ASIEN/SÜDKOREA - Steigende Selbstmordraten: “Eine Tragödie in unserer Gesellschaft“

Freitag, 22 September 2023 evangelisierung   gesellschaft   evangelium  

[Md Mahdi su Unsplash]

Seoul (Fides) - In den letzten 20 Jahren verzeichnete Südkorea die höchste Selbstmordrate unter den Industrieländern: Nach Angaben des Nationalen Statistikamtes starben 2021 insgesamt 13.000 Menschen durch Selbstmord. "Und allein in der ersten Hälfte dieses Jahres begingen mehr als 7.000 Menschen Selbstmord. Nach Angaben der 'Korea Hope for Life Foundation' ist die Zahl der Selbstmorde in der ersten Hälfte dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 561 gestiegen", bekräftigt Pfarrer Cho Seung-hyeon.
„Selbstmord ist eine Tragödie in unserer Gesellschaft", betont Pfarrer Cho Seung-hyeon, Priester und Journalist, der als Kolumnist für die Wochenzeitung "CPBC Press Weekly“ schreibt, die von der Kommission für soziale Kommunikation der koreanischen Bischofskonferenz herausgegeben wird.
Das Phänomen ist besorgniserregend: Seit 2003 weist Südkorea eine der höchsten Selbstmordraten der Welt auf, wobei täglich etwa 36 Menschen ihr Leben beenden. Während die durchschnittliche Selbstmordrate in den Mitgliedsländern der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) seit 1990 um 16 % zurückgegangen ist, ist sie in Korea um 230 % gestiegen. Als Gründe für die hohe Selbstmordrate nennen Experten unter anderem den Druck, dem junge Menschen in der Schule ausgesetzt sind, den Mangel an sozialem Schutz und das Stigma, das psychische Probleme umgibt.
"Wir sehen Situationen extremer Härte für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft“, stellt der katholische Priester fest, „während die Behörden anscheinend nach und nach die Unterstützung und das Sicherheitsnetz, das die am wenigsten Begüterten schützt, abbauen. Die Haushaltsmittel für die sozialen Dienste, die älteren Menschen, die Kinder, die Jugendlichen und die Behinderten, die die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft sind, wurden drastisch gekürzt. Die Mittel für Altenpflegeeinrichtungen, den Ausbau von Kindergärten und den Bau von Krankenhäusern oder Behindertenheimen wurden drastisch gekürzt. Fehlende Steuereinnahmen werden angesichts der Steuersenkung für die Reichsten durch Kürzungen bei den Sozialausgaben kompensiert".
"Es gibt ein grundlegendes strukturelles Problem in unserer Gemeinschaft“, so der Geistliche weiter, „Wir leben in einer Gesellschaft, in der jeder auf sich allein gestellt ist und einen starken Individualismus pflegt. Wir haben die längsten Arbeitszeiten unter den OECD-Ländern. Unter dem Vorwand der Wirtschaftskrise werden Entlassungen immer leichter, und ein soziales Sicherheitsnetz wird nicht einmal mehr in Erwägung gezogen. In der Gesellschaft herrscht ein extremer Wettbewerb, so dass niemand mehr einen einzigen Misserfolg verkraften kann. Der Gedanke, von einem Arbeitsplatz ‚vertrieben‘ zu werden, bedeutet für viele das ‚Aus‘. Und der Tod wird zum einzigen Ausweg für diejenigen, die aus dem Wettbewerb ausgeschlossen sind“.
"Es ist an der Zeit, den Kreislauf von Wettbewerb und Konformismus zu durchbrechen und eine Gesellschaft zu schaffen, die das Mitgefühl und die Gabe, die jeder Mensch in sich trägt, schätzt“, so Pfarrer Cho Seung-hyeon, „Wir müssen eine Gesellschaft aufbauen, die eine Gemeinschaft der gegenseitigen Liebe und Solidarität ist und nicht ein Ort des endlosen freien Wettbewerbs, wo jeder nur an sein eigenes egoistisches Überleben denkt. Und auf politischer und kultureller Ebene müssen wir den Bürgern die Hoffnung zurückgeben, dass Südkorea eine Nation ist, in der jeder einfach glücklich sein kann".
„Die koreanische katholische Kirche", so schließt er, "will mit dem Geschenk des Evangeliums, der 'Frohen Botschaft' von der Liebe Gottes, dazu beitragen, dass die Existenz eines jeden Menschen einen Sinn bekommt, vor allem sein tiefstes Glück, das aus dem Lieben und Geliebtwerden und aus dem Vertrauen in den Gott der Liebe erwächst“.
(PA) (Fides 22/9/2023)


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