AFRIKA - Die Gruppe Wagner und andere private Militärunternehmen (PMC) und die Zukunft des Gewaltmonopols

Mittwoch, 28 Juni 2023 kriege   söldner  

Rom (Fides) – Privatarmeen (Private Military Companies), wie der russischen Wagner-Gruppe, sind die modernste und professionellste Form von Söldnerverbänden, die seit der Antike von Staaten genutzt werden, um ihre militärischen Einheiten zu verstärken oder um Stellvertreterkriege zu führen, ohne eigene Soldaten einzusetzen.
Solche Truppen bieten Staaten, die sie um ihre Dienste bitten, in der Regel offiziell "militärische Hilfe" in Form von Ausbildung und logistischer Unterstützung an, aber ihre Soldaten und Anführer können zur Unterstützung ihres Auftraggebers auch an direkten Kampfhandlungen beteiligt sein.
Historisch gesehen wurde die erste moderne Privatarmee 1965 in Großbritannien gegründet, und zwar von Oberst David Stirling, dem schottischen Offizier, der 1942 den „Special Air Service“ (SAS) gründete, die britische Spezialeinheit, aus der nach und nach nicht nur im Westen sondern in aller Welt viele ähnlichen Truppen hervorgegangen sind.
Die „WatchGuard International Ltd.“ mit Sitz in London wurde als Offshore-Gesellschaft in der Steueroase Jersey registriert. Die Modernität der Initiative von Oberst Stirling ergab sich aus ihrer Struktur als ordnungsgemäß eingetragenes Unternehmen, das ehemalige Mitglieder der SAS und anderer britischer Eliteformationen rekrutierte. Bis dahin schufen diejenigen, die Söldner einsetzen wollten, Ad-hoc-Truppen, die nach Erfüllung des Auftrags wieder aufgelöst wurden. Es wurden nicht nur ehemalige Militärangehörige rekrutiert, sondern auch Söldner aus Kreisen, die mit der Unterwelt und dem politischen Extremismus verbunden waren. Man denke nur an die Söldnertruppe "Affreux", die im ehemaligen Belgisch-Kongo (der heutigen Demokratischen Republik Kongo) aktiv war.
„WatchGuard“ erhielt Aufträge zur Verstärkung und Ausbildung der Sicherheitskräfte einiger Golfstaaten, oft dank des "Vorschlags", den die britischen Geheimdienste den lokalen Machthabern machten. Die Verwicklung des Unternehmens in den Versuch, Gaddafi Anfang der 1970er Jahre zu stürzen, der mit Hilfe italienischer (und möglicherweise auch amerikanischer) Behörden vereitelt wurde, ist umstritten. Dieses Unternehmen war das Vorbild für andere ähnliche Truppen, die später entstanden, vor allem in der angelsächsischen Welt, in der diese formell privaten Unternehmen dennoch mit zumindest stillschweigender Zustimmung ihrer Regierung handelten.
Das Modell, an dem sich der russischen Wagner-Gruppe orientierten, war jedoch die südafrikanische „Executive Outcomes“ (EO), die 1989 von Eeben Barlow, einem ehemaligen Offizier der Spezialeinheiten im Südafrika zur Zeit der Apartheid, gegründet wurde. Die EO-Einheiten, die sich hauptsächlich aus ehemaligen Mitgliedern südafrikanischer Eliteeinheiten rekrutierte, hatte eine besondere Unternehmensstruktur, da diese Privatarmee Teil einer größeren Holdinggesellschaft war, zu der auch Bergbauunternehmen gehörten. Tatsächlich bot das „Unternehmen“ seine Dienste Ländern wie Angola und Sierra Leone im Austausch gegen Bergbaukonzessionen an. Darüber hinaus beteiligten sich EO-Einheiten auch direkt am Kampfgeschehen, indem schwere Waffen, darunter auch Angriffshubschrauber, zum Einsatz kamen, während konkurrierende Unternehmen sich im Allgemeinen zurückhielten. Dank dieser Ressourcen war die EO unabhängig von der südafrikanischen Regierung, die jedoch Gesetze erließ, die solche Privatarmeen verboten, so dass EO 1998 (auch auf Druck der USA) aufgelöst wurde. Auch am Irak-Krieg waren mehrere Privatarmeen beteiligt, von denen die amerikanischen „Blackwater“-Einheiten (mehrfach umstrukturiert und umbenannt) die bekanntesten war, wobei jedoch die regulären anglo-amerikanischen Einheiten flankiert wurden (neben den Privatarmeen sind im Irak auch mehrere private Sicherheitsdienste, PMS, die ausländische Einrichtungen und Mitarbeiter, auch von humanitären Organisationen, schützen).
Die Wagner-Gruppe wurde gegründet, nachdem EO-Gründer Barlow zum „St. Petersburger Forum“ 2010 eingeladen wurde, um mit Beamten des Moskauer Generalstabs über die mögliche Gründung russischer Privatarmeen zu diskutieren, obwohl die Gesetzgebung deren Gründung eigentlich verbot. Wie dem auch sei, das EO-Modell passt recht gut zur Beschreibung der Wagner-Gruppe. Es ist Teil einer größeren Holding, zu der unter anderem auch Bergbauunternehmen gehören, die Desinformationskampagnen durchführt, militärische Formationen mit schweren Waffen übernimmt und direkt in Kämpfe eingreift. Der grundlegende Unterschied zu EO besteht in den Beziehungen zum russischen Staat und insbesondere zum Militärischen Nachrichtendienst (GRU), in dessen Einrichtungen die Wagner-Rekruten ausgebildet werden. Um eigenen Reihen zu verstärken, erhielt die Wagner-Truppe außerdem zuletzt die Möglichkeit, Häftlinge in russischen Gefängnissen zu rekrutieren.
Die Zukunft des Unternehmens ist nach den Ereignissen der letzten Tage derzeit noch ungewiss. Während die im Krieg in der Ukraine eingesetzten Männer vermutlich in die russische Armee eingegliedert werden, zählt die Wagner Gruppe immer noch mehrere Tausend Kämpfer, die im Ausland aktiv sind, insbesondere in afrikanischen Ländern, aus denen das Privatunternehmen dank der Ausbeutung einiger Goldminen wirtschaftliche Ressourcen beziehen kann. In Staaten wie Mali, Burkina Faso und Zentralafrika haben die Wagner-Truppen bisher die Strategie des Kremls unterstützt, die französischen Truppen durch eigene Söldner zu untergraben und Putschregime wie die von Bamako und Ouagadougou oder Regierungen wie wie zum Beispeil in der Zentralafrikanischen Republik zu unterstützen, die mit Frankreich im Streit liegen. Im Sudan soll die Wagner-Gruppe angeblich, die „Rapid Support Forces“ (RSF) zu unterstützen, die als parastaatliche Miliz gegründet und in ein bewaffnetes Organ des Staates umgewandelt wurden, aber mit weitreichender operativer und finanzieller Autonomie ausgestattet sind, vom Goldhandel bis hin zur Anwerbung eigener Milizionäre für den Kampf im Jemen und in Libyen. Ein Modell, das an das der Wagner-Gruppe erinnert, nicht zuletzt, weil auch die RSF einen Konflikt mit der regulären Armee begann, die sie unter ihre Kontrolle bringen wollte.
Im Kontext der institutionellen Krise von Staaten wird unterdessen deren Gewaltmonopol nicht mehr nur von Guerillaeinheiten oder kriminellen Organisationen angefochten, sondern auch von privaten nichtstaatlichen Militärunternehmen.
(L.M.) (Fides 28/6/2023)


Teilen: