JOHANNES PAUL II. UND DIE RELIGIONEN von Pfarrer Ernesto Lettieri

Mittwoch, 15 Oktober 2003

Rom (Fidesdienst) – Zur Völkerwelt von Gott gesandt, soll die Kirche „das allumfassende Sakrament des Heils“ sein. So müht sie sich gemäß dem innersten Anspruch ihrer eigenen Katholizität und im Gehorsam gegen den Auftrag ihres Stifters, das Evangelium allen Menschen zu verkünden“ (Ad Gentes, 1)
„In unserer Zeit, da sich das Menschengeschlecht von Tag zu Tag enger zusammenschließt und die Beziehungen unter den verschiedenen Völkern sich mehren, erwägt die Kirche mit um so größerer Aufmerksamkeit, in welchem Verhältnis sie zu den nichtchristlichen Religionen steht. Gemäß ihrer Aufgabe, Einheit und Liebe unter den Menschen und damit auch unter den Völkern zu fördern, fasst sie vor allem das ins Auge, was den Menschen gemeinsam ist und sie zur Gemeinschaft untereinander führt. (Nostra aetate, 1)

Der Anfang dieser beiden Konzilsdokumente bringt die Gedanken der Kirche zum Ausdruck, die das Zweite Vatikanische Konzil besonders hervorheben wollte, und zwar das universale Sakrament des Heils für alle Menschen und das Sakrament der Einheit aller Menschen. Dieses Konzept wird auf noch eindeutigere Weise in der Dogmatischen Konstitution Lumen Gentium über die Kirche zusammengefasst, die zusammen mit der pastoralen Konstitution Gaudium et spes den Kern der Lehre von Papst Johannes Paul II. ausmacht. Das Konzil hat dieses Konzept aus der Kirchengeschichte übernommen und dessen Inhalt erweitert und auf nachdrücklichere und feierlichere Weise hervorgehoben. Als Fortsetzung der Kirchengeschichte sind die 25 Jahre des Pontifikates von Papst Johannes Paul II. nichts anderes als die Umsetzung dieses Konzepts von der Kirche als Sakrament durch das apostolische und pastorale Zeugnis.
Für Papst Johannes Paul II. sind diese beiden grundlegenden Glaubenskonzepte – das universale Heilssakrament der Kirche und das Sakrament der Einheit der Menschen – nicht nur das innere Wesen der Kirche sondern auch zwei pastorale und missionarische Herausforderungen, die er durch sein Pontifikat und insbesondere durch sein Lehramt angehen wollte. Zwei Zeichen der Zeit, die sich die Kirche durch Papst Johannes Paul II. zu eigen machen wollte, um damit besser sich selbst zu sein und zum Ausdruck zu bringen.

