ASIEN/SYRIEN - Erzbischof Jacques Mourad: “Jesus will, dass seine Kirche in Syrien bleibt”

Montag, 14 Juli 2025 ortskirchen   ostkirchen   politischer islam   geopolitik  

L’Œuvre d’Orient

Von Gianni Valente

Erzbischof Jacques Mourad ist erst vor wenigen Tagen von der Teilnahme an der Bischofssynode der syrisch-katholischen Kirche in Rom zurückgekehrt. Und hatte nach seiner Rückkehr in Homs viel zu tun. "In diesen Tagen feiere ich die Erstkommunion von Jungen und Mädchen in den Dorfpfarreien. Das ist eine Freude, die das Herz berührt. Wir danken dem Herrn für all diese Zeichen der Hoffnung, die er uns in unserer Armut schenkt", so Bischof Maurad.

Er wägt jedes Wort ab, wenn er über die Gegenwart spricht, die sein Heimatland und sein Volk derzeit erleben.
Der Mönch der Gemeinschaft von Deir Mar Musa, der zum syrisch-katholischen Erzbischof von Homs, Hama und Nabek ernannt wurde, ist besonders berührt von dem Massaker an den Christen, die am 22. Juni in Damaskus ermordet wurden, als sie mit ihren Brüdern und Schwestern in der St. Elias-Kirche zur Sonntagsmesse versammelt waren.

Die Worte von Bischof Jacques, der in Aleppo geboren wurde und sich der von dem römischen Jesuiten Paolo Dall'Oglio gegründeten Mönchsgemeinschaft anschloss, sind zuweilen ergreifend, wenn er von der syrischen Gegenwart berichtet.

Er wiederholt, dass „Syrien als Land heute am Ende ist“. Aber er sieht auch, dass die Kirche in Syrien trotzdem ihren Weg und ihre Arbeit zum Wohle aller fortsetzen muss. Und dies geschehe nur, "weil dies der Wille Jesu ist. Jesus will, dass seine Kirche in Syrien bleibt. Und die Idee, Syrien von Christen zu säubern, ist sicherlich nicht der Wille Gottes".

Das Massaker an Christen

Die neuen Machthaber in Damaskus versuchen die Menschen zu beruhigen. Auch nach dem Massaker in der St. Elias-Kirche wiederholten Regierungsvertreter, dass die Christen ein unauslöschlicher Bestandteil des syrischen Volkes seien. „Und ich möchte dazu sagen“, betont Erzbischof Mourad, "dass die Regierung die direkte Verantwortung für alles trägt, was passiert ist. Denn jede Regierung ist für die Sicherheit des Volkes verantwortlich. Und ich spreche nicht nur von den Christen. Viele Sunniten, viele Alawiten sind ebenfalls getötet worden, viele sind verschwunden. Wenn ein von einer internationalen Organisation entsandtes Team die Gefängnisse inspizieren würde, würde es viele Menschen finden, die nichts mit den Verbrechen des früheren Regimes zu tun hatten. Ich denke, man kann sagen, dass diese Regierung das Volk verfolgt. Das ganze Volk".

Der syrisch-katholische Erzbischof von Homs sieht auch Feindseligkeit in den Beschwichtigungsformeln des neuen syrischen Regimes gegenüber den Christen: "Jedes Mal, wenn ich vom ‚Schutz‘ der Christen höre, habe ich das Gefühl, dass wir angeklagt werden, dass wir bedroht werden. Das sind Worte, die nicht dazu dienen, Wohlwollen zu zeigen, sondern sie belasten uns. Ich muss sagen, dass diese Regierung die gleichen Dinge tut, die das Assad-Regime gegen die Bevölkerung getan hat. Beide Regime, das Assad-Regime und das jetzige, haben keinen Respekt vor dem syrischen Volk und seiner Geschichte".

Syrien ist am Ende

Syrien, so der Erzbischof, habe ein großes Erbe und die Gegenwart seiner jungen Menschen. Aber die letzten Regierungen "scheinen diese Zivilisation, die Zivilisation dieses Volkes, auslöschen, zerstören zu wollen. Das ist ein weltweites Verbrechen, es geht nicht nur um uns“.

„Die Unesco hat so viele Orte in Syrien zum Weltkulturerbe erklärt. Doch niemand schützt sie. Und heute müssen wir unser lebendiges Erbe schützen, nicht nur die Denkmäler".

