von Paolo Affatato
Lahore (Fides) - Worte haben Gewicht. Worte sind manchmal sind sie wie Geschosse, die töten. Andererseits können Worte aber auch Leben, Hoffnung und Trost spenden. Worte haben Macht, und in einer Gemeinschaft oder einer Nation haben sie die Kraft, eine Mentalität entstehen zu lassen, die Kultur tiefgreifend zu beeinflussen.
Aus diesem Grund erscheint in Pakistan die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs von Pakistan, der eine weitreichende Anordnung für die christliche Gemeinschaft in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP) erlassen hat, als historisch, für manche sogar als "epochal". Der Beschluss verpflichtet die Regierung und alle öffentlichen Einrichtungen, den Begriff "Esai" (oder "Isai") durch "Masihi" zu ersetzen, wenn sie sich auf die christliche Gemeinschaft oder Bürger christlichen Glaubens beziehen. Die Maßnahme soll einen bedeutenden Wandel im Umgang mit der Anerkennung und Achtung der kulturellen und religiösen Identität der christlichen Gemeinschaften markieren.
Dies ist eine längst überfällige Änderung: Seit vielen Jahren setzt sich die christliche Gemeinschaft Pakistans aktiv für die Verwendung von "Masihi" als Bezeichnung in offiziellen Regierungsdokumenten und Mitteilungen ein. Der Begriff "Esai", der seit jeher zur Bezeichnung von Christen verwendet wird, hat unterdessen einen abwertenden Beigeschmack, der auf eine alte Kastendiskriminierung zurückgeht.
Die sprachliche Änderung zeigt also den Willen, religiöse Toleranz, Integration und den Schutz der Rechte von Minderheitengemeinschaften zu fördern und eine Logik der Verachtung zu überwinden. Sie zeugt von der Verpflichtung der Institutionen, die in der Verfassung des Landes verankerten Gleichheitsgrundsätze zu wahren und umzusetzen.
Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs wurde von einem zweiköpfigen Gremium unter der Leitung des vorsitzenden Richters Mian Saqib Nisar und Richter Ejazul Ahsan gefällt und geht auf eine Petition von Samuel Payara, dem Vorsitzenden des "Implementation of Minorities Rights Forum", zurück. In Pakistan werden Christen häufig mit dem Urdu-Wort "Esai" bezeichnet, abgeleitet von "Isa", dem arabischen Wort, das im Koran für Jesus verwendet wird. Der Begriff "Masihi" hingegen, der "Volk des Messias" bedeutet, wird auch von den pakistanischen Christen akzeptiert und enthält weder ein negatives Urteil, noch impliziert er eine Demütigung der Menschen, auf die er sich bezieht.
Der Begriff "Esai" wurde erstmals während der Kolonialzeit verwendet und bezieht sich hauptsächlich auf Menschen, die in der Straßenreinigung und anderen Berufen der unteren Kasten arbeiten. Ebenfalls Ausdruck der Feindseligkeit und Abscheu ist der Begriff "Churha", der offiziell mit "Straßenkehrer" übersetzt wird, ein Wort, das eine Kaste von Dalits, den "Unberührbaren", bezeichnete. Der Begriff hat im Laufe der Jahre eine stark abwertende Bedeutung beibehalten und wird als Beleidigung für Christen, unabhängig von ihrem Beruf, verwendet: Solche Beschimpfungen mit emotionalen und psychologischen Auswirkungen beginnen oft in pakistanischen Klassenzimmern und haben schwerwiegende Folgen für das Wohlbefinden, das Vertrauen und das Selbstwertgefühl von Kindern christlichen Glaubens. Der Begriff bezieht sich auf eine soziale Praxis: In Pakistan sind schätzungsweise 80 Prozent der Müllarbeiter in der Straßen- und Abwasserreinigung ungebildete Menschen, auf der letzte Stufe der sozialen Leiter, Christen, die immer noch als Ausgestoßene oder "Unberührbare" behandelt werden: Die Menschen vermeiden es im Allgemeinen, ihnen die Hand zu geben, Freundschaften zu schließen und sogar mit ihnen zu essen oder zu trinken.
