MISSIONSKONFERENZ - Kardinal Marengo: Das Evangelium über alle Grenzen und Barrieren hinweg flüstern

Sonntag, 5 Oktober 2025 mission   evangelisierung   dikasterium für evangelisierung   päpstliche missionswerke   kardinäle  

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Von Kardinal Giorgio Marengo IMC*

Rom (Fides)- Am Nachmittag des 4. Oktober fand in der Aula Magna der Päpstlichen Universität Urbaniana eine im Rahmen des Jubiläums der Missionare und der Migranten vom Dikasterium für die Evangelisierung (Sektion für die Erstevangelisierung und die neuen Teilkirchen) und den Päpstlichen Missionswerken organisierte Konferenz fand statt.
Wir veröffentlichen den Vortrag von Kardinal Giorgio Marengo, Apostolischer Präfekt von Ulaanbatar bei der Internationalen Missionskonferenz zum Thema „Die Missio ad Gentes heute: Aufbruch zu neuen Horizonten“ im Wortlaut.

Rom (Fidesdienst) – Ich danke den Organisatoren dieser internationalen Missionskonferenz für die Einladung und die Möglichkeit, einige Überlegungen zu einem Thema anzustellen, das für die Kirche heute von großer Bedeutung ist. „Das Evangelium flüstern“ drückt die Tiefe, Komplexität und Schönheit der Mission aus, insbesondere der Erstverkündigung. Ich schlage daher vor, genau von diesem Ausdruck auszugehen, um gemeinsam mit Ihnen eine kurze missionarische Reflexion zu entwickeln.

Es war 1998: Während der Arbeiten der Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien teilte der Erzbischof von Guwahati, Thomas Menamparampil (SDB), diesen Ausdruck mit den Synodenvätern. Um die Mission der Kirche in Asien zusammenzufassen, sprach der indische Prälat von „Whispering the Gospel to the Soul of Asia”, also „das Evangelium der Seele Asiens zuflüstern”. Nach seiner Rede kamen viele zu ihm, um ihm zu dieser Definition zu gratulieren. Als Inder und Experte für Mission in Asien hatte Erzbischof Menamparampil es verstanden, das Wesentliche der Mission und ihre Vielseitigkeit in einem sehr eindrucksvollen Bild zusammenzufassen.

Das Herzstück der Mission ist zweifellos das Evangelium. Es ist selbstverständlich, aber besser zu viel als zu wenig zu sagen: Die Sendung der Kirche besteht immer und überall darin, jedem Menschen die Möglichkeit zu bieten, Christus und sein Evangelium kennenzulernen. Dieser Schatz ist für das Herz bestimmt, für den tiefsten und geheimnisvollsten Teil des Menschen. Deshalb flüstert man: Es ist eine besondere Angelegenheit, die Vertrauen erfordert und eine aufrichtige Freundschaft voraussetzt. Es kommen mir die Worte des Heiligen Paul VI. in den Sinn, der in Nr. 20 des Apostolischen Schreibens „Evangelii Nuntiandi“ daran erinnerte: „Vielleicht können wir dies zusammenfassend auf folgende Weise ausdrücken: Es gilt – und zwar nicht nur dekorativ wie durch einen oberflächlichen Anstrich, sondern mit vitaler Kraft in der Tiefe und bis zu ihren Wurzeln – die Kultur und die Kulturen des Menschen im vollen und umfassenden Sinn, den diese Begriffe in Gaudium et spes (50) haben, zu evangelisieren, wobei man immer von der Person ausgeht und dann stets zu den Beziehungen der Personen untereinander und mit Gott fortschreitet“.

Das Evangelium zu flüstern kommt aus dem Herzen und richtet sich an das Herz. Maria Magdalena eilt zu den Jüngern, um ihnen vom leeren Grab und der Begegnung mit dem Auferstandenen zu berichten; das brennende Herz der Jünger von Emmaus möchte die Freude des Weggefährten teilen, der die Dunkelheit ihrer Enttäuschung zerstreut hat. Es gibt also eine Verkündigung „ad intra“, die die erste Glaubensgemeinschaft beseelt und sie überall und immer, bis zum heutigen Tag, weiter trägt; aber es entsteht auch sofort eine Verkündigung „ad extra“, genau wie der Auferstandene es von den Elf verlangt hatte: „Geht hinaus in die Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung“ (Mk 16,15, vgl. Mt 28,19-20) . Der heilige Paulus kann das „Geheimnis, das seit ewigen Zeiten verborgen war“ nicht länger verbergen und verkündet es der Gemeinde in Kolossä, die überwiegend aus Heiden besteht.