Zuerst Lautsprecher und dann der Terror

Die Namen des Terrors ändern oft ihre „Bezeichnungen“. Syrische Regierungsquellen haben nicht näher bezeichnete Kämpfer des „Islamischen Staates“ (IS) für den Angriff auf die Kirche in Damaskus verantwortlich gemacht. Aber es die neu gegründete islamistische Gruppe "Saraya Ansar al-Sunna, die von ehemaligen Mitgliedern der Tahrir al-Sham, gegründet wurde, die sich zu dem Massaker an den Christen bekannte. Es handelt sich also um Marktstrategien, „professionelles“ Management von Kommunikation und Propaganda.

Die orthodoxen Christen der St. Elias-Kirche in Damaskus - so wiederholen es mehrere Quellen und Zeugen vor Ort - wurden "zur Strafe" massakriert, nachdem einige von ihnen eine Auseinandersetzung mit militanten Islamisten gehabt hatten, die mit auf Autos montierten Lautsprechern ständig vor die Kirche fuhren, um in hoher Lautstärke mit Koranversen zum Übertritt zum Islam aufzurufen. Das Gleiche - so bestätigt Erzbischof Jacques - geschehe in Homs und in ganz Syrien: "Sie fahren in Autos der staatlichen Sicherheitskräfte vor und fordern die Christen über Lautsprecher auf, zu konvertieren. Doch wenn wir die Sicherheitsleute zu diesem Verhalten befragen, antworten diese, dass es sich um individuelle Initiativen handelt. Die Menschen glauben nicht mehr an diese Regierung".

Unterstützung aus dem Westen

In der Zwischenzeit bemühen sich die Verantwortlichen in Syrien weiterhin um die Anerkennung. Regierungsvertreter haben erklärt, sie seien bereit, den Waffenstillstand mit Israel von 1974 neu zu verhandeln.

„Ich“, so räumt Erzbischof Mourad ein, "bin kein Politiker. Und ich sehe, dass fast das ganze syrische Volk den Frieden will. Sie wollen auch ein Friedensabkommen mit Israel, für alle Länder des Nahen Ostens. Nach all den Jahren sind alle wirklich müde von diesem Krieg und davon, die Juden als Feinde zu sehen. Aber wenn wir jetzt ein Abkommen mit Israel schließen würden, würde das nur geschehen, weil Syrien jetzt schwach ist. Und ein solches Abkommen zu einem Zeitpunkt wie diesem wäre nur ein weiterer Akt der Demütigung des Volkes“.
„Bevor der Präsident also ein solches Abkommen unterzeichnet“, so der Erzbischof weiter, „sollte er zumindest klar und deutlich zu den Menschen sprechen und ihnen erklären, was ein solches Abkommen bedeutet und was es beinhaltet. Was die Bedingungen für Israel und für die Syrer sind".

Die israelische Armee, so der syrisch-katholische Erzbischof von Homs weiter, “hat seit dem Ende des Assad-Regimes viele syrische Gebiete besetzt. Das bedeutet, dass wir die Golanhöhen vielleicht für immer vergessen müssen. Und das bedeutet, dass das syrische Volk, insbesondere in Damaskus, immer mit dem Instrument des Durstes bedroht sein wird, denn das Wasser in Damaskus kommt vom Golan. Und wenn wir in Bezug auf das Wasser von Israels abhängig bleiben, können wir uns auch andere Dinge vorstellen...".

Heute, fügt der Erzbischof mit Blick auf die dramatische syrischen Gegenwart hinzu: „Syrien ist als Land am Ende. Wir wiederholen immer wieder, dass es das erste Land der Welt ist, dass Damaskus und Aleppo die ältesten Städte der Welt sind, aber das bedeutet in der Gegenwart nichts mehr. Es ist am Ende, die meisten Menschen leben unter der Armutsgrenze, wir werden massakriert und gedemütigt und sind müde. Wir haben nicht die Kraft, uns unsere Würde selbst zurückzuholen. Wenn es keine aufrichtige politische Unterstützung für das Volk und nicht für die Regierung gibt, sind wir am Ende". Und: "Niemand sollte das syrische Volk verurteilen, weil es auswandert und sein Glück außerhalb Syriens sucht. Niemand hat das Recht zu urteilen". Und das in einer Situation, in der die gesamte Wirtschaft, das Bildungssystem und sogar das Gesundheitssystem am Abgrund stehen.

Wege in die Zukunft

Ist es möglich, Wege nach vorne zu finden, wenn der Horizont so dunkel ist und es keine Atempause zu geben scheint?

Der Erzbischof wählt herausfordernde Worte, um die Lage und den Auftrag der syrischen Kirchen und Christen heute zu umreißen.

