Todesstrafe ist zu einem wichtigen Thema in der öffentlichen Debatte geworden, und die katholische Kirche in Korea verfolgt dieses Thema mit großer Aufmerksamkeit. Unser Glaube lehrt uns die Heiligkeit des menschlichen Lebens und den Wert von Barmherzigkeit und Erlösung. In diesem Zusammenhang hat sich die koreanische Bischofskonferenz stets für die Abschaffung der Todesstrafe eingesetzt. In jüngster Zeit fanden Botschaften, die zur gesetzlichen Abschaffung der Todesstrafe aufriefen, ihren Widerhall in besonderen Veranstaltungen wie einem Konzert zur Feier des Friedens und des Lebens, das vom Unterausschuss für die Abschaffung der Todesstrafe - einer Abteilung der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der Bischöfe - im Frühjahr letzten Jahres im Innenhof der Myeongdong-Kathedrale in Seoul organisiert wurde. In mehreren Stellungnahmen in diesem Jahr und im Dialog mit zivilen Behörden hat sich die Unterkommission nachdrücklich für die Abschaffung der Todesstrafe und die Einführung alternativer Formen der Bestrafung eingesetzt, die in der Gesetzgebung in Betracht gezogen und vorgesehen werden sollten
Ein weiteres Problem, das die koreanische Gesellschaft erschüttert, ist das Phänomen der Selbstmorde, insbesondere unter jungen Menschen. Wie geht die katholische Glaubensgemeinschaft mit diesem Problem um?
Dies ist in der Tat ein äußerst beunruhigendes und komplexes Thema. Die katholische Kirche in Korea ist sich des Ernstes dieses Phänomens bewusst und hat sich aktiv an der Reflexion und Bewusstseinsbildung unter jungen Menschen beteiligt. Die alarmierende Selbstmordrate in Korea hat die Kirche dazu veranlasst, wichtige Fragen über die Rolle des Glaubens zu stellen und darüber, wie wir etwas dagegen tun können. Wir sind uns bewusst, dass junge Koreaner oft unter enormem Druck stehen, sei es aufgrund von akademischen Erwartungen, sozialem Wettbewerb oder der Hektik des modernen Lebens. In diesem Zusammenhang bemüht sich die Kirche, denjenigen, die Probleme haben, Unterstützung, Verständnis und Hoffnung zu geben. Zuallererst muss man sich dessen bewusst werden. Indem man beginnt, offen darüber zu sprechen. So sind kirchliche Erfahrungen und Initiativen entstanden, die sich mit dem Thema Selbstmord unter jungen Menschen befassen. Die Kirche bietet einen sicheren und einladenden Raum, in dem Menschen ihre Sorgen teilen und Trost suchen können. Es wurden Seelsorgeprogramme und Beratungsdienste auf den Weg gebracht, um Menschen in Not emotionale und geistliche Unterstützung zu bieten. Ein Beispiel für diese Initiativen ist die "One Body One Spirit"-Bewegung der Erzdiözese Seoul, die einen eigenen Bereich für die Suizidprävention eingerichtet hat. Mitglieder der Bewegung besuchen aktiv Universitäten und bieten katholischen und nicht-katholischen Studenten Beratung an. Solche Initiativen zielen darauf ab, das geistige und emotionale Wohlbefinden unserer jungen Menschen zu fördern und ihnen zu helfen, angesichts der Herausforderungen des Lebens Hoffnung zu finden und Widerstandsfähigkeit zu entwickeln.
Darüber hinaus haben wir spezielle Pläne für die Begleitung von Menschen, bei denen ein hohes Suizidrisiko besteht. Wir müssen den ersten Schritt machen und sie aufsuchen: Wir entwickeln Initiativen, bei denen Priester und professionelle Berater Menschen in Not besuchen, weil wir verstehen, dass es für sie schwierig sein kann, von sich aus zu uns zu kommen. Ein Beispiel ist der von der Erzdiözese Seoul betriebene AGIT-Bus, der in der Stadt unterwegs ist, um Jugendliche zu besuchen und zu betreuen, die nicht zur Schule gehen. Dieser proaktive Ansatz ermöglicht es uns, auch diejenigen zu erreichen, die von sich aus keine Hilfe suchen würden.
Obwohl das Thema Selbstmord eine komplexe und vielschichtige Herausforderung bleibt, ist die Kirche in Korea weiterhin entschlossen, diesen Weg mit jungen Menschen zu gehen und ihnen in ihren dunkelsten Momenten das Licht des Glaubens, des Mitgefühls und der Gemeinschaft anzubieten.
Ein Thema, das junge Menschen bewegt und anspricht, ist die ökologische Nachhaltigkeit und die "Sorge um das gemeinsame Haus". Spüren die koreanischen Gläubigen diese Dringlichkeit?
Seit der wichtigen Enzyklika "Laudato Si" und ihrer Fortsetzung "Laudate Deum" hat die katholische Kirche in Korea die Botschaft der Sorge für das gemeinsame Haus umfassend in ihre Mission und pastorale Praxis integriert. Als Erzbischof von Seoul habe ich im vergangenen September einen Hirtenbrief mit dem Titel "Lasst uns aus der Enzyklika Laudato Si lernen und sie in die Praxis umsetzen" verfasst, der anlässlich des "Weltgebetstags für die Bewahrung der Schöpfung" veröffentlicht wurde. Der Text ist ein direkter Aufruf zum Handeln, der unsere Glaubensgemeinschaft dazu auffordert, sich die Lehren von „Laudato Si“ zu eigen zu machen und sie im täglichen Leben in die Praxis umzusetzen. Ein praktisches Beispiel ist die Aufforderung an die Pfarreien, eine spezielle "Umweltabteilung" im Pfarrpastoralrat einzurichten, um umweltfreundlichere Praktiken in den Pfarreien anzuregen und zu wählen.
In meinem Hirtenbrief habe ich auch aktiv für die Laienbewegung “Friends of Heaven, Earth, and Water,” (Freunde von Himmel, Erde und Wasser“) geworben, die sich für das Umweltapostolat einsetzt und die aktive Beteiligung der Laien an der Pflege unseres gemeinsamen Hauses fördert. Ich muss sagen, dass mehrere Pfarreien bereits umweltfreundliche Praktiken wie Abfallreduzierung, Recycling und Energieeinsparung eingeführt haben. Indem sie in ihren eigenen Einrichtungen mit gutem Beispiel vorangehen, inspirieren diese Kirchen die Bürger in ihren Gemeinden, nachhaltige Praktiken in ihr tägliches Leben zu übernehmen. Auf breiterer Ebene, in der nationalen Gemeinschaft, setzen wir uns für eine Politik der "nachhaltigen Entwicklung" ein, d.h. für umweltfreundliche landwirtschaftliche Praktiken, für Initiativen, die sich auf den nationalen Energieplan beziehen, und für die Entstehung eines verantwortungsvollen Konsumverhaltens.
(Fides 25/11/2023)
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