Im Rahmen des Jubiläums der missionarischen Welt ist es wichtig, sich auf das Geschenk der Gnade und die damit verbundene Verantwortung zurückzubesinnen, das Evangelium denen zu verkünden, die es noch nicht kennen. Das ist das Besondere der sogenannten „missio ad gentes“, die auch heute noch ihre Gültigkeit und Notwendigkeit hat.

Es ist schön, dass wir dies hier an der Päpstlichen Universität Urbaniana sagen, der Nachfolgerin des alten „Collegio Urbano“, das 1627 gegründet wurde, um genau diesem Engagement für Bildung und wissenschaftliche Forschung, das die Mission erfordert, Substanz zu verleihen. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass die Heilige Kongregation „De Propaganda Fide“ gerade deshalb ins Leben gerufen wurde, um die edle Aufgabe, das Evangelium dort zu verkünden, wo es noch nicht bekannt war, wieder in den Mittelpunkt der Kirche zu rücken, nachdem sich die Kolonialmächte der damaligen Zeit – nicht ohne Verdienste, aber auch mit unvermeidlichen Grenzen und Schwächen – dieser Aufgabe angenommen hatten. Wenn damals die Notwendigkeit bestand, das missionarische Engagement zu „reinigen” und es wieder unter die Ägide des Apostolischen Stuhls zu bringen, so scheint es heute darum zu gehen, die Gültigkeit dieses spezifischen Engagements, das manchmal in Frage gestellt wird, als hätte es in einer globalisierten und zunehmend vernetzten Welt keine Daseinsberechtigung mehr, erneut zu bekräftigen. Diese subtile Zweideutigkeit wurde bereits von Johannes Paul II. hervorgehoben, der es 1990 für notwendig hielt, die „dauerhafte Gültigkeit des missionarischen Auftrags” mit der Enzyklika „Redemptoris Missio“ zu bekräftigen.

So lässt sich eine Linie in der Lehre erkennen, die von der Konzilskonstitution „Ad Gentes“ ausgeht, über das bereits erwähnte Apostolische Schreiben „Evangelii Nuntiandi“ von Paul VI. führt und von Johannes Paul II. mit der Enzyklika „Redemptoris Missio“ bestätigt wird. Sie wird in den Dokumenten der Kongregation für die Glaubenslehre weiter präzisiert, insbesondere in der Erklärung „Dominus Jesus“ aus dem Jahr 2000 (unterzeichnet vom damaligen Kardinal Joseph Ratzinger) und in der Lehrmäßigen Note zu einigen Aspekten der Evangelisierung aus dem Jahr 2007. Das Nachsynodale Apostolische Schreiben „Verbum Domini“ von Papst Benedikt XVI. (2010) enthält eine klare Ermutigung zur Bedeutung der Mission „ad gentes“ und unterstreicht deren wesentliche Bedeutung. Schließlich folgt das Apostolische Schreiben „Evangelii Gaudium“ von Papst Franziskus als Bestätigung und zugleich als Neubelebung des unveränderten Engagements der Kirche für die freudige Verkündigung des Evangeliums, das wieder in den Mittelpunkt des Lebens und der Mission der Kirche gestellt wurde, auch in ihrer zentralen Organisation, wie in der Apostolischen Konstitution „Praedicate Evangelium“ (2022) bekräftigt wird. Dies ist auch die Erfahrung der Kirche seit ihren Anfängen. Der heilige Paulus konnte seine Berufung nicht ohne Verkündigung verstehen: „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor 9,16). Vor allem dank ihm wurde den Aposteln in jenen Jahren immer bewusster, dass der Auftrag, den sie vom Auferstandenen erhalten hatten, zwar das Volk des Alten Bundes betraf, aber auch die Völker, die aus unterschiedlichen religiösen Traditionen stammten und die Mehrheit der damaligen Welt ausmachten. Wenn wir uns für einen Moment in die ersten christlichen Generationen kurz nach Pfingsten hineinversetzen, finden wir uns in einer Welt wieder, die ganz und gar nicht christlich (und zum größten Teil auch nicht jüdisch) war; und genau in diese Welt fühlten sich die ersten Gläubigen, geleitet von den Aposteln, gesandt, um die Freude des Evangeliums zu verkünden. Es war die Norm, mit Menschen in Kontakt zu treten, die Jesus Christus überhaupt nicht kannten, und daraus entstand und verwurzelte sich die Überzeugung, ihn aus Liebe bekannt machen zu wollen.