Das Lehramt Papst Johannes Pauls II. über die anderen Religionen
Das gesamte Lehramt des Papstes über die anderen Religionen muss im Rahmen dieses theologischen, pastoralen und spirituellen Kontexts verstanden uns ausgelegt werden, wie er oben kurz geschildert wurde.
Bereits in seiner ersten Enzyklika Redemptor Hominis werden die grundlegenden Koordinaten des Lehramts von Papst Johannes Paul II. über die anderen Religionen erkenntlich. Diese Lehre war auch die Grundlage dessen, was in den nachfolgenden 25 Jahren des Pontifikats weiterentwickelt wurde. In diesem Dokument macht uns der Papst sofort und mit unmissverständlichen Worten deutlich, was die grundlegende Aufgabe der Kirche ist: nämlich die Mission. Das heißt die Aufgabe, allen Menschen das durch Christus erwirkte Heil zu bringen. Unter diesem Gesichtpunkt ist die Kirche berufen mit der Menschheit als solcher zu dialogieren. Mit all dem, was auf sie zukommt. In den Nummern 6, 11 und 12 des Dokuments wird im einzelnen vom Dialog gesprochen, den die Kirche mit der Religiosität im weiten Sinn und mit den Religionen im engeren Sinn führen sollte.
Aus diesen Abschnitten der ersten Enzyklika wird erkenntlich, wie Papst Johannes Paul II. die anderen Religionen unter zwei grundlegenden Gesichtpunkten betrachtet: zum einen werden die anderen Religionen vom Papst als universales Handeln des Geistes Heiligen Geistes betrachtet, der über die sichtbaren Grenze der Kirche hinaus weht und mit der man zum Dialog aufgerufen ist; zum anderen sind die anderen werden die anderen Religionen im Licht des Sendungsauftrags der Kirche betrachtet, die allen Menschen das Heil Christi bringen soll.
Im Laufe seines Pontifikats hat Johannes Paul II. mehrmals und auf vielfältige Art und Weise diese beiden grundlegenden Punkte der Theologie der Religionen, die die Beziehungen der Kirche zu den anderen definieren, zu Schwerpunkten seiner Lehre gemacht. Hinsichtlich der konkreten Umsetzung braucht man nur an das interreligiösen Treffen in Assisi im Jahr 1986 zu denken, wo sich viele Religionsführer verschiedener religiöser Traditionen zum gemeinsamen Gebet mit dem Papst getroffen haben, dabei darf man auch die verschiedenen Begegnungen nicht vergessen, im Rahmen derer er im Verlauf seiner apostolischen Reisen, vor allem in Asien, die Vertreter der wichtigsten Religionen getroffen hat. Auf diese Weise hat er nicht nur ein unbekanntes Gesicht der Kirche gezeigt sondern auch das wahre Antlitz, dessen, was das Konzil von ihr verlangt hat, nämlich Sakrament des Heils und der Einheit der Menschen zu sein.
Einerseits ist das Lehramt von Papst Johannes Paul II. über die anderen Religionen von diesen Zeichen gekennzeichnet, die er gesetzt hat und bei denen es sich um Ereignisse größter Tragweite handelte, ist das Lehramt des Papstes, also seine Worte, die uns in unserem Fall vor allem interessieren, eine Neuheit von außergewöhnlichem Ausmaß.
Die beiden grundlegenden Gesichtpunkte, die obenstehend bereits erwähnt wurden und die der Beziehung des Papstes zu den Religionen im Verlauf der 25 Jahre seines Pontifikates zugrunde lagen, werden in zahlreichen Ansprachen und Botschaften des Papstes erkenntlich, aber vor allem in zwei äußerst wichtigen Enzykliken seines Lehramtes. Dabei handelt es sich an die Enzyklika über den Heiligen Geist, Dominum et Vivificatem, die fünfte seines Pontifikats und die dritte und letzte einer Trilogie über die Dreifaltigkeit. Darin geht er nicht nur auf die Person des Heiligen Geistes ein sondern auch auf sein Wirken in der Kirche und sein universales Wirken auf der Welt. Im Abschnitt Nr. 53 wird betont, dass der „Wind weht, wo er will“ (Joh 3,8) und deshalb muss die Kirche auch fähig sein „hinauszublicken“, um jenen Geist zu sehen der den Plan des göttlichen Willens vollbringt und alles zu vereinen, was im Himmel und auf Erden ist (vgl. Eph 1, 3-14). Dies geht so weit, dass der Papst schreibt: „…der Heilige Geist bietet allen die Möglichkeit an, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein“ (GS 22). Im Abschnitt Nr. 64 wird auf wunderbare Art und Weise die Kirche als „Zeichen und Werkzeug der Gegenwart und des Wirkens des lebenspendenden Geistes“ bezeichnet. Und mit Bezug auf die Lumen Gentium wir die Kirche als Sakrament der Einheit des ganzen Menschengeschlechts bezeichnet, das sowohl im Geheimnis der Erlösung als auch im Geheimnis der Schöpfung wurzelt: „Mit Freude werden wir uns immer mehr der Tatsache bewußt, daß innerhalb des von der Kirche in der Heilsgeschichte vollzogenen Wirkens, das der Geschichte der Menschheit eingeprägt ist, der Heilige Geist gegenwärtig und am Werk ist, der mit dem Hauch des göttlichen Lebens die irdische Pilgerschaft des Menschen durchdringt und die ganze Schöpfung - die ganze Geschichte - auf ihr letztes Ziel im unendlichen Meer Gottes ausrichtet.“ (DV 64)
In der Enzyklika über den Heiligen Geist finden wir also bereits die grundlegenden theologischen Voraussetzungen dafür, dass der Heilige Geist auch über die sichtbaren Grenzen der Kirche hinaus, also auch in den nichtchristlichen Religionen weht. Doch erst in der Enzyklika Redemptoris missio über die Missionstätigkeit der Kirche – die achte seines Pontifikats – stellt der Papst auf ausdrückliche Weise die Verbindung des universalen Wirkens des Heiligen Geistes und der Missionstätigkeit und somit dem sakramentalen Handeln der Kirche und den anderen Religionen her. Das gesamte 3. Kapitel dieser Enzyklika wird der Heilige Geist als „Hauptakteur der Mission“ bezeichnet und in den Abschnitten Nr. 28 und 29 wird eine Theologie der Religionen im eigentlichen Sinn in einer gänzlich pneumatischen Perspektive dargelegt, das heißt bezüglich der dritten Person der Dreifaltigkeit.
Das Thema der anderen Religionen, der Mission der Kirche und des universalen Handelns des Heiligen Geistes, das vor allem in diesen lehramtlichen Dokumenten behandelt wird, findet sich auch in weniger feierlicher aber nicht weniger nachdrücklicher Form in verschiedenen Ansprachen des Papstes wieder. Da wir natürlich nicht alle an dieser Stelle zitieren können, halten wir es für angebracht nur auf einige unter ihnen hinzuweisen, wenn wir die lehramtlichen Thematiken über die anderen Religionen, die auf dem Lehramt Papst Johannes Pauls II. gründen eingehende behandeln.

