Bkerkè (Fidesdienst) – Der Besuch von Papst Benedikt XVI. im Libanon wird zunehmend zu einem möglichen Ausgangspunkt für eine neue Zeit in der komplexen Realität des Libanon. Dies bekräftigen die Teilnehmer eines Treffens der führenden Religionsvertreter des Landes, das gestern im maronitischen Patriarchat Bkerkè stattfand. Das Treffen wurde auf Initiative des (sunnitischen) Großmuftis Mohammad Rashid Qabbani einberufen. Hauptthema sollten zunächst die Attacken gegen den Islam sein, doch im Laufe der Diskussion befassten sich die Teilnehmer auch mit den positiven Auswirkungen des Papstbesuchs im Land der Zedern.
Die in Bkerké versammelten Religionsführer äußerten sich einstimmig positiv zum Papstbesuch – heißt es in der Schlussverlautbarung zu dem Treffen, denn er habe „den Libanon als sicheres und Kulturen und Religionen gegenüber offenes Land gezeigt“. Die christlichen und muslimischen Religionsführer wollen sich für die Verbreitung der Texte der Papstansprachen unter dem libanesischen Volk einsetzen und diese auch an die Religionsvertreter der Nachbarländer weitergeben. Die Worte des Papstes bezeichnen die Versammlungsteilnehmer als neuen Ausgangspunkt für das Land: trotz des fragilen internen Gleichgewichts und der Befürchtungen im Hinblick auf ein mögliches Übergreifen des syrischen Konflikts, erinnerte Papst Benedikt XVI. alle daran, dass „der Libanon vor allem eine Raum des interaktiven Handelns und des Dialogs“ ist und keine „Bühne der Uneinigkeit“. Dies zeige, dass der Petrusnachfolger „den Libanon weiterhin als Bote einer historsichen Botschaft der Zivilisation für die ganze Welt betrachtet, vor allem auch was den Dialog zwischen Kulturen und Religionen anbelangt“.
Mit Bezug auf die jüngsten islamfeindlichen Episoden veruteilen die libanesischen Religionsführer den Film „The Innocence of Muslims“, den sie als „Angriff auf jede Konfession und Attacke gegen alle Religionen“ bezeichnen. Doch sie prangern auch die gewaltsamen Reaktionen an, die „unschuldige Opfer forderten und in einigen Ländern Christen und deren Kultstätten trafen“. Dabei bekräfitgen sie den Appell an die Vereinten Nationen, die Arabische Liga und andere internationale Organisationen mit der Bitte um Maßnahmen gegen ein unangemessenes Verständnis des Prinzips der Religionsfreiheit und der damit verbundenen Beleidigung des Glaubens und des Empfindens der Gläubigen sowie die daraus folgenden sozialen Unruhen. In diesem Sinne soll ein Ausschuss gebildet werden, dem christliche und muslimische Rechtesexperten angehören, die mit der Formulierung eines Textes zum Schutz der Religionen vor Missbrauch beauftragt werden sollen. Mit der Angelegenheit wurde der libanesische Ausschuss für den islamisch-christlichen Dialog befasst.
Auch die Schwirigkeiten, mit denen sich die Libanesen im Alltag konfrontiert sehen, waren Gegenstand der Debatte der Religionsvertreter, die sich dabei auch mit verschiedenen Phänomenen befassten, die zu einer besorgniserregenden nationalen und regionalen Krise beitragen: steigende Staatsverschuldung und Lebenshaltungskosten, Verlust der Kaufkraft, Verarmung der Mittelschicht und Zunahme krimineller Praktiken, darunter Entführungen und Erpressungen. Alle Religionsvertreter appellieren an die politischen Kräfte des Landes, die einen Zusammenbruch des politischen Systems verhindern sollen. Die Politiker werden darum gebeten „ein Klima der Ruhe und des Vertrauens entstehen zu lassen“.
In seinem Beitrag äußerte sich der maronitische Patriarch Bechara Boutros Rai besorgt im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage des Landes, die er als „unhaltbar“ bezeichnete: „Wir müssen eine Zuspitzung verhindern“, so das Oberhaupt der maronitischen Kirche, „denn wenn die Volkswirtschaft zusammenbricht, bricht alles zusammen“. (GV) (Fidesdienst, 25/09/2012)