ASIEN/IRAK- Nach Unruhen: Christliche Parteien bemühen sich um Einheit

Dienstag, 6 September 2022 mittlerer osten   ostkirchen   krisengebiete   schiiten   politik   religiöse minderheiten   ethnische minderheiten  

Erbil (Fides) – Im Irak ist ein Bürgerkrieg nicht auszuschließen, und einige der kleinen und zerstrittenen politischen Parteien, die von christlichen Politkern angeführt werden, versuchen, Formen der Koordinierung zu finden, um der neuen Bedrohung gemeinsam zu begegnen. In den letzten Wochen haben sich Vertreter mehrerer Parteien, die von chaldäischen, assyrischen und syrischen Christen gegründet und geleitet werden, mehrmals in Erbil (Autonome Provinz Kurdistan) getroffen, um gemeinsame politische Strategien und Vorschläge auszuarbeiten, die angesichts der Konfrontation mit den Institutionen und den politischen Mehrheitsblöcken, die die verzerrte politische Szene im Irak prägen, vorgelegt werden sollen. An dem jüngsten Treffen, das am Samstag, den 3. September, in der Zentrale der Assyrischen Partei stattfand, nahmen auch Vertreter der Patriotischen Union von Mesopotamien (Huyodo Bethnahrin Athroyo, HBA) und die Assyrische Demokratische Bewegung (Abnaa al-Nahrain) teil. Die Teilnehmer äußerten die Absicht, eine gemeinsame Delegation zu bilden, die sich mit Politikern und Vertretern der Institutionen und der der Kirchen im Irak treffen soll, um die Erwartungen und Forderungen dieser in gewisser Weise mit den christlichen Gemeinschaften in Verbindung stehenden politischen Gruppierungen zu erläutern.
Im Interview mit „Suroyo TV“ bekräftigte Josef Sliwa, von der HBA, unter anderem die Kritik an der Handhabung des so genannte "Quotensystems", das 5 der 329 Parlamentssitze für Kandidaten christlichen Glaubens garantiert. Sliwa rief auch dazu auf, bald neue Parlamentswahlen einzuberufen, nachdem im Oktober 2021 gewählten Parteien infolge von Konflikt zwischen dem politischen Block des Schiitenführers Muqtada al Sadr und den pro-iranischen Schiitenparteien bisher die Einsetzung einer neuen Regierung und die Wahl eines neuen Präsidenten durchsetzen konnten.
Bereits kurz nach den Wahlen im Oktober 2021 (vgl. Fides 21/10/2021) war es zu Kontroversen und Polemiken über die Verteilung der fünf Parlamentssitze über das Quotensystem gekommen. Josef Sliwa selbst war so weit gegangen zu erklären, dass die fünf neuen Abgeordneten, an die Quoten-Sitze gingen, nicht die irakischen Christen vertreten, da seiner Meinung nach 90 % der für sie abgegebenen Stimmen nicht von christlichen Wählern stammen. Mit seiner Kritik stellte Sliwa einmal mehr die großen politischen Gruppierungen schiitischer und kurdischer Herkunft in Frage, die angeblich einen Teil ihrer Stimmen auf die Kandidaten für die christlichen Sitze umleiteten, um dort Abgeordnete zu platzieren, die ihrer eigenen politischen Strategie entsprachen.
Einige Stimmen in der irakischen Politikszene vertreten die Meinung , dass die Instabilität und Lähmung, die den Irak seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussei prägen, zum Teil auf das im Irak angewandte "Quotensystem" zurückzuführen sind, das auch eine Verteilung der institutionellen Positionen nach dem Kriterium der Zugehörigkeit zu verschiedenen ethnisch-religiösen Gemeinschaften beinhaltet.
Ende Juli, nachdem die Aktivisten der politischen Koalition unter der Führung von Muqtada al Sadr (der bei den Wahlen im Oktober 2021 die relative Mehrheit errungen hatte) das Parlament besetzt hatten, um die Pattsituation zu fordern, die die Bildung einer neuen Regierung verhindert, hatte der chaldäische Patriarch Louis Raphael Sako in einem ebenfalls von der Fides veröffentlichten Appell (vgl. Fides 2/8/2022) darauf hingewiesen, dass der sektiererische Ansatz und das sogenannte "Quotensystem" zu "Korruption und Ungerechtigkeit" geführt hätten. In seinem Appell forderte der irakische Kardinal die Vertreter der Parteien auf, nach "neuen Ansätzen und neuen Wegen" zu suchen, um ein effizientes politisches System zu schaffen, in dem die Institutionen in den Dienst des Volkes und nicht in den Dienst von Parteiinteressen gestellt werden. Bei mehreren Gelegenheiten hat Patriarch Sako aber auch die Aufsplitterung der politischen Akronyme angeprangert, die von christlichen Politikern geleitet werden.
(GV) (Fides 6/9/2022)


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