Kabul (Fides) - „Die Entscheidung ist unter moralischen Gesichtspunkten schwierige zu akzeptieren, aber politisch notwendig, um den Konflikt zu lösen", so Pater Giovanni Scalese von den Barnabiten, Leiter der Missio sui iuris in Afghanistan über den gestrigen Gefangenenaustausch: drei maßgebliche Mitglieder der Taliban wurden aus einem Gefängnis auf der US-amerikanischen „Bagram Air Base“ entlassen und reisten nach Doha in Katar aus. Im Austausch dagegen kamen zwei im August 2016 vom dem militanten islamistischen Haqqani-Netzwerk in Kabul entführte Professoren, der Amerikaner Kevin King (63) und den Australischen Timothy Weeks (50) sowie zehn afghanischen Soldaten frei.
"Wie kann man drei Männer freilassen, die wegen so schwerer Verbrechen angeklagt sind?", so Pater Scalese. Eine Frage, die viele Afghanen Präsident Ashraf Ghani zu diesem Zeitpunkt gerne stellen würden, der den Gefangenenaustausch, der am Dienstag, dem 19. November vollzogen wurde, am vergangenen 12. November angekündigt hatte. Die Biographie der drei Mitglieder der Taliban ist unmissverständnlich: Anas Haqqani ist der Sohn des Gründers der gleichnamigen islamistischen Terrororganisation Jalaluddin Haqqani und der Bruder des derzeitigen Anführers des Netzwerks, Sirajuddin Haqqani, der auch die Nummer zwei des "Rahbari Shura", des großen Rates der Taliban, ist. Für das Haqqani-Netzwerk, das mit den Taliban verbunden ist, aber weitreichende Autonomie besitzt, war er eine Art "Botschafter". Der zweite ist Haji Malik Khan, der Bruder des Gründers Jaraluddin Haqqani, der 2011 gefangen genommen wurde. Und schließlich Qari Abdul Rasheed Omari, der Militärkommandeur im Südosten Afghanistans. Nach 12 Jahren in Guantanamo war er verantwortlich für die den Sektor der Selbstmordanschläge. Den dreien werden zahlreiche Massaker und blutige Anschläge zugeschrieben: Für viele Afghanen ist es schwierig, ihre Freilassung zu akzeptieren. Es sei denn, sie führt zu konkreten Ergebnissen.
Präsident Ghani, dem die Entscheidung von der Regierung Trump und den regionalen Mächten nahegelegt wurde, bezeichnete den Schritt als "eine bittere Entscheidung", um direkte Gespräche mit den Taliban zu führen, die bislang abgelehnt wurden, und damit die Gewalt zu verringern. "Die Politik muss den Mut haben, Entscheidungen zu treffen, die zwar moralische Verwirrung stiften können, aber für eine echte und friedliche Lösung des Konflikts unumgänglich sind", so Pater Scalese. Die Freilassung der Taliban könnte die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Trumps Gesandtem Zalmay Khalilzad begünstigen. In Doha führte Khalilzad mit einer Taliban-Delegation monatelange Gespräche im Vorfeld einer Vereinbarung, die einige Punkte beinhaltete: den Abzug ausländischer Truppen als Gegenleistung für die Beendigung jeglicher Beziehungen der Taliban zu Al-Qaida und zu dschihadistischen Gruppen mit globaler Tragweite; Beginn der Gespräche mit der Regierung von Kabul; und schließlich ein Waffenstillstand. Der Text stand zur Unterzeichnung bereit, als Donald Trump am 7. September das Ende der Gespräche bekanntgab. Der Austausch von Gefangenen ist eine Geste des gegenseitigen Vertrauens und soll die Entfernungen verkürzen. Es ist ein unumgänglicher Weg. "Die politische Lösung ist unvermeidlich, es muss ein Kompromiss gefunden werden", so Pater Scalese abschließend.
(GB) (Fides 20/11/2019)