WFP/Jacques David
N'Djamena (Fides) - "Auch wenn in Europa nicht viel darüber gesprochen wird, findet im Sudan seit dem 15. April 2023 ein dramatischer bewaffneter Kampf zwischen rivalisierenden Gruppierungen statt, die von zwei Generälen angeführt werden, die seit Jahren um die Macht ringen. Dieser ‚Bruderkrieg‘ treibt die Bevölkerung im ganzen Land zur Flucht in die Nachbarländer, insbesondere in den Tschad. Derzeit haben mehr als 30.000 Menschen aus dem sudanesischen Darfur in den Nachbarprovinzen des Tschad Zuflucht gefunden. Der Zustrom von Flüchtlingen hält weiterhin mit etwa 5.000 Personen pro Woche an und wird voraussichtlich auch in den kommenden Monaten nicht abreißen, zumindest solange die Kämpfe nicht endgültig eingestellt werden. Außerdem sind die Aussichten auf eine Rückkehr zum Frieden derzeit sehr gering und ungewiss", betont stellvertretend für das Vikariat Mongo im Tschad Pater Fabio Mussi, Koordinator des Flüchtlingshilfsprojekts, das die Diözese ins Leben gerufen hat, um den Tausenden von Geflüchteten zu helfen, die aus dem Sudan gekommen sind.
Seit dem Beginn des Krieges im Sudan sind vier Monate vergangen, und die Situation hat sich dramatisch verschlechtert. Der Exodus der Bevölkerung hat biblische Ausmaße angenommen. Jüngsten Statistiken zufolge sind mehr als drei Millionen Menschen auf der Flucht, von denen fast eine Million in den Nachbarländern Zuflucht suchen, von denen die meisten selbst von humanitären Krisen und einer sehr hohen Zahl von Vertriebenen betroffen sind. Das Land mit den meisten Zugängen ist zweifellos der Tschad, wo die Zahl der Sudanesen auf der Flucht, die von den 30.000 Geflüchteten die Pater Fabio im Mai erwähnte auf heute etwa 310.000 gestiegen ist (Quelle: African Center for Strategic Studies).
"Neben der Binnenvertreibung", berichtet Sabrina Atturo, Mitarbeiterin der Jesuitenhilfswerks MAGIS, gegenüber Fides aus N'Djamena, "hat der Konflikt im Sudan zu einer gemischten grenzüberschreitenden Bewegung von Hunderttausenden von Menschen in die Nachbarländer Ägypten, Libyen, Tschad, Zentralafrikanische Republik, Südsudan und Äthiopien geführt. Die meisten Menschen kommen im Tschad an (36,5 %), gefolgt von Ägypten (30,3 %) und Südsudan (22,5 %). Die östlichen Provinzen in unmittelbarer Nähe der sudanesischen Grenze sind offensichtlich am stärksten mit Flüchtlingen überfüllt. So hat sich die Bevölkerung von Adré in der Ostprovinz Ouaddai, einer ehemals ruhigen Stadt mit 68.000 Einwohnern, nur 400 Meter von der Grenze entfernt, derzeit mehr als verdoppelt; Zehntausende von Menschen aller Altersgruppen sind seit Mitte Juni aus dem Sudan gekommen, als in El Geneina, der wichtigsten Stadt in West-Darfur, eine neue Welle der Gewalt ausbrach. Es darf auch nicht vergessen werden, dass die derzeitige Welle von Vertriebenen aus dem Sudan zu den mehr als 400.000 sudanesischen Flüchtlingen hinzukommt, die bereits seit 2003 aufgrund früherer Konflikte in Darfur im Osten des Tschad leben".
Neben den bislang erfolglosen von den USA und Saudi-Arabien auf den Weg gebrachten Versuchen den Konflikt in Dschidda zu beenden, fand in den letzten Wochen in Addis Abeba ein vom kenianischen Präsidenten William Ruto koordiniertes Treffen statt, an dem auch Vertreter der Zivilgesellschaft teilnahmen, die sich eine Einbindung der IGAD (Intergovernmental Authority on Development, ein von den Ländern am Horn von Afrika gebildetes politisches und wirtschaftliches Gremium, Anm. d. Red.) und anderer transnationaler Organisationen zur Beendigung der Gefechte und die Aufnahme von Verhandlungen befürworten.