Die großen theoretischen Linien des Lehramtes Johannes Pauls II. über die anderen Religionen
Welche Doktrin lässt sich aus dem Lehramt des Papstes über die anderen Religionen ableiten? Welche sind unter theologischen Gesichtspunkten die grundlegenden Eigenschaften des Lehramtes von Johannes Paul II. über die anderen Religionen?
An erster Stelle sollte gesagt werden, dass es absolut nicht einfach ist die wesentlichen Kennzeichen des päpstlichen Lehramtes über die anderen Religionen abzuleiten; vor allem weil sich in beachtlichem Maß mit vielen anderen theologischen Aspekten und insbesondere mit vielen die Kirche betreffenden Aspekten vermischen. In diesen 25 Jahren hat der Papst diese Thema in verschiedenen Kontexten, unter verschiedenen Gesichtspunkten und mit großer inhaltlicher Weitsichtigkeit behandelt. Es ist nicht einfach einen solchen Reichtum zusammenzufassen; andererseits wollen wir auch nicht Gefahr laufen, die Tragweite und die Größe dieser Lehre einzuschränken.

Die theoretischen Punkte, die uns im Lehramt von Johannes Paul II. von grundlegender Bedeutung erscheinen sind folgende:
1) Die universale und tätige Gegenwart des Heiligen Geistes ohne zeitliche und räumliche Einschränkung;
2) Das Wirken des Heiligen Geistes durch die „Säer des Wortes“;
3) Das Wirken des Heiligen Geistes im Herz des Menschen, das ihm das Licht und die Kraft gibt, auf seine Berufung zu antworten
4) Des Wirken des Heiligen Geistes, das auch die „soziale Dimension“ des Menschen betrifft und damit auch die Religion;
5) Das Verhältnis der Kirche gegenüber der universalen Gegenwart des Heiligen Geistes und insbesondere gegenüber den anderen religiösen Traditionen.

Dies sind die fünf wesentlichen Punkte des päpstlichen Lehramtes von Johannes Paul II. hinsichtlich der anderen Religionen im Verhältnis zur Sendung des Heiligen Geistes und der Kirche.
Nachfolgend soll die Entwicklung und die gegenseitige Verflechtung dieser fünf Punkte in den 25 Jahren des Pontifikates von Papst Johannes Paul II. untersucht werden.

