AFRIKA/ÄGYPTEN - Mindestens 20 Menschen sterben bei Unruhen in Kairo: „Wieder sind es vor allem junge Menschen, die protestieren“, so ein Missionar

Montag, 21 November 2011

Kairo (Fidesdienst) – „Die Ausschreitungen hielten die ganze Nacht durch an“, so der Comboni Missionare P. Luciano Verdoscia, der seit vielen Jahren in Kairo tätig ist, zum Fidesdienst. Während der vergangenen drei Tage kamen bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften auf dem Tharir-Platz in der ägyptischen Hauptstadt mindestens 20 Menschen ums Leben, rund 400 Personen wurden verletzt. „Bei den Protesten, die zu den Auseinandersetzungen mit der Polizei und der Armee geführt haben“, so P. Verdoscia, „geht es vor allem um zwei Punkte. An erster Stelle geht es um die Festnahmen und die von Militärgerichten ausgesprochenen Urteile gegen Aktivisten, die in der jüngsten Vergangenheit an Demonstrationen und anderen öffentlichen Initiativen teilgenommen hatten. Zudem hat die staatliche Sicherheitspolizei, die nach dem Sturz von Mubarak formell aufgelöst wurde, ihre Tätigkeit wieder aufgenommen und zum Entstehen weiterer Unruhen beigetragen. Die Demonstranten fordern nun vor allem die Freilassung der Gefangenen, die in den vergangenen Monaten wegen ihres politischen Engagements festgenommen wurden.“
„Ein weiterer Aspekt“, so der Missionar, „sind die so genannten überkonstitutionellen Prinzipien, die derzeit Gegenstand einer öffentlichen Debatte sind. Der Oberste Rat der Streitkräfte hat versucht zwischen den Muslimbrüdern und salafitischen Gruppen zu vermitteln, die zuweilen von den Militärs eingesetzt wurden, um an den Demonstrationen teilzunehmen und damit ein Gegengewicht zu anderen Komponenten des Protests zu schaffen“.
„Auch in diesen Tagen“, so der Missionar weiter, „sind es wieder vor allem junge Menschen, die an den Demonstrationen teilnehmen. Wenn man von jungen Menschen spricht, dann weiß man nicht, welcher politischen Gruppierung sie angehören, doch vor allem sind diese Jugendlichen daran interessiert, dass es eine andere Art von Regierung und eine bessere Zukunft gibt. Bei den jüngsten Protesten gab es keine offensichtliche Beteiligung fundamentalistischer Strömungen. Zu Beginn, am Freitag, den 18. November, waren die Muslimbrüder dabei, die sich jedoch schon bald zurückgezogen haben“.
Zu der Möglichkeit, dass es sich um ein Aufeinandertreffen unterschiedlicher Visionen der Demokratie in Ägypten handeln könnte, sagt der Missionar: „Was man in Nordafrika und im Nahen Osten unter Demokratie versteht, das werden wir erst nach dieser turbulenten Zeit erfahren, wenn sich die Lage wieder beruhigt hat. Zweifelsohne wünschen sich die Menschen mehr Selbstbestimmung. In dieser Zeit bedeutet für die Ägypter Demokratie vor allem die Durchführung korrekter Wahlen, bei denen die Bürger ihre Stimme frei für diejenigen abgeben können, von denen sie hoffen, dass sie in der Lage sind das Land zu regieren. In diesem Kontext müssen wir uns bewusst machen, dass auch konfessionelle Kräfte der Demokratie an die Macht gelangen, die aus westlicher Sicht nicht demokratisch erscheinen mögen. Meiner Meinung nach sind diese Kräfte zwar wichtig, aber nicht dominierend. Auf jeden Fall wird es in Nordafrika und im Nahen Osten einen demokratischen Prozess geben müssen“, so P. Luciano abschließend. (LM) (Fidesdienst, 21/11/2011)


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