AFRIKA/ÄGYPTEN - Hintergrund: Unruhen in Ägypten und überkonstitutionelle Prinzipien

Montag, 21 November 2011

Kairo (Fidesdienst) – Zu den Gründen, die in den vergangenen Tagen in Kairo, Alexandria und anderen ägyptischen Städten Unruhen auslösten, gehört das am 1. November vom Militärrat veröffentlichte Dokument zu den so genannten überkonstitutionellen Prinzipien. Damit beabsichtigen die Militärs die eigene politische Rolle auch nach der Billigung der neuen Verfassung zu garantieren, die von einer verfassungsgebenden Versammlung erarbeitet werden wird.
Zu den in dem Dokument enthaltenen Bestimmungen gehört auch die alleinige Verantwortlichkeit der Militärs im Hinblick auf die Verabschiedung des Militärhaushaltes, der dem Parlament nicht zur Debatte vorgelegt werden soll. Vorgesehen ist außerdem, dass die Militärs einige Artikel der neuen Verfassung ablehnen können, wenn diese nach Ansicht der Armee der vom Militärrat im vergangenen März verabschiedeten Verfassungserklärung widersprechen.
Das Dokument sieht auch vor, dass die verfassungsgebende Versammlung nur zu 20% aus Mitgliedern des Parlaments besteht, mit höchstens 5 Vertretern jeder Partei. Die restlichen 80% sollen aus außerparlamentarischen Vertretern der Zivilgesellschaft gewählt werden.
Bei den Wahlen, die ab dem 28. November stattfinden sollen, wird die Untere Kammer des Parlaments gewählt (in den verschiedenen Landesteilen wird man zu unterschiedlichen Terminen bis zum 3. Januar 2012 wählen), während zwischen Januar und März die Obere Kammer des Parlaments gewählt werden soll. Das neue Parlament wird dann die verfassungsgebende Versammlung wählen, die einen neuen Text verfassen und das Land zu Präsidentschaftswahlen führen soll.
Der Versuch der Militärs, die Zusammensetzung der verfassungsgebenden Versammlung zu beeinflussen stößt vor allem bei muslimischen Parteien (die bei der Wahl als Favoriten gelten) auf Ablehnung, doch auch säkulare Parteien betrachten den Versuch der Armee, sich unabhängig von der neuen Verfassung eine politische Rolle zu sichern, mit Misstrauen. Hinzu kommen Festnahmen und Einschüchterungsmaßnahmen unter politischen Aktivisten und der Verdacht der Zusammenarbeit der Militärs mit Extremisten, die Anschläge auf religiöse Minderheiten verübt haben (insbesondere Kopten).
Die nach dem 1. November geführte öffentliche Debatte zwang den Militärrat zur Streichung einiger umstrittener Punkte. Dabei wurde betont, dass es sich nur um einen Leitfaden handle und nicht um zwingende Bestimmungen. Dies reichte jedoch nicht aus, um die Gemüter zu beruhigen. (LM) (Fidesdienst, 21/11/2011)


Teilen: