AFRIKA/ÄGYPTEN - Die Wurzeln des muslimischen Terrorismus? Analyse eine Missionars und Islamkenners

Mittwoch, 13 Oktober 2004

Kairo (Fidesdienst) - „Im Westen werden gerne umfangreiche sozialogische Studien betrieben, doch dabei versteht man die komplexe Struktur des Islam nur wenig“, so der Comboni Missionar und Islam-Experte Pater Giuseppe Scattolin. „Muslimische Terrorbewegungen entstehen aus einer Tradition, die bis auf das erste Jahrhundert der islamischen Geschichte zurückgeht. Im Islam gab es stets eine Auseinandersetzung zwischen der konstituierten Macht und einer Reihe von Bewegungen, die sich im Namen des Islam dagegen wehrten und dabei die Ansicht vertraten, dass diejenigen, die sich an der Macht befinden, nicht den wahren Islam vertreten“, so der Missionar. „Es ist also nicht genau, wenn man sagt, dass der islamische Extremismus aus dem Gegensatz zum Westen entstanden ist. Die Schule der Wahabiten, wie sie es im heutigen Saudi-Arabien gibt, ist zum Beispiel im 18. Jahrhundert im Kontras zur Mach der Osmanen entstanden, d. h. vor Beginn des Kolonialismus im Nahen Osten.“
„Heute greifen Terroristen Regime arabischer Länder an, die sie als Verbündete des Westens betrachten, und wollen damit die Rückkehr zu einem angeblich reinen Islam der Ursprünge durchsetzen“, so Pater Scattolin. „Bei den wichtigsten Ideologen handelt es sich um Ägypter. Insbesondere gilt dies für Sayyid Qutb, den Ideologen der „Muslimischen Brüder“, der 1966 von nasser zum Tode verurteilt wurde, und heute ein wichtiger Bezugspunkt des Terrornetzwerks Al Qaida ist. Nur wenige Wissen, dass Bin Laden den Namen „Al Qaida“ selbst wahrscheinlich aus eine Buch von Sayyid Qutb entnommen hat.“, so der Missionar weiter. „Aus der Allianz zwischen ägyptischen Fundamentalisten und saudi-arabischen Wahabiten ist der heutige islamische Terrorismus entstanden. Diese Allianz wurde vom Westen ignoriert oder zur Zeit der sowjetischen Invasion in Afghanistan sogar ermutigt. Islamisten wurden als Kämpfer zur Abwehr der Sowjets in Afghanistan eingesetzt, wobei völlig vergessen wurde, dass die Fundamentalisten eine antiwestliche Agenda besitzen. Doch in den Schriften Qutbs konnte man eine ganz eindeutige Kriegserklärung an den Westen nachlesen“ so Pater Scattolin.
Zu den Zukunftsperspektiven erklärt der Missionar: Entweder gelingt es dem Islam Religion und Politik zu trennen, oder die Islamfrage wird auch innerhalb Europas zu einem großen Problem werden. Gegenwärtig sind im Islam Religion und Politik eng miteinander verbunden. Deshalb werden auch die Forderungen muslimischer Zuwanderer nach Gesetzesregelungen, die die Vorschriften der Scharia berücksichtigen zunehmen. Dies ist als ob Hindus in Europa das Kastensystem einführen wollten“.
„Das Problem ist, dass es im sunnitischen Islam, dem 90% der muslimischen Gläubigen angehören, keine Behörde gibt, die in der Lage wäre eine Revision der Scharia durchzuführen, die Menschenrechte und demokratische Konzepte berücksichtigt“, erklärt der Missionar weiter. „Deshalb ist es nicht wahrscheinlicht, dass kurzfristig Strömungen entstehen die stark und repräsentativ genug sind, um de Islam mit der Demokratie zu vereinbaren.“ (LM) (Fidesdienst, 13/10/2004 - 37 Zeilen, 441 Worte)


Teilen: