AFRIKA/ÄGYPTEN - Missionar: „Die arabischen Revolutionen haben die muslimischen Parteien an die Macht gebracht: nun sollten sie die Erwartungen nicht enttäuschen“

Mittwoch, 25 Januar 2012

Kairo (Fidesdienst) – „Es gibt Aufrufe zu einer zweiten Revolution, aber ich glaube nicht, dass diese stattfinden wird, auch wenn es zu weitere Demonstrationen kommen wird, da wichtige Fragen noch ungelöst bleiben, wie zum Beispiel die Rolle des Militärrats“, so der seit vielen Jahren in Kairo tätige italienische Comboni Missioar Luciano Verdoscia zum Fidesdienst. In Kairo wird am heutigen 25. Januar der erste Jahrestag des Sturzes des Regimes Hosni Mubarak gefeiert. Es werden Zehntausende zu den geplanten Kundgebungen auf dem Tahrir-Platz erwartet.
P. Luciano zieht Bilanz zu den „arabischen Revolutionen“ im vergangenen Jahr. „Am offensichtlichsten ist, dass in Ländern, in denen es einen Regimewechsel gab, muslimische Parteien auf dem Vormarsch sind“, so der Missionar. Hier in Ägypten haben Parteien, die religiös geprägt sind insgesamt 70% der Abgeordnetensitze im Unterhaus erhalten. 40% der Sitze gingen an die Muslimbrüder, 30% an die Salafisten. Es gab Beschwerden: 20% dieser Sitze sollen durch Wahlbetrug besetzt worden sein, andere behaupten, dass es 15% sind, doch diese Beschwerden haben bisher zu keinen weiteren Schritten geführt“.
In Ägypten werden in den kommenden Monaten Senats- und Präsidentschaftswahlen stattfinden und nach Vorhersagen werden die Ergebnisse ähnlich sein, wie bei den letzten Wahlen. „Wie ich bereits bei anderen Gelegenheiten gesagt habe, spiegeln solche Ergebnisse die starke religiöse Identität der Ägypter wieder. In einem Land, in dem 40% der Einheimischen unterhalb der Armutsgrenze leben, ist die religiöse Identität oft das Einzige, was den Menschen Würde verleiht“, so P. Luciano. „Die Muslimbrüder haben auch die Früchte jahrzehntelanger sozialer und karitativern Tätigkeit in den Armenvierteln und in den ländlichen Gebieten geerntet.
Zur Rolle der jungen Menschen bei der Revolution sagt P. Luciano: „Diese Revolution wurden von den Jugendlichen auf den Weg gebracht, die nicht religiös motiviert waren, sondern mehr Demokratie und Gerechtigkeit forderten. Hauptakteur dieser ersten Phase der Revolution waren Bewegungen wie „6. April“ und „Kifaya“. Erst später wurden diese von den Muslimbrüdern und den Salafisten überflügelt, die gut organisiert sind und finanzielle besitzen“.
Dies bedeute jedoch nicht, dass die Demokratie in den Hintergrund getreten sei, so P. Luciano, denn „in den Reihen der Muslimbrüder gibt es verschiedene Positionen, die sich zum Teil auch widersprechen. Wenn sie im Land die Macht übernehmen, werden wir sehen wie sie regieren“.
„Zu den Problemen, die die neuen Regierenden lösen müssen, gehört die Wiederbelebung der Wirtschaft und die Definition der Rolle des Militärs. An diesen Themen werden die Wähler die Ergebnisse messen“, so der Missionar abschließend. (LM) (Fidesdienst, 25/01/2012)


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