Haifa (Fides) - Bis vor zwei Jahren kamen im Mai Tausende Christen aus dem ganzen Heiligen Land nach Haifa, um an der traditionellen Prozession zu Ehren Unserer Lieben Frau vom Karmel teilzunehmen, die im Volksmund „Taalat al-Adra“ genannt wird. Auf der zweieinhalb Kilometer langen Strecke, die sich von der katholischen Gemeinde Haifa zum Karmeliterkloster „Stella Maris“ auf dem Berg Karmel windet, wurde die Prozession üblicherweise von Pfadfinderteams aus dem ganzen Land eröffnet und Christen aller Konfessionen gingen betend zu Fuß und sangen Marienlieder. Die Wallfahrt stand für den pluralistischen Charakter dieser Küstenstadt, die nach Jerusalem und Tel Aviv die bevölkerungsreichste in Israel ist. Doch das friedliche Zusammenleben verschiedener Menschen scheint in diesem Moment nicht mehr möglich zu sein nachdem sektiererischer Hass sich auch im Herzen der sogenannten "gemischten Städte" verbreitet hat, in denen israelische Juden und Araber seit einiger Zeit ohne Spannung zusammenleben. "Jeden Tag gibt es Demonstrationen, Ausschreitungen, Angriffe auf Geschäfte und Häuser, bei denen Steine auf Autos geworfen werden", so der Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke i Heiligen Land, Pfater Mikhael Abdo Abdo (OCD) gegenüber Fides. In der Abenddämmerung nehme die Spannung zu: Junge Araber und Gruppen von Juden, die auch von außerhalb in die Stadt kommen, stünden sich gegenüber. „Ich war auch in den Jahren der zweiten und dritten Intifada hier, doch in Haifa habe ich so etwas noch nie gesehen. In kurzer Zeit gelang es, Wunden wieder zu öffnen, die nie heilten. Es gibt einen Hass, der explodiert und von irgendwo herkommt, und niemand weiß genau woher".
Von den weniger als 300.000 Einwohnern der Stadt Haifa sind 40.000 arabische Israelis. Unter den Faktoren, die Pater Abdo als Auslöser für die Explosion des sektiererischen Hasses nennt, zählt auch die politische Sprache der Gruppen, die in Israel seit einiger Zeit alle Araber als "Terroristen" gebrandmarkt haben. "Es geht nicht darum, das Böse und die Gewalt zu rechtfertigen", warnt der Ordensmann, "aber sicherlich hat die Sprache, die mit der Radikalisierung des politischen Szenarios rechts von Israel verbunden ist, dazu beigetragen, die Normalität des friedlichen Zusammenlebens zu untergraben, die in den letzten Jahren vorherrschte". Was nun passiere, habe gezeigt, dass die Grundlagen dieser Koexistenz nicht solide waren. Und zum jetzigen Zeitpunkt, so Pater Abdo, „ist es schwer vorstellbar, wo die Wege der Versöhnung wieder beginnen können“. "Was im Hintergrund passiert", bestätigt der Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke im Heiligen Land, „bestätigt die Tatsache, dass die sogenannte Palästinenserfrage nicht verborgen oder ausgelöscht werden kann. Früher oder später kehrt dieser ungelöste Knoten immer wieder zurück, um das friedliche Zusammenleben zwischen den Völkern des Nahen Ostens zu beeinträchtigen, und dies destabilisiert auch weiterhin die politische Szene Israels: Nach dem, was in den letzten Tagen geschehen ist, verschwindet die Vorstellung davon, arabische Parteien in Israel bei der Schaffung einer Regierung beteiligt zu sehen, die Sektierertum und Verletzungen beendet“.
Die neue Welle der Gewalt im Heiligen Land betreffe auch den Alltag der verschiedenen Glaubensgemeinschaften, so der Ordensmann. "Menschen" so Pater Abdo gegenüber Fides, “die in Frieden leben wollen, fühlen sich heute bedroht und viele haben sich in ihre Häuser zurückgezogen. Wir mussten die liturgischen Feierlichkeiten am Abend streichen. Und jetzt wäre es auch nutzlos und unrealistisch, mit Vertretern der verschiedenen Religionen Verbindung aufzunehmen, um zu versuchen, gemeinsam Versöhnungsprozesse einzuleiten. Interreligiöse Kontakte wurden eingefroren. Wir sind in eine Zeit des Misstrauens, des Verdachts und der Verletzung zurückgekehrt".
(GV) (Fides 18/5/2021).