ASIEN/LIBANON - Schwester Hanane über ihren Alltag in Beirut: “Wir kommen nicht zur Ruhe“

Montag, 18 November 2024 kriege   mittlerer osten   schwestern   gesundheitswesen   krisengebiete  

Von Pascale Rizk

Beirut (Fides) - „Wir gehen morgens hinaus, ohne zu wissen, ob wir abends zurückkehren werden. Und das ist unsere tägliche Realität“, so beschreibt Schwester Hanane Youssef ihren Alltag in Beirut. Sie und die Schwestern der Barmherzigkeit Unserer Lieben Frau vom Guten Hirten leiten die Klinik „Saint Antoine“ im Herzen von Rouaysset, einem Arbeiterviertel im Distrikt Metn östlich von Beirut. Zerstörte Gebäude, klapprige Gassen. Keine „sensiblen Ziele“, keine bewaffneten Stellungen. Aber es ist ein Viertel, in dem hauptsächlich Schiiten leben.
Die Schwestern leiten die dem heiligen Antonius gewidmete Einrichtung seit 2005. Aber die Schwestern sind seit 1985 in der Gesundheitsfürsorge tätig, als der Libanon noch vom Bürgerkrieg heimgesucht wurde. „Die Krisen, eine nach der anderen, lassen uns nicht zur Ruhe kommen“, so Schwester Hanane gegenüber Fides. „Wir haben Jahre der wirtschaftlichen Qual hinter uns. Wir sind von Notsituationen wie Medikamenten- und Geldknappheit zu einem Mangel an medizinischem Personal übergegangen, das für die Gewährleistung unserer Dienste unerlässlich ist. Einrichtungen der Grundversorgung wie das unsere spielen eine wichtige Rolle bei der Gesundheitsversorgung, indem sie Rezepte ausstellen und die notwendigen Tests durchführen, um die Krankenhäuser zu entlasten, die jetzt, nach den militärischen Angriffen, mit den großen Ansturm von Menschen bewältigen müssen, die mit schweren Verletzungen, amputierten Gliedmaßen und entstellten Gesichtern und Augen ankommen“.
„Im Moment“, fügt die Schwester, die seit 35 Jahren im Dienst ist, hinzu, “gibt es einen Mangel an Gesundheitspersonal, nicht nur wegen der vielen Ärzte und Krankenschwestern, die ausgewandert sind, sondern auch, weil die Leute Angst haben, zur Arbeit zu kommen, da sie in diesem Bezirk wohnen und daher im aktuellen Kriegsszenario stärker gefährdet sind. Aus diesem Grund können wir unsere Dienstleistungen und unsere Sozialarbeit nicht immer garantieren“.
Das Zentrum wird seit jeher im Rahmen verschiedener Vereinbarungen mit den örtlichen Universitäten von vielen jungen Ärzten unterstützt. Doch in den letzten Jahren hat die Abwanderung von Fachkräften alle Bereiche erfasst.
Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums haben die israelischen Angriffe im Libanon seit dem 7. Oktober 2023 fast 3500 Tote und fast 15.000 Verletzte gefordert. Die Zahl der Vertriebenen beläuft sich nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der vereinten Nationen (UNHCR) auf mehr als 1,2 Millionen. Eine humanitäre Katastrophe, die einewachsenden Zahl von Menschen destabilisiert. Die Krankenhäuser, die vor dem Zusammenbruch stehen, sehen sich mit der Notlage einer wachsenden Zahl von Patienten konfrontiert, die unter psychischen Traumata leiden.
„Während des Krieges 2006 haben wir uns für die Impfung der Neugeborenen der vertriebenen Gemeinschaften eingesetzt. Heute sind wir wieder zu einem Zufluchtsort geworden, nicht nur für diejenigen, die hier leben, sondern auch für alle vertriebenen Familien, die von ihren Verwandten hier in der Gegend aufgenommen wurden“, so die Ordensfrau. Die Klinik, so Schwester Hanane, sei immer ein konkretes und echtes Zeichen des libanesischen Zusammenlebens zwischen verschiedenen Glaubensgemeinschaften gewesen. „Auch Einwanderer aus anderen Nationen kommen hierher“, fährt sie fort, „doch dieses Zusammenleben wird durch den Krieg auf die Probe gestellt, der Misstrauen und die Angst in den Herzen der Menschen schürt“.
Im heutigen Krieg im Libanon, so betont die Schwester, richteten sich die Angriffe vor allem gegen eine bestimmte Gemeinschaft, die Schiiten, die von der Klinik „Saint Antoine“ am meisten unterstützt wird. Dies erhöhe die Spannungen und führe zu Spaltungen und Ressentiments. „Es ist nicht einfach, die friedliche Koexistenz aufrechtzuerhalten. Aber wir versuchen, diesen Weg weiterzugehen. Es liegt uns sehr viel daran“, so die Ordensfrau.
„Wir machen weiter, dank Gott und mit Gottes Gnade“, wiederholt Schwester Hanane. „Ich bin im Süden geboren und aufgewachsen. Ich wurde 1982 selbst vertrieben und musste mit meiner Familie während der Invasion mitten in der Nacht fliehen. Daher habe ich ein besonderes Mitgefühl für diejenigen, die das Gleiche erleben. Der Krieg hat sowohl mein persönliches Leben als auch mein Leben als Ordensfrau geprägt. Es fällt mir leicht, das Antlitz Gottes in den Menschen neben mir zu erkennen, in denen, die Gott mir jeden Tag schickt … . Jeden Morgen sage ich mir: Wenn ich an diesem Ort bin, dann bin ich dazu berufen, das Geschenk meines Lebens zu leben. Der Herr wird uns beschützen und es werden bessere Tage kommen“. Abschließend zitiert sie die Worte, die sie so oft von Papst Franziskus gehört hat: „Krieg ist immer eine Niederlagen“.
(Fides 18/11/2024)


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