Die Mission „ad gentes“ heute wieder aufzunehmen bedeutet, von hier aus neu zu beginnen, mit Liebe und Feingefühl, mit dem Wunsch, jedem Menschen und jeder Kultur das Evangelium ins Herz zu flüstern. Dieses liebevolle Streben nach der Verkündigung des Evangeliums weckt eine aufrichtige Begeisterung für die Kulturen und eine strenge Verpflichtung, sie zu entschlüsseln und ihre wesentlichen Merkmale zu erfassen. Im Laufe der Jahrhunderte hatten wir uns an einen Kontext gewöhnt, in dem das Christentum weit verbreitet war; zweitausend Jahre Mission sind keine Kleinigkeit! Doch auch wenn es nur in begrenztem Umfang geschieht, gibt es auch heute noch Realitäten, in denen Christus und sein Evangelium noch nicht bekannt sind und die konkreten Möglichkeiten, sich damit auseinanderzusetzen, aufgrund des Mangels an Zeugen vor Ort selten sind. In diesen Realitäten wird die Mission „ad gentes“ in erster Linie gelebt. Dies ist also eine Möglichkeit, sie nach einem ekklesiologischen Kriterium zu beschreiben: dort zu sein, wo die sichtbare Kirche noch nicht oder nur unvollständig präsent ist. Es ist wichtig, dies zur Kenntnis zu nehmen und die Schönheit dieser Anfangsphase der Begegnung des Evangeliums mit Menschengruppen und Kulturen wiederzuentdecken, die aus verschiedenen Gründen noch nicht damit in Berührung gekommen sind. Dies trägt dazu bei, die Frische der ersten Verkündigung zu bewahren, die eine Kettenreaktion in Gang setzen kann, die die Weitergabe des Glaubens in der ganzen Kirche belebt, auch dort, wo sie bereits etabliert ist. Die Erfahrungen der Teilkirchen, die sich noch in der Phase der Eingliederung befinden und sich durch eine Minderheitenstellung in den Gesellschaften, in denen sie sich befinden, auszeichnen, haben Folgendes Schönes: Trotz ihrer offensichtlichen Grenzen erinnern sie die Weltkirche an das Wesentliche ihrer tiefen Identität, nämlich dass sie für die Verkündigung des Reiches Gottes existiert und nicht für sich selbst.

Das Zeugnis der Gläubigen der ersten Generationen hat etwas Einzigartiges und Ansteckendes, wie Journalisten und Schriftsteller bemerken, die ihre Stimmen sammeln. Im Falle der Mongolei ist der jüngste Erfolg des spaniscchen Schriftstellers Javier Cercas mit seinem Buch „El loco de Dios en el fin del mundo“ („Der Gottverrückte am Ende der Welt”) ziemlich symbolträchtig. Eine Reportage, die noch direkter mit dem Zeugnis der ersten Katholiken in der Mongolei verbunden ist, ist die von Marie-Lucile Kubacki De Guitaut in ihrem Buch „Jésus en Mongolie” („Jesus in der Mongolei“).

Otgongerel Lucia ist ein leuchtendes Beispiel: Mit einer schweren körperlichen Behinderung geboren (Fehlen der Endglieder der oberen und unteren Gliedmaßen), wollte sie sich, nachdem sie den Glauben angenommen hatte, in Hilfsinitiativen engagieren, zunächst als Freiwillige, dann als festangestellte Mitarbeiterin. Heute leitet sie das „Haus der Barmherzigkeit“ in Ulaanbaatar, eine Einrichtung, die 2023 von Papst Franziskus eingeweiht wurde und sich um Menschen in Not kümmert, für die sie Nahrung, medizinische Versorgung und Beratung bereitsstellt.