„Meiner Meinung nach“, sagt er, "ist die Kirche der einzige Bezugspunkt der Hoffnung für das gesamte syrische Volk. Für alle, nicht nur für die Christen. Denn wir tun alles, um unser Volk zu unterstützen, so gut wir können".

"Nach dem Sturz von Assad gerieten viele in unseren Gemeinschaften und Pfarreien in eine Krise und waren verängstigt. Eine schreckliche Verzweiflung. Auch ich habe die Gemeinden besucht, in jedem Dorf, um die Christen zu ermutigen und über die Zukunft zu sprechen. Gott sei Dank fühle ich mich jedes Mal vom Herrn begleitet, in den Worten, mit denen ich zu den Menschen spreche. Und so sind wir in dieser Situation damit beschäftigt, regelmäßig Treffen für Jugendliche, für Kinder, für Gruppen, die sich auf verschiedene Weise in der Kirche engagieren, zu organisieren“.

Selbst in einer in vielerlei Hinsicht tragischen Situation geht das normale Leben der Kirchengemeinschaften weiter.
Und es sind gerade die Kirchengemeinden, die in einem zerrissenen, von Schmerz geprägten Kontext versuchen, den Dialog für das Zusammenleben aller Gruppen und Komponenten zu fördern.

"In Aleppo und auch in Damaskus sind sie wirklich engagiert. Die Bischöfe haben auch Laien Raum gegeben, um nachzudenken und die Initiative zu ergreifen“, so der Erzbischof.
„In Homs versuchen wir, Treffen mit allen anderen Gemeinschaften zu organisieren. Alawiten, Ismailiten, Sunniten, Christen“, fährt er fort. „Die Menschen, die wir treffen, sind alle besorgt über die Politik der Regierung, sogar die Muslime. Wir sind uns einig, denn wir sitzen alle im selben Boot, wie Papst Franziskus immer wieder sagte".

Die Begegnung mit Papst Leo

Es war Papst Leo, der die syrisch-katholischen Bischöfe bat, nach Rom zu kommen, um ihre Ordentliche Synode in der Ewigen Stadt abzuhalten, die vom 3. bis 6. Juli stattfand. "Es war eine wunderbare Gelegenheit, ihn zu treffen, ihn kennen zu lernen und seinen Segen zu erhalten“.
„Ich habe seine Ansprache über die Ostkirchen und den christlichen Osten mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Ich habe dieses Treffen genutzt, um ihm zu danken und ihn zu bitten, die gesamte katholische Kirche zu ermutigen, die Initiative zu ergreifen, um insbesondere das syrische Volk in seinen Grundbedürfnissen zu unterstützen".

Konkrete Werke machen Hoffnung

„Für mich“, betont Bischof Mourad, "ist es wichtig, dass sich die Kirche intensiv für den Wiederaufbau der Schulen und des gesamten Bildungssystems in Syrien einsetzt. Wir haben bereits Schulen in Aleppo und in Damaskus, aber sie reichen nicht aus. In Homs gibt es so etwas nicht. Daran müssen wir arbeiten, denn das kann auch helfen, die Auswanderung der Christen einzudämmen. Alle Eltern denken an die Zukunft ihrer Kinder. Und wenn sie ihnen keine Schulen garantieren können, in denen sie lernen können, und keine Krankenhäuser, die funktioniren, bleibt ihnen nur die Wahl zu gehen".

„Wir brauchen alles. Wir müssen auch pastorale und kulturelle Zentren wiederbeleben, die das menschliche und kulturelle Wachstum unserer jungen Menschen begleiten können. Und auch Häuser für junge Leute, die heiraten wollen. Auf diese Weise können wir alle jungen Menschen ermutigen, im Land zu bleiben und es nicht zu verlassen", betont der Erzbischof.

Es fehlt an Ressourcen, aber der Horizont ist klar: "Und so können wir auf dem Weg unserer Kirche in Syrien vorankommen. Denn das ist sicherlich der Wille Jesu. Jesus will, dass seine Kirche in Syrien bleibt. Diese Idee, Syrien von Christen zu entleeren, ist sicherlich nicht der Wille Gottes", bekräftigt er.
„Und wir, die Jünger Christi und diejenigen, die in seinem Namen Verantwortung tragen, haben zuallererst die Pflicht, unsere Gläubigen zu schützen und alles zu tun, um die Zukunft der Kirche in Syrien zu sichern“, betont er abschließend.
(Fides 14/7/2025)


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