AFRIKA/ÄTHIOPIEN - Vereinbarungen zwischen Äthiopien und Somaliland: Wird es ein geopolitisches Erdbeben geben?

Mittwoch, 3 Januar 2024 geopolitik  

Addis Abeba (Fides) – Wird es ein geopolitisches Erdbeben am Horn von Afrika und am Roten Meer geben? Das fragt man sich nach dem historischen Abkommen, das am 1. Januar zwischen dem äthiopischen Premierminister, Abiy Ahmed Ali, und dem Präsidenten von Somaliland, Muse Bihi Abdi, unterzeichnet wurde. Darin wird Addis Abeba im Gegenzug für die offizielle Anerkennung der abtrünnigen somalischen Region der Zugang zum Meer entlang einer 20 km langen Küstenlinie für seine "Seestreitkräfte" für eine Dauer von 50 Jahren gewährt.
Nach der Unabhängigkeit Eritreas verlor Äthiopien 1993 den Zugang zum Meer, so dass die äthiopische Marine seither praktisch nicht mehr existiert. Um trotz der Spannungen mit Eritrea auf dem Seeweg Handel treiben zu können, hat Äthiopien ein Abkommen zur Nutzung des Hafens von Dschibuti geschlossen. Somaliland, die nördliche Region Somalias, hat sich 1991 für unabhängig erklärt und ist bisher von keinem anderen Land als unabhängiger Staat anerkannt worden. Das Abkommen vom 1. Januar stellt daher einen Wendepunkt dar, da Äthiopien, das zweitbevölkerungsreichste Land Afrikas, in dessen Hauptstadt sich der Sitz der Afrikanischen Union befindet, Somaliland nicht nur anerkennt, sondern auch militärische Unterstützung zusagt, und sei es auch nur zur Verteidigung seiner Seestreitkräfte, sobald diese neu aufgestellt und in einem dortigen Hafen stationiert sind. Die erneuten äthiopischen Marineambitionen wurden bereits 2018 deutlich, als bekannt wurde, dass die Marine mit Hilfe Frankreichs wieder aufgebaut werden soll. Auch Russland hat sich kürzlich bereit erklärt, die Regierung in Addis Abeba beim Wiederaufbau seiner Seestreitkräfte zu unterstützen.
Die Anerkennung Somalilands durch Äthiopien löste bereits eine heftige Reaktion der somalischen Regierung in Mogadischu aus, die eine "eklatante Verletzung ihrer Souveränität und Einheit" anprangerte und ihren Botschafter in Addis Abeba abberief.
Die Shebab-Islamisten, eine mit Al-Kaida in Verbindung stehende Gruppe, die seit 2007 einen blutigen Aufstand gegen die somalische Regierung führt, verurteilte das Abkommen und die "expansionistische Agenda" des äthiopischen Premierministers ebenfalls.
Der somalische Präsident Hassan Sheikh Mohamud hat unterdessen Beratungen mit Katar und Ägypten eingeleitet, zwei Ländern, die wegen des Nilstaudamms mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (die Äthiopien unterstützen und bereits eine zivile und militärische Präsenz im Hafen von Berbera in Somaliland haben) bzw. Äthiopien rivalisieren. In der Tat sind die Rivalitäten zwischen den Ländern am Horn von Afrika mit denen der Staaten am Persischen Golf und mit den Bestrebungen der Großmächte (vom Iran bis zur Türkei, von China bis zu den USA) verflochten, auch angesichts der jüngsten Angriffe der Huthi auf die Schifffahrt im Roten Meer.
(L.M.) (Fides 3/1/2024)


Teilen: