AMERIKA/HAITI - “Humanitäre Katastrophe”: Gesundheitswesen steht am Rande des Zusammenbruchs

Montag, 27 Mai 2024

Port au Prince (Fides) - "Die Eskalation der Gewalt in Port-au-Prince und Artibonite, einer Provinz nordwestlich der Hauptstadt, stürzt Haiti in eine humanitäre Katastrophe. Das Gesundheitssystem steht am Rande des Zusammenbruchs", so der Vertreter des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF), Bruno Maes. „Die ernste Notlage betrifft jedoch nicht nur die medizinische Versorgung der Kinder, sondern auch die lebenswichtigen Güter für ihre Behandlung und Ernährung", betonte er kürzlich in einer Erklärung.
In Haiti sind nur sechs von zehn Krankenhäusern betriebsbereit. Container mit Hilfsgütern sind blockiert oder geplündert worden, ebenso wie viele Lagerhäuser und Apotheken.
"Gewalt, Massenvertreibung, Epidemien und zunehmende Unterernährung haben das haitianische Gesundheitssystem zerstört (vgl. Fides 10/5/2024), aber die Blockade der Versorgungsketten verschlimmert die verzweifelte humanitäre Lage weiter."
Nach Angaben der humanitären Organisationen der Vereinten Nationen benötigen rund 4,4 Millionen Menschen in Haiti - einem Land mit 11,5 Millionen Einwohnern auf einer Fläche von 27.755 Quadratkilometern - dringend humanitäre Hilfe, und 1,6 Millionen Menschen sind von einer akuten Ernährungsunsicherheit betroffen. Mehr als 30 medizinische Zentren und Krankenhäuser wurden aufgrund von Vandalismus, Plünderungen oder weil sie sich in unsicheren Gebieten befanden, geschlossen, darunter auch das staatliche Universitätskrankenhaus von Haiti, das größte des Landes. Die kürzliche Wiedereröffnung des Flughafens in Port-au-Prince nach fast drei Monaten ist ein erster Schritt zur Aufhebung der Isolation, aber die Häfen sind immer noch blockiert.
In den ersten drei Monaten des Jahres 2024 wurden 2.500 Menschen, darunter mindestens 82 Kinder, infolge von Bandengewalt getötet oder verletzt. Diese Zahlen gehen aus den jüngsten UN-Berichten hervor. Fast die Hälfte der Opfer wurde bei gewaltsamen Angriffen auf ihre Wohnviertel oder bei Zusammenstößen zwischen Banden und der Polizei erschossen, und mindestens 438 Menschen wurden zur Erpressung von Lösegeld entführt. Medienberichten zufolge befinden sich 80 % der Hauptstadt und der Verbindungsstraßen zum Norden und Süden des Landes in den Händen krimineller Banden, die auf den Straßen, in den Stadtvierteln und an den Autobahnkreuzen Angst und Schrecken verbreiten. Etwa 362.000 Menschen - die Hälfte davon Mädchen und Jungen - mussten aus ihren Häusern fliehen, weil es zu gefährlich ist, dort zu bleiben, und viele von ihnen sind in überfüllten Notunterkünften in Schulen und anderen öffentlichen Räumen untergebracht. Sexuelle Gewalt und Missbrauch gegen Frauen und Mädchen haben zugenommen, und Zehntausende von Kindern können wegen der unsicheren Lage nicht zur Schule gehen.
Zu diesem dramatischen Kontext kommt der nicht weniger beruhigende politische Rahmen. Das neunköpfige Präsidialkollegium, das die Verantwortung für die Leitung eines Übergangsprozesses übernommen hat, bewegt sich langsam auf die Bildung einer Übergangsregierung zu, während Neuwahlen organisiert werden. Die Regierung sollte den Boden für die Entsendung einer internationalen Truppe zur Bekämpfung der Banden bereiten. Zunächst sollen eintausend kenianische Polizisten und Unterstützungskontingente von den Bahamas, Bangladesch, Barbados, Belize, Benin, Tschad und Jamaika eingesetzt werden.
(AP) (Fides 27/5/2024)


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