Washington (Fides) – „Beide sind gegen das Leben – sowohl derjenige, der Migranten entsorgt, als auch der, der Kinder tötet. Ich bin nicht aus den USA, ich werde dort nicht wählen. Aber seien wir uns im Klaren darüber, dass es eine schwere Sünde ist, Migranten nicht willkommen zu heißen." Ein Schwangerschaftsabbruch hingegen bedeute, „ein menschliches Wesen zu töten. Ob man das Wort nun mag oder nicht, aber es ist eine vorsätzliche Tötung“, so Papst Franziskus bei der Pressekonferenz auf dem Rückflug nach Rom von seiner Apostolischen Reise nach Indonesien, Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur am vergangenen 13. September. Unterdessen rief der Papst die Katholiken in den USA dazu auf, zur Wahl zu gehen: „Und man muss das geringere Übel wählen“ und benannte damit die moralische Dilemma, die sich den amerikanischen katholischen Wählern stellen, wenn es darum geht, wen sie bei den bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlen wählen sollen.
In Bezug auf Abtreibung und Einwanderung scheinen Donald Trump und Kamala Harris bei unvorsichtiger Lektüre gegensätzliche Positionen zu vertreten: Ersterer ist gegen Abtreibung und befürwortet drakonische Maßnahmen gegen illegale Einwanderer, letztere ist für Abtreibung und eine Politik der größeren Offenheit gegenüber Einwanderern. Aber ist das wirklich der Fall?
Um den Gegenstand der aktuellen Abtreibungsdebatte in den USA zu verstehen, ist es notwendig, einen Schritt zurückzutreten. Am 24. Juni 2022 hob der Oberste Bundesgerichtshof die Entscheidung Roe vs. Wade aus dem Jahr 1973 auf, in der es hieß, dass die US-Verfassung das Recht auf Abtreibung auch dann anerkennt, wenn keine gesundheitlichen Probleme der Frau oder des Fötus vorliegen und keine anderen Umstände als die freie Entscheidung der Frau vorliegen. Mit dem Urteil aus dem Jahr 2022 wurde das Recht auf Abtreibung auf Bundesebene de facto abgelehnt und die Frage an die Gesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten zurückgegeben.
Trump beruft sich einerseits auf die Tatsache, dass er drei Richter des Obersten Gerichtshofs ernannt hat, die zu der Mehrheit des Gerichts gehörten, das 2022 für die Abschaffung des verfassungsmäßigen Rechts auf Abtreibung gestimmt hat, andererseits sagt er, er wolle die Entscheidung darüber den einzelnen Staaten überlassen. „Ich bin der Meinung, dass wir jetzt eine Abtreibungsregelung haben, wie sie jeder unter legalen Gesichtspunkten haben wollte, und dass die Staaten dies durch ein Referendum oder eine Gesetzesabstimmung oder vielleicht beides festlegen werden“, sagte er dazu wörtlich.
In der Kontroverse mit dem demokratischen Kandidaten, die ihm während der TV-Debatte am 10. September vorwarf, dass Trump im Falle seiner Wiederwahl „ein nationales Abtreibungsverbot unterzeichnen“ werde, antwortete der ehemalige Präsident: „Das ist eine Lüge. Ich werde kein Verbot unterzeichnen, und es gibt auch keinen Grund, ein Verbot zu unterzeichnen, denn wir haben erreicht, was alle wollten, Demokraten, Republikaner und alle anderen, und jeder Rechtsgelehrte wollte, dass (die Abtreibungsfrage) in die Zuständigkeit der Bundesstaaten zurückverlegt wird.“ Auf die Frage der Moderatorin Linsey Davis, ob er gegen ein nationales Verbot sein Veto einlegen würde, antwortete er: „Das muss ich nicht“, dabei sagte nicht, dass er gegen ein nationales Abtreibungsverbot sein Veto einlegen würde, wenn es vom Kongress verabschiedet würde. Aber dann betonte er: „Jeder weiß, dass ich ein bundesweites Verbot der Abtreibung unter keinen Umständen unterstützen würde, und ich würde sogar mein Veto einlegen, weil es Sache der Bundesstaaten ist, auf der Grundlage des Willens ihrer Wähler zu entscheiden“. Dies schrieb Trump auch in einer in Großbuchstaben geschriebenen Nachricht, die in den sozialen Medien veröffentlicht wurde, als sein Vizepräsidentschaftskandidat JD Vance (R-Ohio) während der Vizepräsidentschaftsdebatte zu diesem Thema befragt wurde.