Die Entwicklung der theoretischen Richtlinien von Papst Johannes Paul II. über die anderen Religionen
Punkt 1) betrifft das universale Wirken des Geistes, dessen Grundlage in den Texten der Enzyklika Redemptoris Missio in den Abschnitten 28 und 29, in der Enzyklika Dominum et Vivificantem und im Abschnitt Nr. 53 und in Redemptor Hominis im Abschnitt Nr. 6 und im Konzilsdekret Gaudium et Spes unter der Nr. 22 ausgeführt wird. Die biblischen Ursprünge dieses universalen Wirken des Geistes findet man hingegen bei Johannes 3,8 und im Buch der Weisheit 1,7.
Aus diesen Texten von Papst Johannes Paul II. könnten wir erkennen, das das universale Wirken des Heiligen Geistes nicht durch die historische Tatsache jenes Heils gemindert wird, das durch jenen konkreten Menschen kommt, der Jesus von Nazareth war; vielmehr soll die universale Tragweite dieses durch Christus erwirkten Heils bewiesen werden, das durch das Wirken des Heiligen Geistes für jeden Menschen erreichbar wird, wo immer er sich befindet und in welchem gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld auch immer er lebt.
Nach Ansicht des Papstes kann man gerade aus dieser pneumatologischen Vision (des Heiligen Geistes) der Ankunft Christi, die Heilsuniversalität des Christentums ableiten: „ Die Universalität des Heiles bedeutet nicht, dass es nur jenen gilt, die ausdrücklich an Christus glauben und in die Kirche eingetreten sind. Wenn das Heil für alle ist, muss es allen zur Verfügung stehen.“ (RM 10). Die Größe von Papst Johannes Paul II. liegt auch darin, dass er der Kirche des dritten Jahrtausends dabei geholfen hat, den universalen Wert ihres Glaubens und der sich daraus ergebenden Konsequenzen aufzuzeigen.
Deshalb gilt für alle, die in sozialen und kulturellen Umfeldern geboren und aufgewachsen sind, die nicht das christliche sind, und oft zu anderen religiösen Traditionen erzogen wurden: „Für sie ist das Heil in Christus zugänglich kraft der Gnade, die sie zwar nicht förmlich in die Kirche eingliedert - obschon sie geheimnisvoll mit ihr verbunden sind -, aber ihnen in angemessener Weise innerlich und äußerlich Licht bringt. Diese Gnade kommt von Christus, sie ist Frucht seines Opfers und wird vom Heiligen Geist geschenkt: sie macht es jedem Menschen möglich, bei eigener Mitwirkung in Freiheit das Heil zu erlangen.“ (RM 10).

Unter Punkt 2) zeigt sich „wie“ dieser universale tätige Präsenz des Heiligen Geistes konkret jeden Menschen in Verbindung mit dem durch Christus erwirken Heil bringen kann.
Für den Papst und vor noch vor ihm für das Konzil (vgl. AG 11 und LG 17) geschieht dies alles durch das Wirken des Wortes Gottes, das die Samen der Wahrheit und des Guten verbreitet. Aus der antiken Doktrin der „Säer des Wortes“, auf die sich bereits die Kirchenväter bezogen, wenn sie von er Wahrheit sprachen, die auf verschiedene Art und Weise zum Ausdruck kommt, schreibt Papst Johannes Paul II. im Verhältnis zu den anderen Religionen in der Enzyklika Redemptor Hominis im Abschnitt 11 und in der Enzyklika Redemptoris Mission im Abschnitt Nr. 28; dabei weist er darauf hin, dass sie nicht nur an die Person Christi gebunden ist, sondern auch an das universale Wirken des Geistes der Wahrheit: „Die ‚Samen der Wahrheit’, die in den verschiedenen religiösen Traditionen präsent und tätig sind, sind der Reflex des einzigen Wortes Gottes, ‚das jeden Menschen erleuchtet’ (Joh 1,9) und das durch Christus Fleisch geworden ist (Joh 1,14). Sie sind gleichsam die Auswirkungen des Geistes der Wahrheit, der über die Grenzen des mystischen Leibes hinaus wirkt und dort „weht, wo er will’ (Joh 3,8)“ (Generalaudienz vom 9/9/1998).
Diese Doktrin, die sich vor allem am vierten Evangelium inspiriert, liegt Papst Johannes Paul II. sehr am Herzen, was uns zu verstehen gibt, dass in ihrem Licht beide ‚Wirkkräfte’, - sowohl der Geist als auch das Wort – so gedeutet und ausgerichtet werden können, dass sie die Einheit des Kosmos und der Geschichte erwirken: jene Einheit der Menschheitsfamilie, deren Sakrament die Kirche ist: „Die universale Einheit, die auf dem Ereignis der Schöpfung und der Erlösung gründet, muss im Leben der Menschen, auch derjenigen, die anderen Religionen angehören, Spuren hinterlassen. Aus diesem Grund hat das Konzil die Kirche dazu aufgefordert, die Keime des Wortes, die in anderen Religionen gegenwärtig sind, zu entdecken und zu achten.“ (Ansprache an die römische Kurie am 22/12/1986)

