Manzini (Agenzia Fides) - "Wenn ich die Situation, in der sich eSwatini befindet, zusammenfassend beschreiben müsste, würde ich den Begriff 'Ungewissheit' verwenden. Das ist der Geisteszustand, der die Situation am besten repräsentiert und kennzeichnet, und ich spreche schon seit langem darüber, indem ich Nachrichten in den sozialen Medien poste: Wir wissen im Moment nicht wirklich, welchen Weg wir einschlagen sollen, und niemand spricht viel darüber. Als im Juni 2021 die Gewalt ausbrach, sprachen wir als Rat der christlichen Kirchen direkt mit dem zuständigen Premierminister und bekamen zu hören, dass die beste Antwort auf die angespannte Situation ein nationaler Dialog sei. Die Monate vergingen, und im Februar erklärte der Finanzminister, er wolle einen Dialog auf hoher Ebene organisieren. Schließlich haben wir vor kurzem erfahren, dass ein Team ausgewählt wurde, das diesen Dialog gestalten soll. Inzwischen sind wir im August und warten immer noch auf Neuigkeiten", so Pater José Luís Gerardo Ponce de León, Consolata-Missionar und Bischof von Manzini, der einzigen Diözese von eSwatini, im Interview gegenüber Fides. Das Gespräch fand von Johannesburg aus statt, wo der Bischof an einer Sitzung der Bischofskonferenz des südlichen Afrikas (SACBC) teilnahm. Er erläuterte die komplizierte Situation in dem kleinen südafrikanischen Land, das vor etwas mehr als einem Jahr als letzte absolute Monarchie in Afrika, nach Massendemonstrationen, die von der Polizei niedergeschlagen wurden, ins Chaos stürzte, und nun wird der Weg zurück zur Normalität gesucht
Der Prälat stellt fest: "Zweimal sollte die Situation in eSwatini auf der Tagesordnung der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) stehen, und beide Male verschwand sie von der Tagesordnung. Das für den 19. Juli anberaumte Treffen mit unseren Behörden wurde abgesagt, und ein paar Tage zuvor erfuhren wir, dass eSwatini noch nicht bereit sei. Die Regierung behauptete jedoch im Gegenteil, dass sie bereit war und dass die Nichtteilnahme nicht auf die Bereitschaft eSwatini zurückzuführen war. Auch hier gab es keine klare Kommunikation und die Menschen bleiben im Ungewissen".
„In dem Jahr, das seit dem Ausbruch der Gewalt und der Zusammenstöße vergangen ist, sind die Spannungen, die seit Beginn zwar abgenommen haben, weiterhin latent vorhanden. Es gibt immer noch soziale Unruhen im Lande. Wir können sagen, dass wir uns in einer Situation niedriger Gewaltintensität befinden", resümiert der Bischof, "die uns aber auch daran erinnert, dass noch nichts gelöst ist. In der Nähe von Manzini wurden am helllichten Tag einige Polizisten getötet. Im März brannte jemand die Bibliothek einer Schule in der Nähe von Mosambik, in einer der ärmsten Gegenden des Landes, nieder, und von Zeit zu Zeit gibt es Berichte über Gebäude, die in Brand gesteckt werden. Aber es ist nicht klar, was die Ursache dafür ist. Dies scheint eine Art zu sein, uns mitzuteilen, dass die Angelegenheit noch nicht geklärt ist. Auch die Urheber der verschiedenen Anschläge, die in den letzten Monaten in dem Land verübt wurden, sind unklar".
"Als ich in Kolumbien war, habe ich an den Bemühungen um einen nationalen Dialog teilgenommen“, berichtet der Bischof, „das Wichtigste war, die Gesprächspartner kennenzulernen, es war klar, wer die Anführer waren, mit denen man einen Dialog führen konnte. Doch wenn sich die Gesprächspartner nicht einig sind, ist es schwierig, einen Dialogprozess zu beginnen. Die Regierung ihrerseits hat seit dem Ausbruch der Unruhen den Eindruck erwecken wollen, dass sie sich der sozialen Probleme annimmt, und hat versucht, die Grundversorgung und die Straßen zu verbessern. Aber es gibt einen politischen Schrei, der über den sozialen Schrei hinausgeht und nicht gehört wird… Es besteht das Risiko, dass König Mswati III. - der sich in einen rituellen Ruhestand begibt und die Öffentlichkeit mindestens bis Februar, März nicht trifft - im November nicht zur Verfügung steht und alles weiter aufgeschoben wird. Im Jahr 2023 sollen außerdem nationale Wahlen stattfinden, ein sehr wichtiger Zeitpunkt. Aber selbst dann wissen wir nicht, ob es vor den Wahlen einen Dialog geben wird oder ob die Wahlen über die Zukunft entscheiden werden".
Die katholische Kirche, so der Prälat, setze sich unmittelbar für einen friedlichen Weg und eine Begegnung ein, die Gewalt vermeidet und auf nationale Versöhnung abzielt: "Als katholische Kirche haben wir immer wieder versucht, auf die Bedeutung der Gewaltlosigkeit hinzuweisen: Gewalt kann keine Antwort auf unsere Situation sein. Wir halten regelmäßig Gebetsstunden für den Frieden ab und bitten alle, Baumeister des Friedens und der Harmonie zu sein". Der Bischof stellt außerdem fest: "Ich habe persönlich an der Ausarbeitung eines Dokuments mitgewirkt, das eine möglichen road map für den von der SADC angestrebten Dialog skizziert. Im März letzten Jahres war dieses Dokument fertig, und es wurde uns gesagt, dass alle beteiligten Parteien Zugang haben sollten. Der Bericht liegt der Regierung vor, wurde aber der Bevölkerung nie vorgelegt. In der Zwischenzeit ertönt der Ruf, dass die soziale Situation noch schwieriger ist als zuvor. Durch den Krieg in der Ukraine sind die Treibstoffpreise um 100 Prozent gestiegen, und das hat schwerwiegende Auswirkungen auf uns". Abschließend stellt er fest, dass "eine weitere Schwierigkeit auf politischer Ebene besteht. Wir müssen das politische System der Nation überdenken. Ich kann nicht genau sagen, was die Menschen in Swasiland darüber denken, aber es muss der Tag kommen, an dem sie ihre Entscheidung frei treffen können“.
(LA) (Fides 12/8/2022)