AFRIKA/ÄGYPTEN - Demonstranten auf dem Tahrir-Platz haben den Rückhalt in der Bevölkerung verloren

Dienstag, 20 Dezember 2011

Kairo (Fidesdienst) – „Es kommt zu weiteren Zusammenstößen. Heute morgen waren mindestens 500 Schüsse zu hören und die Menschen berichten, dass Heckenschützen auf den Dächern rund um den Tahrir-Platz positioniert sind“, so ein Beobachter vor Ort (der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte) aus Kairo, wo es seit mehreren Tagen zu heftigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften kommt.
„Die Konfrontation inspiriert sich nicht mehr am anfänglichen Geist der Revolution sondern es geht um ein Kräftemessen mit den Machthabern. Die jungen Demonstranten auf dem Tharir-Platz haben den Rückhalt in der Bevölkerung verloren. Das Land kehrt langsam zur alten Mentalität zurück, wo Kraft über Vernunft siegt“, so der Beobachter zum Fidesdienst.
„Die Tatsache, dass einige Jugendliche im Fernsehen auftreten, die behaupten, sie seien dafür bezahlt worden, dass sie das Ägyptische Institut in Brand gesteckt haben, erinnert an die Methoden des Regimes unter Mubarak. Die Menschen lassen sich von einer solchen Rhtorik leicht beeindrucken“, so der Beobachter weiter.
„Die Militärs werden die Regierung unterstützen und treten dabei als eine Art ‚roßer Bruder’auf, der den kleinen Bruder beschützt“, so der Beobachter, „Dabei sichern sie sich eigene Machtbefugnisse und Privilegien, doch sie wollen das Land nicht selbst regieren“.
„Die Muslimbrüder, die bei der Wahl bisher an der Spitze liegen, sehen sich mit einer schwierigen Herausforderung konfrontiert, denn die Wirtschaft wird den Erfolg unter Misserfolg ihres politischen Handelns bestimmen. Die Wirtschaft braucht aber auch Bereitschaft zu Verhandlungen und Kompromissen. Dabei sollte man sich zum Beispiel den Fremdenverkehrssektor vor Augen führen: wenn man Touristen aus westlichen Ländern ins Land holen will, dann dürfen die sozialen Bräuche nicht zu streng sein. Es besteht auch die Gefahr, dass ein so wichtiges Land in der arabischen Welt wie Ägypten, in den Dunstkreis der Länder des persischen Golfs gelangt.“
„Die Muslimbrüder“, so der Beobachter weiter, „sehen sich auch mit den Salafisten konfrontiert, die ihrerseits von Saudi-Arabien finanziert werden. In Ägypten selbst sind verschiedene Gerüchte im Zusammenhang mit den Salafisten im Umlauf. Vor allem ist nicht klar, wie sie zu ihren Stimmen gekommen sind. Es wird behauptet, das Mitglieder der alten Partei von Mubarak daran interessiert sind, das Empfinden einer extremistischen Gefahr zu steigern, damit sie sich selbst als Schutzwall gegen eine solche Gefahr darstellen können. Es sollte in diesem Zusammenhang daran erinnert werden, dass die Anschläge auf Kirchen Mubarak begünstigten, da er beim Volk den Eindruck entstehen ließ, dass er das Land vor dem Chaos bewahren könne. Je größer das Empfinden einer Gefahr umso mehr wünschen sich die Menschen eine starke Regierung, die auch mit brutalen Methoden unterdrückt, aber damit die Ordnung garantiert“, so der Beobachter.
„Die Jugendlichen auf dem Tahrir-Platz verkörpern jenen Teil Ägyptens, der sich eher der westlichen Kultur verbunden fühlt. Sie konnten einen Moment lang auf die Unterstützung der Bevölkerung zählen, dies scheint aber derzeit nicht mehr der Fall zu sein“, so der Beobachter abschließend. (LM) (Fidesdienst, 20/12/2011)


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