Malakal (Fides) - Der Sudan steht am Rande des Abgrunds. Von einem Konflikt geringer Intensität gehen die Feindseligkeiten derzeit, drei Monate nach dem Ausbruch, in einen offenen Krieg über. Nach dem x-ten Waffenstillstand, der vereinbart und nicht eingehalten wurde, kommt es zu Bombardierungen und Kämpfen, die hauptsächlich die Hauptstadt Khartum und die Region Darfur betreffen, sich aber von Woche zu Woche auf andere Gebiete des Landes ausweiten.
Nach Angaben der Vereinten Nationen nähert sich der Sudan gefährlich einem „totalen Konflikt“, der "die gesamte Region destabilisieren könnte". Die Zahl der Toten liegt bereits bei über 3.000, die Zahl der Verwundeten ist hoch, und die Gerüchte über wiederholte Gewalt gegen Frauen häufen sich. Fast alle Krankenhäuser sind geschlossen, es mangelt an Wasser, Lebensmitteln und Strom.
Angst und Schrecken, die im ganzen Land herrschen, führt dazu, dass der Sudan - einer der Staaten mit dem größten Zustrom von Flüchtlingen aus allen Nachbarländern (etwa 1,1 Millionen) bis vor dem Krieg - zu einem Ort der verzweifelten Flucht geworden ist. Statistiken sprechen von mehr als 2,8 Millionen Menschen, die durch den Konflikt bereits vertrieben wurden, davon mehr als 2,2 Millionen innerhalb des Landes und über 700.000 außerhalb der Grenzen.
Zu den am stärksten von der Flucht betroffenen Ländern gehört neben Ägypten (255.000) und dem Tschad (über 230.000) auch der Südsudan, ein kleines und junges Land (seit 2011 unabhängig), das bereits durch humanitäre Krisen und Konflikte belastet ist.
Im Südsudan sind bereits 150.000 Flüchtlinge aus dem Sudan angekommen. "Innerhalb kürzester Zeit", berichtet Schwester Elena Balatti, eine Comboni-Missionsschwester, gegenüber Fides, "ist eine enorme Notlage entstanden: Unser Gebiet - erklärt die Ordensfrau, die Leiterin der Caritas Malakal, der Hauptstadt des Bundesstaates Upper Nile - ist am stärksten betroffen, weil es ein Grenzgebiet und der unmittelbarste Zugangspunkt für diejenigen ist, die aus Khartum kommen. Hier treffen wir vor allem Sudanesen an, die vor der Unabhängigkeit, während des Bürgerkriegs (2013-18, Anm. d. Red.) oder aufgrund der jüngsten Instabilität oder Umweltkatastrophen nach Khartum geflohen sind. Sie kehren in ihre Gebiete zurück, die weiterhin von Umweltproblemen, Überschwemmungen und interethnischen Konflikten heimgesucht werden. Der so massive und plötzliche Zustrom verschlimmert die ohnehin schon schwierige Situation. Leider halten die Spannungen, die im Bürgerkrieg entstanden sind, immer noch an und führen zu internen Exodus, zu dem jetzt noch ein neuer Zustrom hinzukommt. Erst vor wenigen Tagen kamen in kürzester Zeit etwa 3.000 Menschen aus dem Sudan an, die Situation ist sehr kompliziert“.
Die internationalen Organisationen, die für die Unterstützung der Flüchtlinge zuständig sind, sowie die NRO und Wohltätigkeitsorganisationen im Südsudan arbeiteten dort bereits unter kritischen Bedingungen, bevor der Krieg im Sudan ausbrach. Jetzt ist die Situation zunehmend komplizierter, nicht zuletzt, weil verschiedene ethnische Gruppen, die in der Vergangenheit im Sudan Zuflucht gefunden hatten, in dem kleinen Land ankommen und nun erneut um ihr Leben fliehen müssen.
