AFRIKA/ÄTHIOPIEN - Bischof von Adigrat: “Resilienz ist die beste Definition, um die Eigenschaften dieses wunderbare Volk zu beschreiben”

Montag, 8 Juli 2024

Von Antonella Prenna

Rom (Fides) - "Die Heilung von den Traumata des Krieges, die Erholung auf menschlicher und physischer Ebene und die Schaffung von Frieden sind die Hauptpunkte, auf die wir uns konzentrieren, um die Verwüstungen und die Gewalt zu bewältigen, unter denen die Bevölkerung von Tigray als Folge des Konflikts zwischen der Regionalregierung und der äthiopischen Bundesregierung weiterhin leidet", so der Bischof der katholischen Eparchie von Adigrat, Tesfaselassie Medhin, im Gespräch mit Fides, zu dem Leid, das er persönlich in diesem einst üppigen Land erlebt, das für seine tausend Jahre alten Kirchen zwischen den Felsen in 3.000 Metern Höhe, atemberaubende Landschaften und gastfreundliche Traditionen bekannt ist.
"Die Bevölkerung widersteht hartnäckig dem beispiellosen Leid, der Demütigung, der Grausamkeit und all den Einschränkungen, die diese langen Jahre mit sich gebracht haben", so der Bischof weiter. „Resilienz ist also die beste Definition, um die Eigenschaften dieses wunderbare Volk zu beschreiben, das der örtlichen Kirche für ihr Engagement weiterhin großen Respekt und Dankbarkeit entgegenbringt".
Seit Herbst 2020 hat sich die äthiopische Region Tigray, die an Eritrea und die benachbarten Gebiete Afar und Amhara grenzt, in ein Schlachtfeld zwischen Selbstverteidiungskämpfern und der äthiopischen Armee und ihren Verbündeten, insbesondere den eritreischen Einheiten, verwandelt (vgl. Fides 3/12/2020).
Nach Angaben des offiziellen Berichts des „Tigray Bureau of Education“ gab es vor Ausbruch des Krieges 2.221 Grundschulen und 271 weiterführende Schulen mit über einer Million Schülern und einer Einschulungsrate von 90,92 %. Zu den Schulen gehören auch die 53 Bildungseinrichtungen in der Diözese Adigrat, vom Kindergarten bis zu den Colleges, mit über 16.000 Schülern und 1.115 Lehrern und Angestellten.
Derzeit sind 88,27 % der Bildungseinrichtungen, darunter vier Universitäten, beschädigt oder völlig zerstört. Auch Lehrbücher, Computer, Fernsehgeräte, Laborausstattung, Schreibtische, Tafeln und Schulmaterial wurden zerstört. Mehr als zweitausend Schüler, Lehrer und Mitarbeiter wurden getötet, viele weitere wurden verletzt und vertrieben. Eine Million Schüler haben seit Jahren keine Schule mehr besucht. In den übrigen Bezirken von Tigray sind immer noch über 500 Schulen geschlossen, und Hunderttausende von Schülern sind seit vier Jahren ohne Unterricht, darunter 10 Schulen in Trägerschaft der Diözese Adigrat.
"Infolge des Krieges wurden 36 der 53 katholischen Bildungseinrichtungen geplündert oder beschädigt, und zu den zu lösenden Problemen könnten mögliche rechtliche Folgen gehören, da das Schulpersonal für den Zeitraum September 2021 bis August 2022 nicht bezahlt wurde", erklärt Bischof Medhin. „Von den geschlossenen Schulgebäuden wurden einige in städtischen Gebieten in Lager für Binnenflüchtlinge umgewandelt“.
„Auch Achtzig Prozent der Gesundheitseinrichtungen in der Region wurden zerstört, werden aber nun langsam reaktiviert. So sind beispielsweise die vier katholischen Gesundheitszentren und ein Krankenhaus in Adwa trotz der großen Schäden weiter in Betrieb“, berichtet der Bischof, „In den ersten sieben bis acht Monaten des Krieges verzeichnete das Kidanemehret-Krankenhaus in Adwa durchschnittlich über 3.000 Entbindungen, darunter 500 Kaiserschnitte. In Adigrat gibt es ein ‚Safe House‘, für Frauen, die Gewalt erlitten haben. Offiziell wären es 125.000, aber wir wissen, dass sich viele nicht dorthin wenden, weil sie sich schämen. Die Unsicherheit auf den Straßen ist immer noch sehr groß, und es wurden sieben Flüge von der Hauptstadt nach Mekelle eingerichtet, um Hilfsgüter zu bringen. Sie sind sehr teuer und daher für die meisten Menschen nicht immer zugänglich. Derzeit leben mehr als eine Million Binnenvertriebene ohne angemessene Infrastruktur, und in vier Jahren sind weit über eine Million Menschen gestorben."
Anfang November 2022 wurde in Pretoria, Südafrika, unter Vermittlung einer hochrangigen Gruppe der Afrikanischen Union, der unter anderem der ehemalige nigerianische Präsident Olusegun Obasanjo, der ehemalige kenianische Präsident Uhuru Kenyatta und die ehemalige südafrikanische Vizepräsidentin Phumzile Mlambo-Ngcuka angehörten, wurde ein Abkommen mit den Rebellen unterzeichnet, das den Konflikt offiziell beendete, aber der Prozess des Wiederaufbaus und der Wiederherstellung der Ordnung ist noch nicht abgeschlossen, und es sind noch viele Herausforderungen zu bewältigen.
Das Abkommen von Pretoria enthielt Bestimmungen zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung, zur Wiederaufnahme der Grundversorgung, zum freien Zugang zu humanitären Hilfsgütern und - speziell für die gesamte Region Tigray und ganz Äthiopien - zur Gewährleistung der Sicherheit, damit sich die Bevölkerung frei bewegen und in Frieden leben kann.
"Wenn die Umsetzung des Vertrags von Pretoria scheitert, werden mehr als eine Million Binnenvertriebene weiterhin unter den derzeitigen Bedingungen in den Lagern leben, viele Menschen werden das Land verlassen“, so der Bischof weiter „Hunderttausende von jungen Menschen werden auf der Suche nach einem würdigen Leben das Land verlassen.
„Hier in Tigray ist der Wiederaufbau inmitten von Traumata, Missbrauch und Gewalt jeglicher Art langsam und sehr schwierig", schließt Msgr. Medhin, der sich zusammen mit einem Expertenteam und seiner Diözese für die Institutionalisierung der bereits bestehenden Programme für Gerechtigkeit, Frieden, Konfliktlösung und Dialog zwischen den Gemeinschaften einsetzt. "Durch mehr institutionalisierte Programme für Forschung, Ausbildung und Friedensdialog wollen wir eine Institution mit dem Namen 'Resilience and Peacebuilding' schaffen".
Die Eparchie Adigrat erstreckt sich über eine Fläche von 132.000 Quadratkilometern und zählt 71 Priester, von denen 65 aktiv sind, sowie 102 Ordensleute und Missionare aus verschiedenen Kongregationen.
Zur schweren Krise dieser langen Jahre kommen noch die jüngsten Klimakatastrophen wie Dürren und Überschwemmungen hinzu, die die Region heimgesucht haben. Der Bevölkerung fehlt es an grundlegenden Dingen, vor allem in den Flüchtlingscamps in den Gebieten Shire, Adwa, Mekelle und Adigrat, wo Tausende von Binnenvertriebenen leben.
(Fides 8/7/2024)


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