AFRIKA/ÄGYPTEN - Missionar aus Kairo: „Langfristig gesehen werden islamische Parteien ihre Beliebtheit einbüßen“

Donnerstag, 1 Dezember 2011

Kairo (Fidesdienst) – „Bisher stehen noch keine offiziellen und endgültigen Wahlergebnisse zur Verfügung, doch erste Hochrechnungen lassen eine reelle Tendenz erkennen“, so P. Luciano Verdoscia von den Comboni Missionaren zum Fidesdienst in einem Kommentar zu den Ergebnissen der ersten Wahlrunde der Parlamentswahlen, die am 28. November in Ägypten stattfanden. Wie aus ersten Hochrechungen hervorgeht, haben die Muslimbrüder 40% der Stimmen erhalten, die Salafisten 20% und die liberalen Parteien etwa 17%.
„Die islamischen Parteien waren vor allem in den ärmeren Stadtvierteln sehr aktiv“, so P. Luciano. „Mit Sicherheit werden islamistische Parteien die stärkste politische Kraft in Ägypten sein und eine relative Mehrheit erhalten. Es bleibt abzuwarten, ob es ihnen gelingt, die absolute Mehrheit zu erlangen. Ich glaube nicht, dass es bei den kommenden Wahlrunden Überraschungen geben wird und dass die Menschen in den ländlichen Gebieten in Oberägypten anders wählen werden.“
Doch die Machtübernahme der Muslimbrüder könnten nach Ansicht von P. Luciano paradoxerweise zu einem Ende dieser Tendenz führen, denn „es wird zwar einige Jahre dauern, doch ich glaube, dass unter der Bevölkerung diese politische Formel an Beliebtheit einbüßen wird, bei der die Ideologen der islamischen Parteien islamistische Ansätze als Lösung für alle Probleme des Nahen Ostens und der Welt darstellen.“
Auf dem Tahrir-Platz, wo die ägyptische Revolution gegen Mubarak begann, „herrscht ein liberales Klima, auch weil die sich Muslimbrüder und die Salafisten bei den Zusammenstößen der vergangenen Tage auf die Seite der Armee gestellt haben.“ Auf die Frage, ob das Wahlergebnis als Niederlage für die Revolutionsbewegung zu betrachten sei, antwortet P. Luciano: „Die Bewegung des Tahrir-Platzes hat sich nie als politische Partei organisiert. Diese Bewegung hat mit Nachdruck Demokratie und freie Wahlen gefordert, doch nun da der demokratische Prozess auf den Weg gebracht wurde, waren die islamistischen Parteien besser organisiert und wir werden uns mit dieser Situation konfrontieren müssen“. (LM) (Fidesdienst, 1/12/2011)


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