Das Urteil des Obersten Gerichtshofs, das vom Rat für islamische Ideologie unterstützt wurde, eröffnet die Möglichkeit, diese diskriminierende Mentalität aus den Angeln zu heben: Die pakistanische Wahlkommission reagierte unterdessen bereits auf die Richtlinie, indem sie das Wort "Esai" aus den Wählerregistrierungsformularen entfernte und durch "Masihi" ersetzte, und schuf damit einen Präzedenzfall für andere Regierungsstellen.
Führende Vertreter und Unterstützer der christlichen Gemeinschaft begrüßten diese Entwicklung und sehen darin einen wichtigen Schritt zur Anerkennung und Achtung der kulturellen und religiösen Identität. Die Entscheidung, "Esai" durch "Masihi" zu ersetzen, wird als konkreter Versuch gesehen, Gefühle der Verachtung und diskriminierende Vorstellungen aus der Gesellschaft zu verbannen und ein harmonisches Zusammenleben zu fördern.
Für die "Nationale Kommission für Menschenrechte" ist dies "ein wichtiger Sieg, um der religiösen Diskriminierung ein Ende zu setzen". Nach Ansicht der NRO "The Edge Foundation" handelt es sich um einen wichtigen Schritt, der sich nach und nach auf alle öffentlichen, nationalen und regionalen Einrichtungen ausweiten wird. „Es ist ein Schritt in Richtung Einheit", so die NRO, "denn es handelt sich nicht nur um eine Änderung der Terminologie, sondern auch um ein Versprechen, die Mentalität zu ändern und die verschiedenen Identitäten zu respektieren, die Pakistans reiches Mosaik an Kulturen und Glaubensrichtungen ausmachen. Es handelt sich um eine Maßnahme, die das religiöse Verständnis und die Einheit der pakistanischen Bevölkerung fördert".
Um Stereotypen, die zu Feindseligkeit führen, zu überwinden, hat "Bargad", Pakistans größte muslimische Nichtregierungsorganisation für Jugendarbeit, ein Programm zur Vermittlung des alternativen Begriffs ins Leben gerufen, in dem sie ihre Mitglieder auffordert, Christen "Masihi" zu nennen.
In Pakistan, wo sich mehr als 90 Prozent der Menschen als praktizierende Muslime bezeichnen, gibt es laut der Volkszählung von 2017 rund 2,6 Millionen Christen (1,27 Prozent der Gesamtbevölkerung). Obwohl Pakistan 1947 mit der Absicht gegründet wurde, ein tolerantes und egalitäres Land zu schaffen, haben pakistanische Christen von Anfang an unter minderwertigen Lebensbedingungen und schleichender religiöser Diskriminierung in der Gesellschaft gelitten.
Nach Angaben der in Lahore ansässigen NRO "Center for Social Justice" (CSJ) veröffentlichen sogar Regierungsstellen Ausschreibungen, die tief verwurzelte diskriminierende Praktiken bestätigen, z. B. die Reservierung der niedrigsten Arbeitsplätze im Sanitärbereich wie die Reinigung von Kläranlagen für Bürger christlichen Glaubens (eine Voraussetzung). Im Jahr 2022 veröffentlichte das Zentrum ein Archiv von fast 300 diskriminierenden Stellenanzeigen, die zwischen 2010 und 2021 in pakistanischen Zeitungen veröffentlicht wurden. In den Stellenanzeigen wurden ausdrücklich nur "Nicht-Muslime" aufgefordert, sich für Stellen als Reinigungskräfte in öffentlichen Einrichtungen zu bewerben.