Die Punkte 3) und 4) helfen uns dabei, den anthropologischen „Ort“ und den Ort in der Schöpfung, an dem diese Samen des Wortes durch das Wirken des Heiligen Geistes ausgesät werden, zu verstehen. Die Frage, auf die eine Antwort gegeben werden soll, lautet: ‚Wo wirkt diese Gnade?’ und demzufolge auch ‚Was bewirkt diese Gnade – als Werk des Wortes und des Geistes- in der gesamten Schöpfung?’
Der Papst gibt uns durch seine Lehren ganz klar zu verstehen, dass Sie im Innersten des Herzen des Menschen wirkt, d.h. unter allen ‚sozialen’ Aspekten der Person und darunter vor allem in der Religion und in den Religionen.
Was das Herz des Menschen anbelangt, so schreibt der Papst in seiner Enzyklika Redemptoris Missio im Abschnitt 28 darüber und bezieht sich dabei vollständig auf das Konzilsdekret Gaudium et Spes (vgl. Nr. 38), das zu den grundlegenden Dokumenten des Konzils gehört. Im Licht der Konzilslehren will der Papst nichts anderes, als hervorzuheben, dass Gott dem Menschen an sich offen steht: „Wenn Gott sich in seinem Geist dem Menschen öffnet, so ist dieser als Subjekt geschaffen, das in der Lage ist die göttliche Selbstmitteilung zu verstehen. Der Menschen – wie dies die christliche Lehre bekräftigt – ist ‚capax Dei’: fähig, Gott kennen zu lernen und das Geschenk anzunehmen, zu dem Gott selbst sich macht. Da der Mensch nach dem Abbild Gottes geschaffen wurde, ist er in der Lage eine persönliche Beziehung zu ihm zu leben und mit dem Gehorsam der Leibe auf den Bund zu antworten, der ihm von seinem Schöpfer angeboten wurde“ (Generalaudienz vom 26/08/1998 – vgl. DV 34).
Doch was erwirkt der Geist durch den Samen des Wortes im Menschen, der fähig ist Gott kennen zu lernen?
Nach Ansicht von Papst Johannes Paul II. – der sich dabei stets auf die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils bezieht – bewirkt dieser Geist, dass der Mensch im Grund ‚religiös’ ist. Wie geschieht das? Indem er dem Menschen jenes „Licht“ und jene „Kraft“ gibt, die ihn in die Lage versetzen, seiner menschlichen und göttlichen Berufung zu folgen (vgl. RM 28). Diese Berufung wird besonders deutlich wenn der Mensch religiöse Ausdrucksformen sucht, zum Beispiel im Gebet. Wenn das menschliche Tun auf die Wahrheit ausgerichtet ist, auf das Gute und auf Gott, oder wenn er mit seinem Leben, das Absolute der moralischen Werte bezeugt. (vgl. VS 94).
Wenn der Geist dieses im Herzen der Menschen bewirkt, was bewirkt er dann im spezifischen Bereich der Religion und der Religionen?
Unterdessen ist es für Papst Johannes Paul II., wie bereits mehrmals wieder holt, Tatsache, dass: „Die Gegenwart und das Handeln des Geistes berühren nicht nur einzelne Menschen, sondern auch die Gesellschaft und die Geschichte, die Völker, die Kulturen, die Religionen... Und nochmals: es ist der Geist, der »die Samen des Wortes« aussät, die in den Riten und Kulturen da sind und der sie für ihr Heranreifen in Christus bereit macht“ (RM 28)
Auf der doktrinalen Grundlage der Konzilsdekrete GS 22 und AG 3.9.11 und des berühmten Dokuments „Dialog und Verkündigung“ des Jahres 1991 (das vom Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog und von der Kongregation für die Evangelisierung der Völker gemeinsam veröffentlicht wurde) geht der Papst in der bereits zitierten Audienz des Jahres 1998 sogar soweit, dass er erklärt, dass die Anhänger anderer Religionen normalerweise positiv auf Gott reagieren und das durch Christus erwirkte Heil erlangen, wenn sie das praktizieren, was es in der eigenen Religion an Gutem gibt, auch wenn sie Jesus nicht als ihren Erlöser betrachten. Das heißt: „Diese Möglichkeit ergibt sich aus dem innigen und aufrichtigen Streben nach der Wahrheit, der Selbsthingabe für die anderen und die Suche nach dem Absoluten, die vom Geist Gottes ausgelöst wird“ (Generalaudienz vom 9/9/1998).
Wozu gibt es im Lichte all dieser Betrachtungen also die Kirche? Welche Rolle spielt sie in diesem Kontext? Oder vielmehr noch welche Position soll sie gegenüber den anderen Religionen einnehmen?
