ILO
von Paolo Affatato
Faisalabad (Agenzia Fides) - Fünf christliche Familien mit den dazu gehörigen alten Menschen und Kindern sind im Netz der "Sklavenarbeit" in den Tonfabriken gefangen, von denen es in der pakistanischen Provinz Punjab viele gibt. Es handelt sich um die Angehörigen von Yaqoob Masih, n Altaf Gill, Shafiq Bashir, Adnan Masih und Liaquat Barqat. Sie gehören zu den vielen Familien, die wegen der Praxis des "peshgi" an die Fabriken gebunden sind: es handelt sich dabei um einen Lohnvorschuss, den der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber für einen eigenen Bedarf erhält und der damit zu einer Bringschuld wird. Diese Schulden häufen sich an und schaffen gegen Zinsen ein System ständiger Abhängigkeit, das sich zu einer akzeptierten und legalisierten Form der modernen Sklaverei entwickelt hat. Das Phänomen ist in Pakistan weit verbreitet, einem Land, das auf dem von "Global Slavery" erstellten Index an sechster Stelle steht. Insgesamt 2,3 Millionen Sklaven wurden im Land gezählt, das sind 1,13 % der gesamten pakistanischen Bevölkerung.
Die Befreiung dieser Sklaven Pfarrer Emmanuel Parvez, dem 72-jährigen Pfarrer von Pansara, einer Stadt in der Diözese Faisalabad, zur Aufgabe gemacht. Auf seinen Reisen durch die ländliche Umgebung seiner Pfarrei, zu der rund 40 Dörfer gehören, stößt Pfarrer Emmanuel immer wieder auf Leidensgeschichten wie die dieser Familien, die niemanden haben, an den sie sich wenden können, und zu lebenslanger Abhängigkeit verdammt sind. Vor allem in der Region Punjab ist das Phänomen bekannt, dass massenhaft mittellose Menschen unter sklavenähnlichen Bedingungen in Fabriken arbeiten müssen, in denen Ton aus dem Untergrund gewonnen, Ziegel geformt und in Öfen gebrannt werden, die an die Bauindustrie geliefert werden. Ganze Familien sind aufgrund der Notwendigkeit, ihre Schulden zu begleichen, an Grundbesitzer gebunden, "Herren", die die Arbeitskräfte nach Kriterien der maximalen Ausbeutung behandeln und die Arbeiter - einschließlich Kinder, Frauen und ältere Menschen - unter unmenschlichen Bedingungen halten.
Die Christen des Punjab, die oft zu den ärmsten Bevölkerungsschichten gehören und auf die letzten Ränge des alten Kastensystems verwiesen werden – was leider immer noch typisch für die soziale Schichtung des Subkontinents ist -, gehören zu den privilegierten Opfern eines Mechanismus, der sie oft auch ausgrenzt. Die hohen Schulden, die zu erlassen sind, zwingen nämlich alle Familienmitglieder, ohne Unterschied des Alters, des Geschlechts oder des Gesundheitszustands, zu anstrengenden Arbeitsschichten für einen Hungerlohn. Es ist ein Zustand, der gegen grundlegende Rechte verstößt, während die Menschen als "Ware" betrachtet werden und jeder Würde beraubt sind.
Der Geistliche erklärt gegenüber Fides: "Christen und Hindus, die zu den ärmsten Teilen der pakistanischen Bevölkerung gehören, sind oft Opfer des Systems: Sie sind die 'Schuldsklaven', ein Mechanismus, der sie zu Missbrauch, Schikanen, Misshandlungen, zu einer Existenz auf Gedeih und Verderb von skrupellosen Herren verdammt. Es beginnt mit einem Darlehen oder Vorschuss von Arbeitgebern. Sie bitten darum, weil sie eine medizinische Versorgung benötigen, denn die Gesundheitsversorgung wird in Pakistan ausschließlich privat bezahlt. Oder vielleicht, um die Hochzeitsfeier der Tochter zu finanzieren", so der Pfarrer. "Um den geschuldeten Betrag zurückzuzahlen, muss man jahrelang arbeiten, ohne Rechte, ohne Sicherheit, ohne Lohn, gezwungenermaßen in baufälligen Wohnungen. In vielen Fällen ist der Arbeiter nicht in der Lage, die Schulden zurückzuzahlen, die mit seinem Tod nicht erlöschen, sondern auf die nächste Generation übergehen und Generationen von Sklaven schaffen“.
Die Ziegelindustrie floriert in Pakistan und erwirtschaftet etwa drei Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts. Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation sind zwischen 8.000 und 10.000 Brennöfen über das ganze Land verteilt, und es gibt etwa 1,5 Millionen Beschäftigte in dieser Branche. Allein in der Provinz Punjab sind 5.000 Öfen in Betrieb, die als "Reich der Zwangsarbeit" bekannt sind, ein System, das durch ein strenges und unflexibles Gesetz geregelt wird. Der Pfarrer berichtet, dass es auf dem riesigen Gebiet seiner Gemeinde mehr als achtzig Brennöfen gibt, in denen Ton gewonnen und Ziegel hergestellt werden. Nachdem er von den Geschichten der „versklavten“ Familien erfahren hatte, setzte er eine Aktion in Gang, "um die Ketten der Sklaverei zu zerschlagen, die nicht länger geduldet werden kann, und um diesen Familien, die von einem Joch unterdrückt werden, das ihr Leben für immer bestimmt, Würde und Freiheit zurückzugeben".
