Istanbul (Fides) - Die türkische Regierung erwägt erneut die mögliche Wiedereröffnung der Theologischen Schule von Chalki, der angesehenen Theologischen Akademie des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel, die ihre Aktivitäten 1971 auf Geheiß der Regierung in Ankara eingestellt hatte.
Wie türkische Medien berichten, insbesondere die Zeitung „Karar“, hat der türkische Bildungsminister Yusuf Tekin das Dossier einer möglichen Wiedereröffnung der Schule von Halki aufgegriffen und plant eine Reihe von operativen und technischen Sitzungen über die künftige Nutzung des Komplexes auf der Insel Halki.
Wie die Zeitung „Karar“ berichtet, wurde die Frage der möglichen Wiedereröffnung der theologischen Hochschule bei dem Treffen zwischen dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriacos Mitsotakis und dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan am 13. Mai erneut angesprochen: Bei dieser Gelegenheit soll Mytsotakis Erdogan gebeten haben, Schritte zur Wiedereröffnung der christlich-theologischen Hochschule zu unternehmen. Erdogan selbst hatte in einem Interview mit der griechischen Tageszeitung „Kathimerini“, das am Vorabend seines Treffens mit Mytsotakis veröffentlicht wurde, gesagt: "Wir arbeiten daran, die theologische Schule von Chalki wieder zu eröffnen". Der türkische Präsident fügte hinzu: "Wir erwarten von unserem Nachbarn den gleichen konstruktiven Ansatz in Bezug auf die Probleme der türkischen Minderheit in Griechenland im Bereich der Bildung".
Das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel hat sich bisher nicht zu den neuen Gerüchten geäußert, die von den türkischen Medien im Hinblick auf das Seminar von Chalki verbreitet werden.
Einigen Analysten zufolge bestätigt diese jüngste Erklärung den Eindruck, dass die türkische politische Führung darauf bedacht ist, die mögliche Wiedereröffnung von Chalki als Teil der Maßnahmen zu nutzen, die Ankara von der Regierung in Athen zugunsten der türkischen Minderheit in Griechenland fordert.
Bereits im Februar 2019, als Erdogan in Ankara den damaligen griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras empfing (Fides 7/2/2019), hatte der türkische Staatschef sein Bedauern über die Schließung des theologischen Instituts geäußert, aber auch jegliche Verantwortung der derzeitigen türkischen Führung in dieser Angelegenheit mit der Bemerkung abgelehnt, dass "es nicht unsere Schuld ist, wir waren damals nicht an der Regierung". Dem fügte er eine persönliche Erinnerung hinzu und erzählte: "Als ich zur Schule ging, nahm uns der Religionslehrer manchmal mit dorthin. Dort werden 38.000 Bücher aufbewahrt. ‚Kann man die alle lesen?‘ habe ich mich gefragt....". Schon damals hatte der türkische Präsident die Zukunft der teologischen Hochschule in Chalki mit den Forderungen aus Ankara in Bezug auf die türkische Minderheit in Griechenland verknüpft: "Wenn mir die Frage nach Chalki gestellt wird", hatte Erdogan damals gesagt, "sage ich: Blicken wir auch auf Westthrakien, damit wir die Frage des Muftis lösen können...".
Von 1844 bis zu dem Tag, an dem die türkische Regierung 1971 beschloss, das Seminar zu schließen, bildete die christliche Theologische Hochschule von Chalki Hunderte von orthodoxen Bischöfen und 12 Patriarchen aus, darunter den derzeitigen Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus.
Im Hinblick auf die vom Ökumenischen Patriarchat seit langem geforderte und erwartete Wiedereröffnung wurden Pläne zur akademischen Modernisierung der Schule ausgearbeitet, so dass sie künftig in der Lage sein wird, fünfjährige Studiengänge mit der Möglichkeit zur Erlangung von auch in Europa und den Vereinigten Staaten anerkannten Masterabschlüssen zu gewährleisten.
(GV) (Fides 5/6/2024)