Die Durchführung von Hilfsprogrammen ist sehr schwierig und erfordert große logistische Kapazitäten und große Mengen an Grundbedarfsartikeln. Die IOM (Internationale Organisation für Migration), berichtet Schwester Elena, "tut ihr Bestes, ebenso wie kleinere Organisationen wie unsere Diözesan-Caritas, aber es wird jeden Tag komplexer. Hier kommen neben Sudanesen, Sudanesen und auch viele Eritreer an. Im Gegensatz zu Ländern wie Ägypten oder europäische Länder, deren Botschaften den Exodus ihrer Landsleute erleichtert oder Flüge organisiert haben, ist es bei den Eritreern anders: Niemand will nach Eritrea zurückkehren, und Asmara hat auch keine Anstalten gemacht, zu helfen. Bei den Südsudanesen, die zurückkehren, handelt es sich hingegen meist um Menschen, die schon seit einiger Zeit in Khartum lebten und dort Arbeit, eine Wohnung und eine eigene Stabilität gefunden hatten, nachdem sie vor allem während des Konflikts in aller Eile mit nichts weggegangen waren und bei Null angefangen hatten. Jetzt machen sie die gleiche Erfahrung in umgekehrter Reihenfolge: Sie haben alles zurückgelassen und müssen ihr Leben von Grund auf neu aufbauen“.
Die Spannungen im Sudan waren schon lange latent vorhanden (im Oktober 2021 kam es zu einem Staatsstreich, der den demokratischen Übergang unterbrach, Anm. d. Ü.), aber niemand hatte erwartet, dass sie in so kurzer Zeit zu einem Konflikt eskalieren und sich zu einem offenen Krieg ausweiten würden, der die Stabilität einer ganzen Region untergräbt. „Wir wussten, dass es im Sudan schon seit einiger Zeit Spannungen gab, aber mit einer solchen Eskalation hatten wir nicht gerechnet“, so die Missionsschwester. „Das Problem ist, wenn es in einem Land zwei Armeen gibt (die regulären Streitkräfte und General Dagalos schnelle Eingreiftruppen - Rsf, Anm. d. Red.): Das Gleichgewicht ist prekär, eine der beiden neigt unweigerlich dazu, die Vorherrschaft zu beanspruchen, und zwar mit Waffengewalt. Genau das Gleiche ist hier passiert (der Bürgerkrieg, der von der Armee des Präsidenten Salva Kiir und den bewaffneten Milizen unter dem Kommando von Rieck Machar geführt wurde, Anm. d. Ü.). Die Menschen hier sagen sogar: ‚Sie haben von uns gelernt‘.“
Die Anwesenheit anderer bewaffneter Gruppen als der Armee ist, wie Sr. Elena erklärt, „zweifellos ein Problem, das zu großen Spannungen führt“. Dies zeigte sich auch in Russland beim Putschversuch der Wagner-Truppen von Evgenij Prigožin. Die mächtige Söldnermiliz ist auch in Afrika präsent und nach Ansicht vieler Beobachter auch in den Sudan-Konflikt verwickelt: Aller Wahrscheinlichkeit nach unterstützt sie die RSF mit Waffen und Soldaten. Manche schließen jedoch nicht aus, dass sie auch der staatlichen Armee helfen kann.
„In der Wüste von Darfur (einem der am stärksten vom Konflikt betroffenen Gebiete) gibt es keine hochentwickelten Waffen, sie kommen sicherlich aus einer anderen Quelle, jemand anderes hat sie beschafft. Es ist schon sehr schwierig, zwischen zwei Konfliktparteien zu vermitteln, ganz zu schweigen davon, wenn noch mehr Akteure beteiligt sind", berichtet Schwester Elena.
Wenn es dennoch möglich ist, den Zehntausenden von Flüchtlingen, die im Südsudan ankommen, ein Minimum an Hilfe zukommen zu lassen, so ist dies der Arbeit internationaler Organisationen sowie kleinerer Organisationen wie der diözesanen Caritas oder der Caritas Südsudan zu verdanken. "Glücklicherweise", so Schwester Elena abschließend, "erhalten wir internationale Unterstützung. Vor kurzem kamen einige Mitglieder der Caritas Österreich hierher und beschlossen zu helfen. Sie tun das mit großer Spendenbereitschaft. Wir haben ein Boot zur Verfügung gestellt, das die Menschen von der Grenze bis hierher auf dem Nil transportiert. Auf diese Weise kamen etwa 2.000 Menschen an. Dann verteilen wir in den Transitlagern lebensnotwendige Güter. Leider sehen wir jeden Tag Menschen, die an Hunger oder Not sterben, manche sogar schon während der Reise. Deshalb appelliere ich auch über Fides an die Caritas, den Vertriebenen aus dem Sudan, dem Upper Nile und dem Südsudan zu helfen".
(LA) (Fides 14/7/2023)