ASIEN/HEILIGES LAND - Spirale der Gewalt: Justitia-et-Pax-Kommission versucht eine Analyse der Ursachen

Donnerstag, 19 Mai 2022 mittlerer osten   krisengebiete   jerusalem   kriege  

Jerusalem (Fides) - Die Hauptursache für das Fortbestehen der Gewalt im Heiligen Land sei "die Besetzung Palästinas", eine Besetzung, die "seit fünfundfünfzig Jahren andauert". Dies unterstreicht die Kommission für Gerechtigkeit und Frieden des Lateinischen Patriarchats von Jerusalem in einer Stellungnahme zur jüngsten Gewaltspirale im Heiligen Land. Das Dokument, das Fides vorliegt, untersucht die jüngsten blutigen Ereignisse im Lichte der jüngeren und langjährigen Ursachen, die seit Jahrzehnten die Trauer und den Schmerz unter den Völkern des Heiligen Landes schüren. "In unserem Versuch, die Wurzeln dieser Gewalt zu verstehen", betonen die Autoren des Dokuments, "versuchen wir in keiner Weise, sie zu rechtfertigen. Verstehen ist jedoch der einzige Weg, um einen Ausweg aus diesem tödlichen Kreislauf zu finden".
Ausgangspunkt der Überlegungen der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden in Jerusalem ist die Ermordung der palästinensischen Journalistin Shireen Abu Aqleh am 11. Mai durch israelische Streitkräfte: als eine "Tochter unserer christlichen Gemeinschaft", die in der ganzen Region als Journalistin für Al-Jazeera bekannt war (vgl. Fides 12/5/2022) bezeichnet die Kommission die Journalistin. Die Aggression der israelischen Polizei gegen den Trauerzug, der den Sarg von Shireen zur Kirche trug, heißt es in dem Dokument der Justitia et Pax-Kommission "hat uns ebenfalls fassungslos gemacht". Das Dokument erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass die Gewalt bei der Beerdigung der palästinensischen Journalistin nur die jüngste schmerzhafte Episode in einer Spirale der Gewalt ist.
In dem Dokument der Kommission des Lateinischen Patriarchat von Jerusalem verbundenen heißt es: "Solange der Konflikt zwischen israelischen Juden und palästinensischen Arabern andauert, solange es im Heiligen Land keine Gerechtigkeit, Gleichheit und Frieden gibt, kein aufrichtiges Engagement zur Beendigung des Konflikts, wird der Tod weiterhin siegen. Solange den Bewohnern Ost-Jerusalems, des Westjordanlandes und des Gazastreifens ein militärisches Besatzungsregime auferlegt wird und solange innerhalb des Staates Israel ein Regime der Diskriminierung aufrechterhalten wird, wird der Kreislauf der Gewalt kein Ende nehmen".
Zu den Ursachen der Gewalt weisen die Autoren des Dokuments darauf hin, dass viele Analysen "die Gewalt auf palästinensische, arabische oder islamische Ideologien zurückführen, die Israel, Israelis und sogar Juden ablehnen. Diese Gewalttaten müssen jedoch zunächst im Kontext des andauernden israelisch-palästinensischen Konflikts analysiert werden", und "es muss mit unmissverständlicher Klarheit wiederholt werden: Die eigentliche Ursache und der primäre Kontext der Gewalt ist die Besetzung Palästinas, eine Besetzung, die seit fünfundfünfzig Jahren andauert".
Als Gewalt im Zusammenhang mit der Besatzung bezeichnet die Kommission "die Enteignung von Land, Verwaltungshaft, den Entzug von Baugenehmigungen, den Abriss von Häusern, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die Unterdrückung der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung und die anhaltende Belagerung des Gazastreifens". Das Dokument verweist auch auf die neuen Spannungen in der Heilige Stadt ist. Dazu gehören "die anhaltenden Bedrohungen des Status quo im Haram al-Sharif (auch bekannt als Tempelberg), die erdrückenden Zugangsbeschränkungen zu den Heiligen Stätten (für Christen wurde dies am letzten orthodoxen Sabbat des Lichts noch einmal hervorgehoben, Karsamstag) und die anhaltenden Versuche, Eigentum im besetzten Ostjerusalem zu beanspruchen, die zur Vertreibung von Menschen aus ihren Häusern geführt haben, um sie Siedlern zu überlassen, insbesondere in Sheikh Jarrah und Silwan“. „Ein Großteil der Gewalt, der die Palästinenser zum Opfer fallen, wird von israelischen Siedlern und ihren Aktivistengruppen ausgeübt, die palästinensisches Land besetzen und illegal in den von Israel besetzten Gebieten leben", heißt es in dem Dokument weiter.
Die neuen internationalen Szenarien, die durch den Konflikt in der Ukraine entstanden sind, so die Autoren des Dokuments, hätten nach Ansicht der Palästinenser eine „Doppelmoral“ bei den Antworten der internationalen Gemeinschaft auf die verschiedenen Konfliktsituationen unterstrichen: Den Einmarsch Russlands in die Ukraine „verurteilte die internationale Gemeinschaft, angeführt von den Vereinigten Staaten, und viele Länder, darunter die Vereinigten Staaten, die Europäische Union und das Vereinigte Königreich, verhängten weitreichende Sanktionen, um das russische Regime zum Rückzug aus dem ukrainischen Hoheitsgebiet und zur Beendigung seiner Aggression zu bewegen“. „Viele Palästinenser“, so die Kommission weiter, „vergleichen die jüngsten Ereignisse mit den jahrzehntelangen Konflikten in ihrer eigenen Heimat. Israel hat palästinensische Gebiete seit 1967 besetzt und den Palästinensern innerhalb Israels seit 1948 ein diskriminierendes Regime der Ungleichheit auferlegt. Allerdings haben diejenigen, die die russische Aggression am deutlichsten verurteilen, wenig getan, um die israelische Besatzung und Diskriminierung anzuprangern. Diese Doppelmoral hat die Frustration und Verzweiflung der Palästinenser nur noch verschlimmert".
Im Schlussteil des Dokuments werden die israelischen Behörden aufgefordert, "die Gründe für die Gewalt, die uns alle umgibt, objektiv zu bewerten. Gewalt mit Gewalt zu beantworten, eine Logik der endlosen Vergeltung, ist nicht die Antwort. Israel und Palästina haben die gleichen Rechte: das Recht auf Sicherheit, Freiheit, Würde und Selbstbestimmung. Die Gewalt wird nicht aufhören, bis diese Rechte sowohl für Israelis als auch für Palästinenser verwirklicht sind“.
(GV) (Fides 19/5/2022)


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