Um die ersten Schritte der Verwurzelung der Kirche in einem bestimmten Gebiet zu begleiten, ist es von grundlegender Bedeutung, die Instrumente zu verfeinern, um deren kulturelle Identität kennenzulernen und in einen Dialog zu treten, damit der Glaube inkulturiert wachsen kann. Auch hier ist die Rolle der Einheimischen von wesentlicher Bedeutung. Selenge Ambrogio, Geschäftsmann und Experte für Orientalistik, fühlt sich berufen, „die Tür offen zu halten, damit das Licht hereinkommen kann”. Als gebildeter Mann und Experte für interkulturelle Dynamiken ist er sich der Komplexität der Verkündigung des Evangeliums und der langen Zeit, die sie erfordert, bewusst. Dennoch scheut er sich nicht vor der heiklen Aufgabe, die Mission zu fördern, indem er seine Kompetenzen zur Verfügung stellt, um Suchende zu ermutigen und die Begegnung des Evangeliums mit der mongolischen Kultur zu fördern.
Enkhtuvshin Agostino ist der einzige mongolische katholische Künstler. Nach seiner Promotion in Bildhauerei an der Akademie der Schönen Künste in Moskau begann er nach seiner Rückkehr in seine Heimat mit den ersten katholischen Missionaren zusammenzuarbeiten, die inzwischen dort angekommen waren. In seiner Lehrtätigkeit an der Universität und durch sein künstlerisches Schaffen bietet er wichtige Interpretationsansätze für die Weitergabe des Glaubens.
Das Evangelium dem Herzen einer Kultur zuzuflüstern, fördert eine diskrete und detailbewusste Evangelisierung, in dem Bewusstsein, dass ihre Dynamik eher in der Anziehungskraft als im Proselytismus liegt. Im Hintergrund lässt sich die Tiefe als zentrales Konzept der Mission erkennen. Eine ganze Kulturwelt, die sich dem Evangelium öffnet, erfordert Feingefühl, Geduld und vor allem Tiefe, die die betende, kontemplative Dimension zu bewahren vermag. Studium, Nächstenliebe und Gebet verflechten sich zu einem Leben, das von Diskretion und Beharrlichkeit geprägt ist. „Der Missionar muß ein »in Beschaulichkeit Tätiger« sein… Wenn der Missionar nicht kontemplativ ist, kann er Christus nicht glaubwürdig verkünden. Er ist ein Zeuge der Gotteserfahrung und muß wie die Apostel sagen können: »Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch« (1 Joh 1, 1-3). Dieses Zitat aus „Redemptoris Missio“ (Nr. 91) verweist auf die tiefe Verflechtung zwischen kontemplativem Leben und Evangelisierungsmission auf den Straßen der Welt. Die Berufung zur Mission „ad gentes“ anzunehmen – denn darum handelt es sich, um eine spezifische Berufung – lässt uns die unabdingbare Notwendigkeit erkennen, uns immer mehr an den Stil anzupassen, den Christus gewählt hat, um sich der Welt zu offenbaren. Papst Leo XIV. hat dies in einer seiner jüngsten Katechesen zusammengefasst:
„Der Mittelpunkt unseres Glaubens und das Herzstück unserer Hoffnung sind fest in der Auferstehung Christi verwurzelt. Wenn wir die Evangelien aufmerksam lesen, erkennen wir, dass dieses Geheimnis nicht nur deshalb erstaunlich ist, weil ein Mensch – der Sohn Gottes – von den Toten auferstanden ist, sondern auch wegen der Art und Weise, wie er dies getan hat. Tatsächlich ist die Auferstehung Jesu kein triumphaler Sieg, keine Rache oder Vergeltung gegenüber seinen Feinden. Sie ist das wunderbare Zeugnis dafür, wie die Liebe nach einer großen Niederlage wieder aufstehen kann, um ihren unaufhaltsamen Weg fortzusetzen…. Nachdem er aus der Unterwelt des Todes hervorgegangen ist, übt Jesus keine Rache. Er kehrt nicht mit Gesten der Macht zurück, sondern zeigt mit Sanftmut die Freude einer Liebe, die größer ist als jede Wunde und stärker als jeder Verrat. Der Auferstandene verspürt kein Bedürfnis, seine Überlegenheit zu bekräftigen oder zu behaupten. Er erscheint seinen Freunden – den Jüngern – und tut dies mit äußerster Diskretion, ohne ihre Aufnahmefähigkeit zu überfordern. Sein einziger Wunsch ist es, wieder mit ihnen in Gemeinschaft zu sein“.