Pfarrer Parvez geht zu den Besitzern der Brennöfen und erkundigt sich nach der Höhe der Schulden; dann klopft er an die Türen von Spendern, vor allem in Europa und den USA, und versucht, die Summe zusammenzubekommen, die für das Lösegeld der Sklaven benötigt wird (im Durchschnitt zwischen 500 und 1.000 Euro pro Familie). Nachdem der Arbeitgeber das Geld erhalten hat, unterzeichnet er die Urkunde über die Befreiung und das Erlöschen der Schuld.
Auf diese Weise hat Pfarrer Parvez bereits 40 christliche Familien befreit. Er stellt ihnen zudem auch eine bescheidene Unterkunft zur Verfügung und so ist ein kleines Dorf mit dem Namen "Christ the King Colony" in der katholischen Diözese von Faisalabad entstanden. Das Dorf bietet dreihundert christlichen Familien Unterkunft, darunter auch solche, die "zu neuem Leben erweckt" wurden, indem sie von der "Sklavenarbeit" befreit wurden. Den „befreiten“ Familien gelingt es, ihre Kinder in die Schule zu schicken und sie gewinnen ihre eigene Freiheit und Würde zurück, denn sie werden begleitet, um andere Arbeiten zu suchen, im Handwerk oder in der Landwirtschaft.
In einem aktuellen Bericht der Stiftung "Walk Free", einer Organisation, die das Phänomen der modernen Sklaverei international beobachtet, wird geschätzt, dass weltweit 50 Millionen Menschen in "moderner Sklaverei" leben. "Moderne Sklaverei durchdringt jeden Aspekt unserer Gesellschaft", sagte Walk Free-Direktorin Grace Forrest. "Sie ist in unsere Kleidung eingewoben, beleuchtet unsere elektronischen Geräte und würzt unsere Lebensmittel", indem sie daran erinnert, dass viele Materialien und Konsumgüter in der globalisierten Gesellschaft durch ausbeuterische Arbeit, einschließlich Kinderarbeit, hergestellt werden. „Dieses Phänomen unterbricht Bildungs- und Beschäftigungszyklen, führt zu extremer Armut und erzwungener Migration, die in einem Teufelskreis alle Formen der modernen Sklaverei anheizt", heißt es in dem Bericht. Im Jahr 2015 war eines der UN-Ziele die Beendigung der modernen Sklaverei, der Zwangsarbeit und des Menschenhandels bis 2030: Laut "Walk Free" ist dieses Ziel noch lange nicht erreicht.
In diesem Rahmen ist die Arbeit eines Pfarrers ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber es ist auch der Samen, der keimen kann, wie zum Beispiel im Fall der Mercedarier, jener Orden, die 1218 in Barcelona vom heiligen Petrus Nolasco mit Hilfe von Jakobus I., König von Aragonien, mit dem Ziel gegründet wurden, christliche Gefangene zu befreien, die in die Gewalt der so genannt "Mauren" geraten waren. In einem kürzlich erschienenen Aufsatz mit dem Titel "Seelenhändler" zeichnet die Wissenschaftlerin Maria Bianca Graziosi die glorreiche Geschichte der Mercedarier nach. Pietrus Nolascus, ein Kaufmann und wohlhabender Mann, wurde zu einem bestimmten Zeitpunkt in seinem Leben auf das Leid der versklavten Menschen aufmerksam. Beeindruckt setzt er mit dem Geld, das er verdient, als Lösegeld für eine große Anzahl von Sklaven zur Verfügung und setzte dabei sein ein eigenes Leben aufs Spiel und gründet einen religiösen Orden, die "Mercedarier", die - wenn das Lösegeld nicht rechtzeitig eintrifft oder nicht ausreicht - ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen und die von den Mauren geforderte Summe mit ihrem eigenen Leben bezahlen. Die Mission von Petrus Nolasco (1180-1265) wurde zu einer "Erlösungsmission", denn die "Mercedari" legten als viertes Gelübde das Versprechen ab, "ihr Leben im Austausch für Gefangene anzubieten, die in Gefahr waren, ihr Leben und ihren Glauben zu verlieren".
Sich selbst aufs Spiel setzen, seine Mittel und Energien einsetzen, auf die Hilfe der Vorsehung vertrauen und das einzige Ziel verfolgen, das Evangelium in die Tat umzusetzen: In diesem Geist bereist Pater Emmanuel Parvez, ein 70-jähriger pakistanischer Pfarrer, die Dörfer seiner riesigen Gemeinde, um nach Menschen zu suchen, die er den Folterern entreißen kann.
(PA) (Fides 30/5/2023)