Mary James Gill, Exekutivdirektorin der NRO "Center for Law and Justice" (CLJ) und ehemaliges Mitglied des Parlaments der Provinz Punjab, will die unmenschlichen Arbeitsbedingungen und die negative Einstellung gegenüber Müllsammlern durch eine bereits 2019 gestartete Aufklärungskampagne mit dem Titel "Sweeper Are Superheroes" (Müllsammler sind Superhelden) zu thematisieren. Die Kampagne zielt darauf ab, die Würde dieser Arbeiter zu verbessern, indem eine politische Debatte über die Notwendigkeit ihres sozialen und rechtlichen Schutzes angeregt wird. Bereits im Dezember 2021 verbot die Regierung von Punjab die Verwendung des Begriffs "Churha" für Reinigungskräfte und verhängte Strafen für Verstöße gegen dieses Verbot. Und im Januar 2022 forderte das Oberste Gericht von Islamabad verschiedene Ministerien und Regierungsstellen auf, keine Stellenanzeigen für Reinigungskräfte mehr zu veröffentlichen, die "Nicht-Muslimen" vorbehalten sind.
Diese Missstände, so die beiden Nichtregierungsorganisationen CSJ und CLJ, haben ihre Wurzeln im Kastensystem des indischen Subkontinents. Als christliche Missionare in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Indien kamen - lange vor der Teilung von 1947, als das britische Empire Indien und Pakistan teilte und damit zwei getrennte Nationen schuf - wurden viele der niedrigen Kasten oder Ausgestoßenen, die "Unberührbaren", von der Botschaft der Würde, der Gerechtigkeit, der Erlösung und der Wiedergutmachung, die das Christentum brachte, angezogen und konvertierten zum Christentum.
Bereits um 1870 hatte sich in der Provinz Punjab eine Konversionsbewegung zum Christentum unter den Chuhra-Dalits weit verbreitet. Die Chuhras waren die größte niedere Kaste im Punjab und übten mehrheitlich niedere Berufe wie Straßen- und Kanalreinigung aus. Auch nach der Teilung Indiens und Pakistans im Jahr 1947 waren die Chuhras in Punjab, die fast alle Christen waren, ungebildet und wurden weiterhin auf niedere Tätigkeiten in der Abwasserentsorgung beschränkt.
Dieses soziale Stigma ist über die Jahrzehnte hinweg erhalten geblieben, auch nach der Entstehung der modernen Nationen Indien und Pakistan. Und es ist ein Teufelskreis, der von einer Generation auf die nächste übertragen wird und aus dem man nur schwer ausbrechen kann. Eines der Mittel, um diesen Kreislauf zu durchbrechen, ist Bildung. Die Alphabetisierungsrate der Christen in Pakistan spiegelt die Auswirkungen dieser strukturellen Diskriminierung wider. Laut einem Bericht der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der katholischen Bischöfe Pakistans (NCJP) aus dem Jahr 2001 - der letzten umfassenden Analyse - lag die durchschnittliche Alphabetisierungsrate unter Christen vor zwanzig Jahren bei 34 %, verglichen mit dem damaligen nationalen Durchschnitt von 47 %.
Neuere Daten, die von der Nichtregierungsorganisation "Minority Voices" veröffentlicht wurden, zeigen, dass in Lahore, einer Stadt in der Provinz Punjab, in der etwa 700.000 Christen leben, die Alphabetisierungsrate unter Christen 69,80 % beträgt, wenn man die Grundschulen betrachtet, aber auf 28,7 % absinkt, wenn man den nachfolgenden Schulzyklus betrachtet, während der Prozentsatz der Christen mit einem Universitätsabschluss (9 %), einem Masterabschluss (3 %) oder einem Doktortitel (0,38 %) die tiefe Bildungslücke bei jungen Christen zeigt. Die von den christlichen Kirchen aller Konfessionen geleistete Arbeit im Bereich der Bildungsarbeit und bei der Förderung des allgemeinen Bildungsniveaus sind nach wie vor von entscheidender Bedeutung für den sozialen und zivilen Status der christlichen Gläubigen in Pakistan und für die Überwindung der alten diskriminierenden Mentalität.
(Fides 6/11/2023)