Die Mission ad gentes, die als Flüstern des Evangeliums in die Herzen einer bestimmten Kultur erlebt wird, drückt sich in einer Vielzahl äußerer Erscheinungsformen aus, die den vielen Bereichen entsprechen, in denen sie sich konkretisiert. Es gibt jedoch eine tiefe, nicht immer sichtbare Wurzel, die jedes äußere Handeln stützt und auch in seiner Abwesenheit Bestand hat. Wenn man die hier vorgeschlagene Definition der Mission „ad gentes“ für gültig hält, kann man sagen, dass der Grund für die Anwesenheit des/der Missionars/Missionarin in bestimmten menschlichen Kontexten darin besteht, „das Evangelium zu verkünden”; ein Ausdruck, der typisch für unseren innerkirchlichen Wortschatz ist, aber einer Erklärung bedarf. Bereits im Neuen Testament wurde dieser Ausdruck zu einer verkürzten Formel, um eine komplexe, vielschichtige Realität zu beschreiben. Das Wort „Evangelium” selbst ist eine Zusammenfassung, ein Versuch, etwas extrem Umfangreiches und Schönes in einem einzigen Wort auszudrücken. Der Punkt ist: Menschen mit Christus in Kontakt zu bringen, ihn bekannt zu machen, vor allem dort, wo diese Möglichkeit selten ist. Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet daher: Wie können wir unsere tägliche Missionsarbeit bewerten? Wie ist die Qualität der Verkündigung? Oder, noch grundlegender, gibt es überhaupt eine Verkündigung in unserer Missionsarbeit? Gibt es das Evangelium? Sicher, man könnte sagen: „Alles ist Evangelium, alles dient der Mission, alles trägt dazu bei”. Sind wir uns dessen wirklich sicher? Seien wir ehrlich...

Man hat den Eindruck, dass wir selbst in einer Situation echter „Ad-gentes“-Mission, sobald wir uns eingelebt und unseren Platz gefunden haben, unseren „Schreibtisch“, an dem wir uns als jemand fühlen, in einen Mechanismus geraten, der uns dazu bringt, als Missionare zu agieren, mit einer ganzen Reihe von „Dingen, die zu tun sind“, aber manchmal ohne jene Tiefe, jene Absicht, die den Unterschied ausmachen. In Wirklichkeit ist Evangelisierung etwas viel Tieferes und noch Schöneres. Es bedeutet, unsere persönliche Beziehung zu Christus auf einer so lebendigen Ebene zu leben, dass sie sich dann in unserem täglichen Leben widerspiegelt, wie auch immer dieses aussehen mag. Daher können unsere Erfahrungen sehr unterschiedlich sein, sie können (und in einigen Fällen müssen) sich sogar ändern, solange wir tief in unserem Inneren diese lebendige Beziehung zu Christus haben, dem einzigen Hohenpriester, dem einzigen wahren Hirten, dem universellen Bruder. Fehlt diese Dimension, sind wir wirklich zu bemitleiden. Was für ein elendes Leben ohne dieses Feuer!

