Mandalay (Fides) - Die Militärjunta von Myanmar führt immer mehr Luftangriffe gegen die Zivilbevölkerung durch; die Zahl der Angriffe von Flugzeugen und Hubschraubern hat sich im zweiten Jahr nach dem Staatsstreich im Februar 2021 verdoppelt: Dies geht aus einem jüngst bei der UN-Vollversammlung veröffentlicht Bericht des Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte hervor. Der Text gibt Anlass zu neuer Sorge um die Zivilbevölkerung des Landes.
Dem Bericht zufolge wurden Luftangriffe wiederholt mit "Maßnahmen kombiniert, die Verletzten systematisch den Zugang zu medizinischer Versorgung verwehren". Zwischen Februar 2021 und Juli 2023, so heißt es in dem Dokument, habe die birmanische Armee landesweit insgesamt 988 Luftangriffe geflogen; 301 davon zwischen Februar 2021 und März 2022, der Rest im letzten Jahr. Mindestens 281 Menschen, allesamt Zivilisten, wurden bei den Luftangriffen getötet, die, wie es heißt, "die Zivilbevölkerung in Angst und Schrecken versetzen". In vielen Regionen des Landes habe die Bevölkerung "Angst, dass sie in ihren Häusern, Schulen, Krankenhäusern, religiösen Gebäuden und bei öffentlichen Versammlungen bombardiert werden könnte", heißt es.
Der Luftangriff mit den meisten Opfern fand am 11. April 2023 statt, als die Junta eine öffentliche Versammlung im Dorf Kanbalu in der Region Sagaing angriff und 150 Menschen tötete. Der Bericht dokumentiert auch Tötungen durch das birmanische Militär während Bodenoperationen, Brandanschläge und andere Handlungen, die als "Kriegsverbrechen" bezeichnet werden. Das UN-Hochkommissariat fordert ein sofortiges Ende der Gewalt und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfsorganisationen zu allen Teilen Myanmars und fordert alle beteiligten Parteien auf, das Völkerrecht und die Menschenrechte zu achten, insbesondere die Normen zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten.
Wie die birmanische Non-Profit-Forschungsorganisation "Nyan Lynn Thit Analytica" berichtet, fanden fast 90 Prozent der Luftangriffe in der Region Sagaing und den Bundesstaaten Karen, Kayah, Kachin, Chin und Shan statt.
Besonders betroffen ist auch die Region Sagaing im Nordwesten Myanmars. Die Region grenzt im Norden an Indien und den birmanischen Staat Chin, im Osten an die Staaten Kachin und Shan und im Süden an die Region Mandalay. Sie ist die zweitgrößte Region in Myanmar und besteht aus acht Bezirken. Die wichtigste ethnische Gruppe sind die Bamar (Burmesen), daneben gibt es weitere kleine Minderheiten wie die Shan und die Naga (im gebirgigen Nordwesten).
Um die Rebellion in einem Gebiet niederzuschlagen, das nicht von ethnischen Minderheiten bewohnt wird, aber zum Epizentrum - auch symbolisch - der Rebellion der Bamar-Zivilbevölkerung, der wichtigsten ethnischen Gruppe des Landes (der auch die Generäle und Soldaten der birmanischen Armee angehören) geworden ist, verhängte das Regime im Februar letzten Jahres das Kriegsrecht in 14 Gemeinden in Sagaing. Im Rahmen des Kriegsrechts wurden in den vergangenen sieben Monaten 253 Personen verhaftet und von Militärgerichten in Sagaing verurteilt. Davon wurden zehn zum Tode, über 100 zu lebenslanger Haft und acht zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, alle auf der Grundlage des Antiterrorismusgesetzes. Unter ihnen befanden sich die Eltern eines jungen Widerstandskämpfers, denen vorgeworfen wurde, nicht gemeldet zu haben, dass ihr Sohn den "Volksverteidigungskräften" beigetreten war, während andere wegen angeblicher Spenden an Widerstandsgruppen verurteilt wurden. Andere verhaftete Zivilisten sind Lehrer oder Nutzer sozialer Medien, die angeblich versuchen, birmanische Beamte und Soldaten davon zu überzeugen, sich der Bewegung des zivilen Ungehorsams oder den Volksverteidigungskräften anzuschließen.
Das Gebiet der Region Sagaing gehört größtenteils zur Diözese Mandalay. Fides-Quellen bestätigen, dass die Lage sehr ernst ist, während die Armee weitere Dörfer überfällt und dem Erdboden gleichmacht. Der Widerstand der jungen Kämpfer, allesamt ethnische Bamar, ist in der Region gut organisiert. Aus diesem Grund versucht die Junta, jede Form der Rebellion in Sagaing zu unterdrücken. Außerdem ist dieses Gebiet reich an Ressourcen und ein notwendiger Durchgang zum Chin-Staat, wo die Guerillas dieser ethnischen Gruppe kämpfen. "Die Soldaten stehen oft unter Drogeneinfluss und begehen grausame Taten", berichtet eine lokale Quelle gegenüber Fides, die aus Sicherheitsgründen um Anonymität bittet.
Auch Kirchen bleiben von der Gewalt nicht verschont, wie die 129 Jahre alte katholische Kirche Mariä Himmelfahrt im Dorf Chan Thar, die im vergangenen Januar in Brand gesteckt wurde. Priester und Pfarrer bleiben, solange sie können, in den Kirchengemeinden, manchmal fliehen sie mit der Zivilbevölkerung in die Wälder, um der Gewalt zu entgehen.
Auch in vielen anderen Diözesen gibt es Binnenflüchtlinge. Nach Angaben der unabhängigen Forschungsgruppe 'Institute for Strategy and Policy - Myanmar' (ISP - Myanmar), mit Sitz in Thailand, ist die Zahl der Binnenvertriebenen in Myanmar in der ersten Hälfte des Jahres 2023 um 680.000 gestiegen. Die Gesamtzahl der Menschen, die aus ihren Häusern und Dörfern vertrieben wurden, seit das Militär im Februar 2021 die demokratisch gewählte Regierung durch einen Staatsstreich abgesetzt hat, hat laut ISP die Zahl von 2,6 Millionen Menschen überschritten.
(PA) (Fides 28/9/2023)