Auf alle diese Fragen soll noch einmal Papst Johannes Paul II. eine Antwort geben lassen, und zwar mit dem Punkt 5) der oben aufgeführten Liste. Dieser letzte Punkt soll deutlich machen, „wie“ sich die Kirche angesichts dieses Geistes verhalten soll, der von außen und auch in den anderen Religionen weht.
Aus dem Lehramt des Heiligen Vaters können wir vor allem den Wert erkennen, der diesem Geist, der auch außerhalb der Kirche ohne räumliche und zeitliche Grenzen weht beimessen sollen; daraus lässt sich auch auf die Position schließen, die die Kirche angesichts der verschiedenen Ausdrucksformen des Geistes annehmen soll und insbesondere gegenüber den Religionen.
Was den Wert anbelangt, den die Kirche dem Geist beimessen soll, der in den anderen Religionen wirkt, lehrt uns der Papst auf den Spuren der gesamten christlichen Tradition, von den Kirchenvätern bis hin zum Zweiten Vatikanischen Konzil, dass die Religionen, gerade kraft dieses Wehens für die Kirche als eine ‚preparatio evangelica’ zu betrachten sind (RM 29, DV 54, TMA 6); womit zwei Dinge deutlich werden, die für die Kirche von grundlegender Bedeutung sind. Erstens gibt es keine Trennung zwischen dem Wirken des Geistes und des Wortes außerhalb der Kirche und dem Wirkten und des Geistes innerhalb der Kirche (RM 29, DV 7.23.54); obschon es zwischen diesen beiden Dynamiken des Wirkens offensichtlich Unterschiede gibt. Die Unterschieden ergeben sich aus der absoluten Neuheit der Fleischwerdung des Wortes, von der die Kirche Zeugnis ablegt. Zweitens, und dies ist ebenso wichtig, ist die Kirche, kraft dieses anderen Wirkens in ihrem Inneren und kraft des Erbes, das sie damit empfangen hat, berufen ihre Sendung umzusetzen. Es können an dieser Stelle natürlich nicht alle Texte des Päpstlichen Lehramtes zur Sendung der Kirche zitiert werden. Es soll ganze einfach darauf hingewiesen werden, dass nach Ansicht von Johannes Paul II. die anderen Religionen theologisch so ausgerichtet und geordnet sind, wie dies das Konzil insbesondere im Dekret Lumen Gentium darlegt, dass sie auf die Gemeinschaft und die Einheit des einzigen Volkes Gottes ausgelegt sind.
Wie sollte sich die Kirche also nach der Lehre von Papst Johannes Paul II. unter diesen Gesichtspunkte gegenüber den anderen Religionen verhalten?
Nach Ansicht des Papstes zeichnet sich das Verhalten der Kirche gegenüber den anderen Religionen im allgemeinen durch drei grundlegende Eigenschaften aus a) ‚tiefe Wertschätzung’ und ‚aufrichtigen Respekt’ gegenüber allen anderen religiösen Traditionen ohne dabei das missionarische Wesen der Kirche zu vergessen (vgl. RH 12, RM 29, Audienz vom 9/9/2003); b) die grundlegende Bereitschaft zum ‚Dialog’, die die Kirche als Sakrament der Einheit der Menschen auszeichnet (vgl. RM 56, Audienz 9/9/1998, Ansprache vom 22/12/2003) c) die ‚Diaconia’ – als Dienst - auf der Grundlage des Dekrets Nostra Aetate 1 – an der Einheit der ganzen Gemeinschaft der Menschen (vgl. Ansprache vom 22/12/1986).
Schluss
Zum Abschluss dieser Analyse zum Lehramt Papst Johannes Pauls II. hinsichtlich der anderen Religionen sollten wir unbedingt an den Appell denken, mit dem er sich zu Beginn seines Pontifikates an die Gläubigen gewandt hat: „Fürchtet euch nicht! Öffnet Christus die Pforten! Öffnet seiner heilbringenden Kraft die Grenzen der Staaten, die wirtschaftlichen und die politischen Systeme, die weiten Bereiche der Kultur, der Zivilisation, der Entwicklung. Fürchtet euch nicht! Christus weiß, was im Menschen ist. Allein er weiß es!“ Dieser Appell hallt in uns wieder und noch stärker war sein Echo in den 25 Jahren seines Pontifikates zu hören, so sehr, dass er den Takt der Geschichte der Kirche und der Welt in dieser Zeit der Jahrtausendwende bei angegeben hat. Wie bereits erwähnt gilt dieser Appell des Glaubens und der spirituellen Neuheit Johannes Pauls II. auch für die anderen Religionen, damit die Kirche unter der Leitung des Heiligen Geistes und des Vaters, sich mit neuer Hoffnung der Zukunft öffnen kann und damit sie weiterhin für die Welt das Sakrament des Heils und der Einheit des ganzen Menschengeschlechts sein kann. (Fidesdienst, 17/10/2003)


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