In der Zwischenzeit bemühen sich zahlreiche Einrichtungen vor Ort, der flüchtenden Bevölkerung konkrete Antworten zu geben. "Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bietet eine multisektorale Antwort und ist für die Bereitstellung von Bargeld, Nahrungsmitteln, Zelten und Trinkwasser für Zehntausende von Menschen verantwortlich. Das Welternährungsprogramm (WFP) leistet Nahrungsmittelhilfe für 22.000 Menschen in den vier Orten Adré, Ben Wadienne, Toumtouma und Tchoukia in der Provinz Ouaddaï3“, so die Entwicklungshelferin weiter. Neben den transnationalen Organisationen sind auch kleinere Organisationen verschiedener Art vor Ort tätig. Doch trotz der Koordinierung zur Bewältigung der Krise bestehen weiterhin große Schwierigkeiten bei der konkreten Bereitstellung der Hilfe. Die größte Schwierigkeit besteht darin, dass die bevorstehende Regenzeit die Straßentransporte erschwert, was auch zu ungünstigen Bedingungen für die Bevölkerung führt. Gleichzeitig steigen die Preise in die Höhe. "Während sich die Krise im Sudan weiter ausbreitet", so Sabrina Atturo weiter, "haben die lokalen Gemeinschaften im östlichen Tschad mit steigenden Lebensmittelpreisen zu kämpfen, die auf die kriegsbedingte Störung der Märkte und die Schließung der Grenzen zurückzuführen sind. Die hohe Inflation auf den Märkten von Adré beispielsweise bereitet sowohl den Lieferanten als auch den Käufern große Probleme. Verschärft wird dies durch das ohnehin schon niedrige Einkommensniveau der Bevölkerung und den Druck auf die Lebensgrundlagen der lokalen Haushalte aufgrund des Zustroms von Flüchtlingen und Rückkehrern“.
Ein solch plötzlicher und massiver Zustrom belastet die bisher traditionell friedliche Koexistenz und Lebensweise in den Grenzgebieten.
„Seit Generationen haben die Gemeinschaften entlang der sudanesisch-tschadischen Grenze eine Tradition des Handels und der Viehzucht aufrechterhalten, die durch Mischehen und gemeinsame kulturelle Zugehörigkeiten verbunden sind. Angesichts der neuen Krise im Sudan haben viele Tschader ihre Häuser großzügig geöffnet und Lebensmittel, Land und andere Ressourcen mit denjenigen geteilt, die vor dem Konflikt fliehen. Der plötzliche Zustrom Tausender von Menschen hat jedoch die ohnehin schwache lokale Bevölkerung im Osten des Tschad stark unter Druck gesetzt, was zu Konflikten und Zusammenstößen zwischen den Grenzgemeinden selbst führen könnte“, berichtet Atturo. „Beeindruckt hat mich die Geschichte von Khadidja, einer 40-jährigen Mutter von acht Kindern, die schon immer in Adré gelebt hat und die mit Blick auf das karge Essen, das sie für ihre Familie zubereitet hat, sagt: ‚Alles ist so teuer und schwer geworden‘, während ihre älteste Tochter Hila, Anfang zwanzig, gesteht, dass sie den Schmerz derer, die vor dem Krieg geflohen sind, mitfühlt. Ihre eigene Familie hat zwei sudanesische Jugendliche aufgenommen, die aus El Geneina geflohen waren: ‚Aber wenn man selbst Hunger hat, ist es schwer, die Schreie der anderen zu hören‘".
Das sind viele Herausforderungen für ein Land, das selbst auf dem Index für menschliche Entwicklung an letzter Stelle steht: fehlende Infrastrukturen, politische Unsicherheit, strukturelle Schwächen im Gesundheits- und Bildungswesen, zu denen noch die schwierigen klimatischen Verhältnisse mit der fortschreitenden Wüste hinzukommen. „Hier", so Sabrina Atturo abschließend zur Arbeit des Hilfswerks, "wechseln sich Jahreszeiten mit großer Hitze mit anderen ab, in denen es Überschwemmungen gibt, ohne dass die Wasserbewirtschaftung funktioniert. In dem komplexen Kontext dieses Landes führt MAGIS ganzheitliche Projekte zur menschlichen Entwicklung in der Landwirtschaft und vor allem im Gesundheitswesen durch, indem es die Strukturen stärkt und das Personal ausbildet“.
(LA) (Fides 12/8/2023)