ASIEN/LIBANON - „Neuen Ordnung“ im Nahen Osten: Grundlage für die Kriege der letzten 20 Jahre

Mittwoch, 2 Oktober 2024 kriege  

Von Luca Mainoldi

Beirut (Fides) – „New Order“ hiess die Operation, bei der der Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah getötet wurde: Der Name, den die Netanjahu-Regierung der israelischen Operation zur Tötung Nasrallah gegeben hat, deutet auf die Absicht hin, nicht nur das Machtgleichgewicht im Nahen Osten zu verändern, sondern auch den politischen Rahmen der Region neu zu ordnen. Der Versuch wurde bereits nach den Anschlägen vom 11. September 2001 unternommen, als US-Präsident George W. Bush den großen Krieg gegen den Terrorismus ausrief. Nach dem Einmarsch in Afghanistan unter dem Vorwand der Suche nach Bin Laden und den Anführern von Al-Qaida nahm die Bush-Regierung den Irak von Saddam Hussein ins Visier, weil dort angeblich Massenvernichtungswaffen vorhanden waren, deren Existenz bis heute nicht bewiesen ist.
Doch laut der Aussage von Wesley Clark (NATO-Oberbefehlshaber von 1997 bis 2000), die er 2003 in seinem Buch und 2007 in einem Fernsehinterview veröffentlichte, hatte das Pentagon einen Monat nach den Anschlägen vom 11. September 2001 nach dem Einmarsch in Afghanistan Pläne für weitere Angriffe auf sieben Länder des Nahen Ostens innerhalb von fünf Jahren: Sudan, Somalia, Libyen, Libanon, Syrien, Irak und Iran.
Der Einmarsch in den Irak führte zum Sturz des Regimes von Saddam Hussein und zur Einsetzung einer Übergangsregierung unter amerikanischer Führung, die das Land zur „Demokratie“ führen sollte. Die Beseitigung des sunnitisch geführten Baath-Regimes (und insbesondere des ursprünglichen Clans von Takrit, Saddams Heimatstadt) ebnete ethnisch-religiösen Ansprüchen den Weg. Vor allem die Schiiten, die 60 % der Bevölkerung ausmachen, beanspruchten die Kontrolle über die Exekutive, während den kurdischen Regionen weitgehende Autonomie gewährt wurde. Es folgte ein blutiger Bürgerkrieg, der zum Rückzug der meisten Militärkontingente der internationalen Koalition führte, die dem Irak auf dem „Weg zur Demokratie“ helfen sollte.
In der Zwischenzeit war der 34-tägige Libanonkrieg zwischen Israel und der Hisbollah im Sommer 2006 durch einen gescheiterten Versuch gekennzeichnet, die militärische Komponente der libanesischen Schiitenorganisation zu verkleinern. Der zweite Libanonkrieg wurde von der damaligen US-Außenministerin Condoleezza Rice als der Beginn eines „neuen Nahen Ostens“ bezeichnet.
Zusammen mit den Schwierigkeiten auf irakischem Boden (ganz zu schweigen von Afghanistan) hatte das Scheitern Israels im Libanon die amerikanischen Entscheidungsträger zu einem Strategiewechsel bewogen. Nicht mehr ein massives direktes militärisches Engagement, sondern gezielte Aktionen, um einerseits die Dschihadisten einzudämmen und andererseits eine Öffnung gegenüber den Muslimbrüdern in der sunnitischen Welt und gegenüber der Islamischen Republik Iran in der schiitischen Welt zu erreichen.
Dies war die Strategie der Obama-Regierung auf der Welle des so genannten „Arabischen Frühlings“ (es sei darauf hingewiesen, dass zu seinen Initiatoren junge Menschen gehörten, die an Kursen amerikanischer und internationaler NRO über gewaltfreie Aufstände teilgenommen hatten), die im Januar 2011 zum Sturz der Regime von Bel Ali in Tunesien und Hosni Mubarak in Ägypten führten.
Gleichzeitig unterzeichnete Obama ein internationales Abkommen mit dem Iran, das sicherstellen sollte, dass Teherans Atomprogramm nicht zur Herstellung von Atomwaffen führen würde.
In Syrien lief es anders: Die gewaltsame Niederschlagung der ersten Demonstrationen durch das syrische Regime ließ das Land schnell in einen Bürgerkrieg abgleiten. Weit davon entfernt, ein nur Krieg zwischen Regierung und Rebellen zu sein, wurde der Syrienkonflikt bald zu einem Flickenteppich von Kriegen mit direkter Beteiligung von Großmächten und regionalen Staaten. Es wurde eine Art Mini-Weltkrieg um Syrien geführt. Die arabischen Verbündeten der Vereinigten Staaten missbilligten die Strategie der demokratischen Regierung, sich den Muslimbrüdern zu öffnen, die Obama 2009 in seiner Rede an der Kairoer al-Azhar-Universität angekündigt hatte. Dies ging so weit, dass 2013 der Militärputsch, der die 2012 demokratisch gewählte ägyptische Regierung unter Mohammed Mursi, einem Vertreter der Muslimbruderschaft, zu Fall brachte, von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt wurde. Die Differenzen zwischen den Verbündeten zeigten sich schließlich im Syrien-Konflikt mit der Unterstützung verschiedener bewaffneter Gruppen, darunter auch dschihadistischer Ausprägungen, durch die verschiedenen Mächte, die, anstatt das Assad-Regime zu stürzen, weiteres Chaos verursachten. Assad suchte Hilfe bei Iran, der Hisbollah und der Russischen Föderation, was ihm ermöglichte, die Kontrolle über mehrere Gebiete des Landes zurückzugewinnen und vor allem in Damaskus an der Macht zu bleiben.
Eine weitere Kehrtwende vollzog die Trump-Regierung, die sich aus dem Atomabkommen mit dem Iran zurückzog und die so genannten „Abraham-Abkommen“ auf den Weg brachte, die darauf abzielen, eine De-facto-Allianz zwischen den sunnitischen Monarchien und Israel mit externer Unterstützung Washintons zu schaffen.
Die Abkommen wurden nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 „eingefroren“. Der Krieg im Gazastreifen ist nur eine erste Etappe in der Strategie der israelischen Regierung, die Karte des Nahen Ostens neu zu zeichnen, indem sie die schiitische Achse um den Iran herum angreift. Premierminister Netanjahu wandte sich an die iranische Bevölkerung (die er als „persisches Volk“ bezeichnet) und sagte: „Wenn der Iran endlich frei ist, und dieser Zeitpunkt wird viel früher kommen, als die Menschen denken, wird alles anders sein. Unsere beiden alten Völker, das jüdische Volk und das persische Volk, werden endlich in Frieden leben. Unsere beiden Länder, Israel und Iran, werden in Frieden leben“.
Doch in der Zwischenzeit stehen die beiden Länder gefährlich nahe an einer direkten Konfrontation, die die gesamte Region in einen regionalen Krieg zu verwickeln droht, an dem die Großmächte beteiligt sind.
(Fides 2/10/2024)


Teilen: