ASIEN/INDIEN - Erste Sitzung des neuen Parlaments: Gewalt in Manipur immer noch auf der Tagesordnung

Mittwoch, 26 Juni 2024 bügerkrieg   eingeborene   tribalismus   menschenrechte   ethnische minderheiten  

Imphal (Fides) - In der ersten Sitzung des aus den jüngsten Wahlen in Indien hervorgegangenen Parlaments, wählten die Abgeordneten den Politiker Om Birla, Mitglied der Bharatiya Janata Party (BJP), der Regierungspartei von Präsident Narendra Modi, erneut zum Sprecher. Birla rief in seiner ersten Rede zu "sinnvollen und konstruktiven Diskussionen" in der Versammlung auf und forderte die Zusammenarbeit mit der Opposition. Die erste Parlamentssitzung fiel mit friedlichen Protesten im Bundesstaat Manipur im Nordosten Indiens zusammen, einem Gebiet, das im vergangenen Jahr von interethnischen Konflikten erschüttert wurde. Die Gemeinschaft der Meitei, eine der beiden kriegführenden Gruppen, die die Mehrheit stellt, protestierte gegen den "Rückschritt" in der Angelegenheit. Die Meitei fordern nämlich, in die Gruppe der "Scheduled Tribes" (anerkannte Stämme gemäß der indischen Verfassung, die eine Reihe von Privilegien genießen, Anm. d. R.) aufgenommen zu werden, und ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2023 hatte in diesem Sinne entschieden. Dieses Urteil rief eine Reaktion der Kuki-zo hervor, die sich gegen diese Einbeziehung wehrten und als Minderheitengruppe befürchteten, das ihnen vorbehaltene Land zu verlieren. Ein späteres Urteil des Obersten Gerichtshofs hob das vorherige Urteil auf und stellte den „Status quo antea“ wieder her. Aber diese Lösung wird von den Meitei nicht akzeptiert.
Auf der anderen Seite wiederholten die Kuki-Stämme ihre Forderung nach einer separaten Verwaltung in Manipur und wiesen auf die Notwendigkeit eines sicheren Territoriums für Stammesgemeinschaften hin, die ethnische Verbindungen zu Stämmen im benachbarten Mizoram und auch im birmanischen Staat Chin in Myanmar haben.
Abgesehen von ihren jeweiligen Forderungen war ein gemeinsames Thema der Demonstrationen auf beiden Seiten die Forderung nach einem Ende der Gewalt, die sich seit über einem Jahr hinzieht. Die Demonstranten forderten, dass die Manipur-Frage im Parlament erörtert und so bald wie möglich gelöst werden sollte, bevor noch mehr Menschen ihr Leben lassen müssen. Der Ministerpräsident von Manipur, Nongthombam Biren Singh, sagte, dass in zwei bis drei Monaten wieder Frieden in seinem Bundesstaat herrschen werde, da die neue Regierung von Narendra Modi der Lösung der Krise Priorität einräume. "Die Gewalt in Manipur ist in den letzten sieben Monaten zurückgegangen, Schulen und Geschäfte haben wieder geöffnet", sagte Singh und berichtete, dass nach einem kürzlichen Treffen unter dem Vorsitz von Innenminister Amit Shah ein Aktionsplan ausgearbeitet worden sei. Im Imphal-Tal, der Hauptstadt des Bundesstaates, marschierten Hunderte von Frauen schweigend und forderten die Regierung auf, die Militarisierung des Gebiets zu lockern und die Kontrollpunkte zu beseitigen, damit das normale Leben wieder aufgenommen werden kann, auch weil militante Gruppen einen Waffenstillstand unterzeichneten, in dem sie sich verpflichten, in bestimmten Gebieten zu bleiben und ihre Waffen in geschlossenen und kontrollierten Lagern aufzubewahren.
In den mehrheitlich von Kuki bewohnten Bezirken versammelten sich Hunderte von Menschen, um an Märschen und Demonstrationen teilzunehmen. Sie forderten die Regierung auf, alle Kuki-Gebiete in Manipur zu vereinen, eine Forderung, die vor allem vom „Kuki Indigenous Tribal Leaders Forum“ (ITLF) erhoben wurde, das eine "dringende politische Lösung" für die ethnische Krise in Manipur fordert. Die politische Forderung ist die Schaffung eines neuen Unionsterritoriums (genannt "Zalen'gam", d.h. "Land der Freiheit") mit Gesetzgebungsbefugnis gemäß Artikel 239 (A) der indischen Verfassung.
"Wenn die Regierung Frieden will, dann muss sie hierher kommen und Frieden finden. Wir haben auf unserer Suche nach Frieden an die Türen der Zentralregierung geklopft", sagte Paolienlal Haokip, einer der Kuki-Führer und Mitglied der Staatsversammlung von Manipur. Mayanglambam Bobby, Vorsitzender der einflussreichen zivilgesellschaftlichen Meitei-Gruppe "People's Alliance for Peace and Progress" (Volksallianz für Frieden und Fortschritt), äußerte sich hingegen zum Ursprung der Gewalt: "Die Gewalt in Manipur begann, als militante Kuki am 3. Mai 2023 Häuser und Grundstücke der Meitei in Brand setzten“. Es folgten die Reaktion und ein allgemeiner Konflikt. Er schlägt vor, „dass die Kuki sich für die Angriffe auf die Meitei entschuldigen müssen, um Frieden zu schaffen; dann werden sich die Meitei-Gruppen revanchieren. Das ist der Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten". Nach Ansicht von R.K. Nimai, einem hochrangigen Beamten mit umfassender Erfahrung im Umgang mit den komplexen sozialen Problemen in Manipur, "ist die Krise in Manipur sehr heikel, beide Gemeinschaften sind durch die Unaufmerksamkeit der Zentralregierung verletzt“. Es gehe darum, das Vertrauen wiederherzustellen, neue Gewalt zu verhindern und durch Vermittlung, die von beiden Seiten akzeptiert wird, einen Dialog in Gang zu setzen.
Seit dem Ausbruch der ethnischen Gewalt zwischen den Meitei und den Kuki-Zo am 3. Mai 2023 wurden mehr als 225 Menschen getötet und etwa 62.000 vertrieben. Die Binnenvertriebenen, die am meisten leiden, sind diejenigen, die am sehnlichsten auf einen Schritt in Richtung Wiedervereinigung warten.
(PA) (Fides 26/6/2024)


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