Abuja (Fides) - "Die Entführungen von Priestern und Ordensleuten nehmen in Nigeria zu", bestätigt der Weihbischof der Diözese Minna im nigerianischen Bundesstaat Niger, Luka Sylvester Gopep, in einem Interview mit Fides über die Sicherheitslage in seinem Land.
Fides: Glauben Sie, dass das Phänomen der Entführung von Priestern und Ordensleuten im letzten Jahr zugenommen hat? Gibt es eine strategisches Vorgehen, das auf den Klerus abzielt, oder handelt es sich bei den Entführern nur Banditen auf der Suche nach Geld?
Bischof Gopep: Die Entführung und in einigen Fällen die Ermordung von Priestern und Ordensleuten durch verschiedene kriminelle Gruppen hat die Lage in Nigeria prekär gemacht. Ihr Anteil ist seit dem letzten Jahr gestiegen. So wurden in Nigeria im Jahr 2022 mehr als 20 Fälle von Entführung und Tötung von Priestern verzeichnet. Dies ist alarmierend und erfordert dringende Maßnahmen der Regierungen auf Bundes- und der einzelnen Landesebene.
Diese Anschläge auf Priester und Ordensleute wurden von verschiedenen Gruppen und aus unterschiedlichen Gründen verübt. Einerseits sind die Angriffe der Boko Haram-Gruppen Teil ihrer Agenda, den Islam und die Scharia allen Gemeinschaften in Nigeria aufzuzwingen. Andererseits dienen die Anschläge dazu, die Christen aus der Kirche zu vertreiben und sie zu zwingen, die Ausübung ihres Glaubens aufzugeben.
Bei einigen Entführungen und Morden von Priestern durch verschiedene Banditengruppen im Norden und Süden Nigerias handelt es sich aber größtenteils um Entführungen zu Erpressungszwecken. Wir wissen, dass zahlreiche Banditengruppen im nördlichen Teil Nigerias sowohl Christen, als auch Muslime und traditionelle afrikanische Geistliche entführen. Die Erpressung von Lösgeld ist die Grundlage für die meisten Aktivitäten dieser kriminellen Gruppen.
Fides: Das Massaker in der Kirche von Owo wird dem Islamischen Staat von Westafrika (ISWAP) zugeschrieben. Wird diese Meinung in Nigeria geteilt, oder gibt es andere Hypothesen darüber, wer für das Massaker verantwortlich war?
Bischof Gopep: Am Pfingstsonntag, dem 5. Juni 2022, wurden Gläubige in der katholischen Kirche St. Francis in Owo im Ondo State von Unbekannten angegriffen und mehr als 40 Menschen getötet. Die Bundesregierung gab bekannt, dass das Massaker vom Islamischen Staat in Westafrika (ISWAP) verübt wurde. Weiter hieß es, man habe einige Personen festgenommen, die verdächtigt würden, an dem Anschlag beteiligt gewesen zu sein.
Andere hingegen, darunter auch Rotimi Akeredolu, der Gouverneur des Bundesstaates Ondo, vertraten die gegenteilige Meinung, es handele sich nicht um die ISWAP. Manche hielten es für das Werk von bewaffneten Fulani-Nomaden, während andere den Anschlag lokalen Banden zuschrieben, die es auf einige Menschen abgesehen hatten, die an diesem verhängnisvollen Sonntag in der Kirche waren. Tatsächlich gibt es also unterschiedliche Meinungen darüber, wer das Massaker begangen hat.
Fides: Deuten die jüngsten Angriffe auf Einrichtungen des Bundes wie zum Beispiel Gefängnisse und auch auf die Bundeshauptstadt Abuja auf eine allgemeine Verschlechterung der Sicherheitslage in Nigeria hin?
Bischof Gopep: Mit jedem Tag, der vergeht, verschlechtert sich die Sicherheitslage in Nigeria weiter und die kriminellen Aktivitäten nehmen in alarmierendem Maße zu.
Derzeit werden auch die Büros der Unabhängigen Wahlkommission (INEC) angegriffen, insbesondere im Osten Nigerias. In Nordnigeria häufen sich die Angriffe verschiedener Terrorgruppen und Banditen auf Gemeinden und Dörfer in der Region. In allen Teilen Nigerias kommt es immer wieder zu Entführungen von Einzelpersonen, Familien und Personengruppen.
Leider hat dies dazu geführt, dass viele Menschen unabhängig von Religion, ethnischer Zugehörigkeit, Stammeszugehörigkeit und geografischer Lage zu dem Schluss gekommen sind, dass die Sicherheit Nigerias gefährdet ist, und dabei die Politiker und die Chefs der Sicherheitskräfte für diese Situation verantwortlich machen.
Wir wissen nicht, ob solche Behauptungen richtig oder falsch sind, und wir unterstützen keine Anschuldigungen gegen Einzelpersonen oder Gruppen ohne entsprechende Beweise und Untersuchungen. Wir fordern lediglich die Bundes- und Landesregierungen auf, mehr für den Schutz unserer Bevölkerung zu tun und den Schutz von Menschen und Einrichtungen im ganzen Land zu verstärken, da wir uns dem Höhepunkt des Wahlkampfes und den Parlamentswahlen im Februar 2023 nähern.
Fides: Besteht nicht die Gefahr, dass die Entstehung paramilitärischer Sicherheitsorgane wie die „Umueri Vigilante Group“ im Bundesstaat Anambra oder die „Amotekun“-Milizen in sechs südlichen Bundesstaaten die Voraussetzungen für eine Destabilisierung der Föderation schafft?
Bischof Gopep: Die Schaffung paralleler Sicherheitskräfte in verschiedenen Region, Bundesstaaten und Gemeinden in Nigeria ist ein Indikator dafür, dass die staatlichen Sicherheitsbehörden mit dem Ausmaß der Sicherheitsprobleme in Nigeria überfordert sind. Die Ausbreitung der Unsicherheit und die Art und Weise, wie das Militär, die Polizei und die paramilitärischen Verbände in Nigeria mit dieser Unsicherheit umgehen, lassen viel zu wünschen übrig. Wir würdigen ihre bisherigen Bemühungen und Opfer, aber die Nigerianer fordern mehr Anstrengungen, weil sie im Moment extrem verwundbar sind.
Wir glauben, dass Bürgerwehren, wenn sie gut geführt werden, dazu beitragen können, die Unsicherheit in Nigeria zu verringern. Wir können dafür das Beispiel der „Civilian JTF“ im Nordosten Nigerias anführen. Die Mitglieder haben wesentlich dazu beigetragen, die Zahl der Terroranschläge in vielen Gemeinden dieser Region zu verringern.
Doch wenn sie sich selbst überlassen werden und die Strafverfolgung selbst in die Hand nehmen, wird es zu neuen Herausforderungen kommen. Wenn die führenden Politiker der Regionen und Bundesstaaten, die sie ausgebildet haben, und ihre Anführer sie ordnungsgemäß beaufsichtigen, werden sie hingegen den föderalen Sicherheitsbehörden helfen können, die Sicherheit in verschiedenen Teilen des Landes zu gewährleisten.
(L.M.) (Fides 7/1/2023)
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