Wir erkennen also eine Dimension, die wir als „generativ“ für die Mission bezeichnen könnten. Geweihte Menschen sind zu geistlicher Vaterschaft und Mutterschaft berufen. Es reicht nicht aus, dass ein Vater oder eine Mutter arbeiten und sich dafür einsetzen, ihren Kindern Bildung, Gesundheit und Chancen zu garantieren; sie müssen auch ihre Krisen in sich tragen, Ablehnung, Widerstand, Proteste und Misserfolge akzeptieren. Nur wenn ein Vater oder eine Mutter dieses Geheimnis ihrer Kinder erforscht, es tief in sich aufnimmt und alles im Gebet vor Gott bringt, wird es wirklich generativ, fruchtbar. Mit anderen Worten: Die missionarische Berufung „ad gentes“ wirklich zu leben, bedeutet eine innige Teilhabe am Geheimnis Christi, der vom Vater zur Erlösung aller gesandt wurde. Das ist die tiefste und notwendigste Dimension, die den äußeren Werken Fruchtbarkeit verleihen kann. Auch hier ist der Meister der heilige Paulus. So beschreibt er seinen missionarischen Dienst: „Ich bin überzeugt, dass Gott uns Apostel als die Letzten von allen, als zum Tode Verurteilte, zur Schau gestellt hat, denn wir sind ein Schauspiel geworden für die Welt, für Engel und für Menschen. Wir sind verrückt um Christi willen, ihr aber seid weise in Christus; wir sind schwach, ihr aber seid stark; ihr seid berühmt, wir aber werden verachtet. Bis zum heutigen Tag hungern und dürsten wir, wir sind nackt, werden geschlagen, haben keine feste Bleibe und mühen uns ab mit unserer eigenen Hände Arbeit; wenn wir geschmäht werden, segnen wir; wenn wir verfolgt werden, ertragen wir es; wenn wir verleumdet werden, ermahnen wir; wir sind geworden und sind noch immer wie der Abschaum der Welt, wie der Auswurf aller. Ich schreibe euch dies nicht, um euch zu beschämen, sondern um euch als meine lieben Kinder zu ermahnen. Denn auch wenn ihr zehntausend Erzieher in Christus hättet, habt ihr doch nicht viele Väter, denn ich habe euch in Christus Jesus durch das Evangelium gezeugt. Ich ermahne euch also: Seid meine Nachahmer!” (1Kor 4,9-16). Paulus hat also das Gefühl, seine Jünger in Christus Jesus „gezeugt“ zu haben; sein Dienst war nicht nur ein Werk der Überzeugung und auch nicht ausschließlich ein Engagement für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen, zu denen er gesandt worden war, sondern er zeichnete sich durch eine „Zeugung zum Glauben” aus, mit all der innigen inneren Beteiligung, die dies mit sich bringt.

Wie viele Beispiele finden sich in der leuchtenden Geschichte der Evangelisierung von Männern und Frauen, die so gelebt haben, in dieser Tiefe, und deshalb fruchtbar waren! Die Welt hat sie oft erst nach ihrem Tod wahrgenommen, aber ihr Opfer hat dazu beigetragen, dass der Same des Evangeliums in vielen Ländern still und wirksam wachsen konnte, auch inmitten von Kämpfen und Verfolgungen. In so unsicheren Zeiten, in denen dichte Wolken des Hasses zwischen den Völkern hängen, lohnt es sich, an das Beispiel des seligen Pierre Claverie (OP), Bischof von Oran (Algerien) und Märtyrer, zu erinnern. Kurz vor dem Attentat, bei dem er zusammen mit seinem muslimischen Freund Mohamed ums Leben kam, hatte er in einer Predigt die Mission der Kirche in Algerien mit folgenden Worten beschrieben: „Wo ist unser Zuhause? Wir sind dort dank dieses gekreuzigten Messias. Aus keinem anderen Grund, für keine andere Person! Wir haben keine Interessen zu verteidigen, keinen Einfluss zu wahren... Wir haben keine Macht, aber wir sind dort wie am Bett eines Freundes, eines kranken Bruders, schweigend, halten seine Hand, trocknen ihm die Stirn. Wegen Jesus, denn er ist es, der leidet, in dieser Gewalt, die niemanden verschont, erneut gekreuzigt im Fleisch Tausender Unschuldiger. […] Wo sollte die Kirche Jesu, die selbst der Leib Christi ist, sein, wenn nicht vor allem dort? Ich glaube, dass sie gerade deshalb stirbt, weil sie dem Kreuz Jesu nicht nahe genug ist... Die Kirche irrt und täuscht die Welt, wenn sie sich als eine Macht unter anderen präsentiert, als eine Organisation, auch wenn sie humanitär ist, oder als eine spektakuläre evangelikale Bewegung. Sie kann glänzen, aber sie brennt nicht mit dem Feuer der Liebe Gottes“.

Möge die Fürsprache des seligen Claverie und der unzähligen Zeugen des Evangeliums auf allen Kontinenten uns in unserer missionarischen Berufung „ad gentes“ bestärken und sie auch in unserer Zeit wieder aufleben lassen.
(Fides 5/10/2025)

*Apostolischer Präfekt von Ulaanbaatar


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