AFRIKA/ÄGYPTEN - Missionar: „Ein Teil der Bevölkerung rechtfertigt das Vorgehen der Polizei im Namen der Wiederherstellung der Ordnung“

Montag, 19 Dezember 2011

Kairo (Fidesdienst) – „Abgesehen von den Stadteilen, in denen es zu Zusammenstößen kommt, geht das Leben in Kairo normal weiter“, so der seit vielen Jahren in Kairo tätige italienische Comboni Missionar, P. Luciano Verdoscia, zum Fidesdienst. In der ägyptischen Hauptstadt kommt es seit vier Tagen zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Soldaten, bei denen bisher 11 Menschen ums Leben kamen.
„Der Protest auf dem Tahrir-Platz wendet sich nun gegen das brutale Vorgehen der Polizei und der Armee. Die in aller Welt verbreiteten Aufnahmen sprechen Bände, vor allem was die Gewalt gegen Frauen anbelangt“, so P. Luciano. „Auch einer unserer Mitarbeiter wurde vor einigen Tagen auf dem Weg zur Arbeit festgehalten. Nachdem man feststellte, dass er Christ war, stieß man ihn auf den Boden, man nahm ihm sein Moped, seinen Computer und sein Mobiltelefon weg. Im Gefängnis wurde er zusammen mit anderen Christen weiter misshandelt. Das Gefängnispersonal beleidigt sie und beschuldigte sie des Mordes an Muslimen (mit Bezug auf die Auseinandersetzungen zwischen Kopten und Muslimen am 9. Oktober, vgl. Fidesdienst vom 10/10/2011). Der junge Mann wurde erst vor wenigen Tagen wieder freigelassen“, so P. Luciano weiter. „Doch ein Teil der Bevölkerung rechtfertigt dieses Vorgehen der Polizei und der Armee im Namen der Wiederherstellung der Gerechtigkeit“, betont P. Luciano in diesem Zusammenhang.
„Es wird immer schwieriger, die Entwicklung der politischen Lage in Ägypten einzuschätzen“, so der Missionar weiter, „Auf der einen Seite gibt es intellektuelle und fortschrittliche Bevölkerungsteile, auf der anderen haben die meisten Wähler die Muslimbrüder oder Salafisten gewählt“, so P. Luciano. Nach dem zweiten Wahlgang liegen die Muslimbrüder mit 40% der Stimmen an der Spitze,
„Es ist nicht ganz klar, welche Ausrichtung in den Reihen der Muslimbrüder vorherrscht“, so P. Luciano weiter, „auf der einen Seite gibt es mehr oder weniger gemäßigte Teile, während andere den Positionen der Salafisten nahe stehen. Doch man muss sich diese Frage stellen, denn sie werden das Land leiten, während Vermutungen immer lauter werden, dass es eine Absprache zwischen der Armee und den Muslimbrüdern im Vorfeld der Wahlen gab“. (LM) (Fidesdienst, 19/12/2011)


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