Der ehemalige Präsident kritisierte unterdessen auch einige der restriktiveren Abtreibungsgesetze des Staates, insbesondere die Sechs-Wochen-Klausel in Florida, und sagte, er befürworte Ausnahmen in Fällen von Vergewaltigung, Inzest oder wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Trump nannte das Verbot in Florida eine „schreckliche Sache und einen schrecklichen Fehler“. In einem Interview mit NBC News im September wiederholte er, dass sechs Wochen „zu kurz“ seien, und sagte, er werde „dafür stimmen, dass wir mehr als sechs Wochen brauchen“.
Aufgrund dieser Äußerungen wurde Trump vom konservativsten Teil seiner Wählerschaft dafür kritisiert, dass er ein Referendum zur Verabschiedung einer Änderung der Verfassung Floridas unterstützt, das für November anberaumt ist. Die von den Befürwortern der reproduktiven Rechte in Florida vorgeschlagene Verfassungsänderung legt nicht die Anzahl der Wochen fest, innerhalb derer eine Abtreibung vorgenommen werden kann, sondern sieht vor, dass der Zugang zur Abtreibung in diesem Bundesstaat bis zum Zeitpunkt der Lebensfähigkeit des Fötus möglich ist, d. h. etwa bis zur 23.-25. Schwangerschaftswoche. Trump machte schnell einen Rückzieher und erklärte, er werde bei der Abstimmung über den Änderungsantrag zum Abtreibungsgesetz mit „Nein“ stimmen, so dass bei einer Ablehnung im November das Sechs-Wochen-Verbot in Florida bestehen bliebe. Trumps Frau hat inzwischen öffentlich erklärt, dass sie die Entscheidungsfreiheit der Frau unterstützt. „Es steht außer Frage, dass es keinen Raum für Kompromisse gibt, wenn es um dieses grundlegende Recht geht, das alle Frauen von Geburt an besitzen: die individuelle Freiheit. Was bedeutet ‚mein Körper, meine Entscheidung‘ wirklich?“, erklärte sie in einem Video, das in den sozialen Medien veröffentlicht wurde.
Kamala Harris, die Kandidatin der Demokraten, erklärte auf einer Wahlkampfveranstaltung in Savannah, ihr Kampf sei „ein Kampf für die Zukunft und ein Kampf für die Freiheit, z. B. für die Freiheit der Frau, über ihren eigenen Körper zu entscheiden und sich nicht von der Regierung vorschreiben zu lassen, was sie zu tun hat“. Auf ihrer Wahlkampf-Website verspricht Harris, dass sie, sollte sie zur Präsidentin gewählt werden, „niemals zulassen wird, dass ein nationales Abtreibungsverbot gesetzlich verankert wird“. Und „wenn der Kongress ein Gesetz zur Wiederherstellung der reproduktiven Freiheit im ganzen Land verabschiedet“, werde sie es unterzeichnen. Konkret unterstützt sie die Verabschiedung eines Bundesgesetzes zum Schutz der Abtreibungsrechte durch den Kongress, um der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2022 entgegenzuwirken, mit der das bahnbrechende Urteil Roe v. Wade, das das verfassungsmäßige Recht auf Abtreibung anerkennt, aufgehoben wurde.
(L.M.) (Fides 21/10/2024)