Vatikanstadt (Fides) - "Wenn wir nicht ein tiefes Bewusstsein für die Bedeutung und Wichtigkeit der Mission in der Kirche haben, würden wir die Päpstlichen Missionswerke auf eine Organisation zum Sammeln und Verteilen von Spenden reduzieren, von denen es heute so viele gibt. Es ist vielmehr notwendig, den Menschen zu helfen, auf ihre eigenen Wunden und ihr Versagen zu hören, so wie es der heilige Franziskus auf dem Berg Verna getan hat."
In seiner Ansprache an die Diözesandirektoren der Päpstlichen Missionswerke, die sich an einem im Zentrum für missionarische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit veranstalteten Fortbildungs teilnahmen (vgl. Fides 13/4/2024), konzentrierte sich Prälat Samuele Sangalli, Untersekretär des Dikasteriums für die Evangelisierung, auf das von Papst Franziskus verfasste Gebet an den Heiligen Franziskus, das er vor einigen Tagen den Brüdern des italienischen Franziskanerklosters „La Verna“ anlässlich der 800-Jahr-Feiern der Erscheinung der Stigmata, die der Heilige empfangen hatte, überreicht hatte (vgl. Anhang).
"Dieses Gebet zu einem von der Liebe verwundeten Menschen'", so der Untersekretär weiter, "bringt uns zum Kern der Mission. Was bedeutet es, zu evangelisieren, in Anbetracht der Tatsache, dass das Dikasterium für Evangelisierung die ganze Kirche daran erinnert, dass dies unser Ziel, unsere Daseinsberechtigung ist? Und wenn wir über unsere Mission nachdenken, sollten wir immer von den beiden Fragen des Heiligen Franziskus auf dem Berg ‚La Verna‘ ausgehen. ‚Herr, wer bist du und wer bin ich?‘". Kehren wir also zu den Grundlagen zurück. Kehren wir zu den Grundlagen unseres Glaubens- und Christseins zurück. Warum sind wir hier, warum sind wir Missionare, wer sendet uns und wozu?".
"Das Wichtigste", so Pfarrer Sangalli weiter, "ist unsere einfache Anwesenheit, bevor wir handeln. Sehr oft fühlen wir uns demotiviert, weil wir nicht die Antworten bekommen, die wir erwartet haben, und so ist die Versuchung groß, weniger zu machen und uns zu verschließen. Angesichts der offensichtlichen Fruchtlosigkeit oder gar des Scheiterns müssen wir die geflügelten Seraphim erkennen, die uns zu einer intensiveren Anpassung an die Übergabe unseres ganzen Selbst an den Vater auffordern, indem wir dem Gekreuzigten und Auferstandenen gleich werden. ‚Deine Ordensgemeinschaft ist mein, die Kirche ist mein. Die Mission ist mein, nicht dein‘, sagte der Herr zum heiligen Franziskus. Wir sind aufgerufen, den Boden zu bewirtschaften und dann den Geist wirken zu lassen, wie es seiner Zeit und seinen Wegen entspricht“.
"Das Gebet zu dem von der Liebe verwundeten Mann erinnert uns zuallererst daran, dass wir alle Menschen in Not und verwundet sind“, so der Untersekretär des Dikasteriums für die Evangelisierung weiter, „Jeder von uns hat seine eigene Geschichte und das macht uns solidarisch mit allen anderen Brüdern und Schwestern in der Welt. Gehen wir als davon aus, dass wir verwundet sind, dass wir Barmherzigkeit brauchen, dass wir Liebe brauchen, dass wir alle diese große Umarmung suchen, die der Herr niemandem verweigert. Das ist Evangelisierung, das ist die Botschaft, die wir innerhalb und außerhalb unserer Gemeinschaften vermitteln können. Wir sind verwundet, wir sind zerbrechlich, wir sind schwach, und wir suchen Trost, Frieden, Zärtlichkeit, Mitgefühl, das, was von der bedingungslosen Liebe Gottes kommt. Wenn wir tief über die Passion Christi nachdenken, bedenken wir seine Worte, berühren wir seine Wunden berühren und durch sie seine Liebe zu uns, sein Mitgefühl für uns. Wir müssen unsere tiefen Wunden von der Liebe, der Barmherzigkeit und dem Mitleid Christi heilen lassen, um wie Franziskus Zeugen seiner Barmherzigkeit zu werden“.
„Das", so der Untersekretär des Missionsdikasetriums, "ist die gute Nachricht, die uns zu Verkündern des Evangelisiums macht. Wir sind Zeugen seiner Barmherzigkeit, wo immer wir sind, in welcher Situation wir uns auch befinden. Wenn dies durch einen hektischen Aktivismus ersetzt wird, der ein Selbstzweck ist, wird unsere Mission eine nutzlose Zeitverschwendung sein. Die geistliche Bekehrung ist das Herzstück unserer Mission. Wenn wir diese tiefe Hoffnung, das Zeichen der Auferstehung, nicht teilen, wie können wir dann weiterhin Missionare sein? Und ohne diesen missionarischen Geist verliert die Kirche ihre Besonderheit, ihr Wesen als ‚Feldlazarett‘, das alle aufnimmt und versorgt, wie Papst Franziskus es immer wieder sagt. Wir müssen die Menschen einladen, zu sich selbst zurückzukehren, das Bedürfnis nach der Liebe Christi zu spüren und sich nach seinem Trost zu sehnen“.
"Wir genügen uns nicht selbst ", schloss Prälat Sangalli, "Dies steht im Gegensatz zu der ganzen Kultur, die uns sagt, dass wir stark sein sollen, dass wir uns durchsetzen sollen, dass wir unsere Schwächen, unsere tiefsten und wahrsten Bedürfnisse verleugnen oder verstecken sollen. Wir sind Bettler um Liebe, und nur wenn ich Solidarität und Mitgefühl finde, kann ich sie mit anderen teilen. Ansonsten bringe ich nur meinen Egoismus mit. Wir müssen sehr vorsichtig sein, denn hinter dem Aktivismus verbirgt sich sehr oft Frustration. Das Gefühl, sich selbst zu genügen und kein Mitgefühl, keine Barmherzigkeit und keine Solidarität zu brauchen, ist eine große Lüge, auf der diese Welt leider aufgebaut ist und die am Ende zu Konflikten und Gegensätzen führt und nicht zu der Harmonie und dem Frieden, die die Menschheit für eine friedliche Gegenwart und eine würdige Zukunft braucht".
(AP) (Fides 19/4/2024)