ASIEN/TURCHIA - Erdogan bleibt an der Macht: Bischof Bizzeti beklagt undifferenzierte Berichterstattung westlicher Medien

Montag, 29 Mai 2023

xgos.com.tr

Ankara (Fides) - Die endgültigen Ergebnisse der Wahlen in der Türkei, mit dem Sieg des amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, zeigten auch "die Unzulänglichkeit der Instrumente der westlichen Medien bei der Darstellung der türkischen Situation". Dies unterstreicht der Apostolischer Vikar von Anatolien, Bischof Paolo Bizzeti (SJ), der darauf hinwies, dass "die katholische Kirche nie Probleme mit der Regierung Erdogan hatte".
Bei der Stichwahl der Präsidentschaftswahlen, die am gestrigen Sonntag, den 28. Mai stattfand, erhielt Präsident Erdogan 52,16 % der Stimmen. Der Oppositionskandidat Kemal Kılıçdaroğlu kam auf 47,84 %. In den vergangenen Monaten hatten Umfragen und Analysen der westlichen Medien unterdessen das mögliche Ende von Erdogans langer Amtszeit an der Spitze der Türkei vorausgesagt. "Die mangelnde Kenntnis des wirklichen Landes", so Bischof Bizzeti im Gespräch mit Fides, "führt zu einer gewissen Oberflächlichkeit in der Art, wie man die Türkei versteht, und dann ist man überrascht“. „Der Sieg Erdogans war vorhersehbar“, betont er, „und es ist nicht zu der von einigen vorhergesagten Umkehr des Kräfteverhältnisses gekommen. Das liegt daran, dass wir auf bestimmte Aspekte fixiert sind, die wir für so wichtig halten, während es andere gibt, die für das türkische Volk eindeutig wichtiger sind und die wir unterschätzen". Unter den zu berücksichtigenden Faktoren hebt der Apostolische Vikar von Anatolien "die Bedeutung“ hervor, „die die Türkei mit der Regierung Erdogan auf der internationalen Bühne erlangt hat“. Dies so der Bischof sei für die Türken wichtig. „Die Regierung Erdogan wird von Europa und den Vereinigten Staaten, von Putin und den Golfmonarchien als geopolitischer Akteur anerkannt, und zwar aus unterschiedlichen, manchmal sogar gegensätzlichen Gründen. Es handelt sich also um eine Führungspersönlichkeit, die fest im Sattel sitzt und auf internationale Anerkennung zählen kann“, erklärt er, „Diejenigen, die ihn als isolierten Diktator darstellen, der Alleingänge unternimmt, geben ein falsches Bild der Realität wieder“, so Bischof Bizzeti weiter. „Erdogan ist ein international gewählter und unterstützter Mann. Und das sollte man berücksichtigen, denn die türkische Öffentlichkeit trägt dem Rechnung", merkt er an.
Erdogan setzte sich mit rund 2 Millionen Stimmen Unterschied gegen seinen Rivalen durch. Der Sieg garantiert ihm einen Verbleib an der Spitze des Landes für weitere fünf Jahre. In den letzten Wochen hatte Kemal Kılıçdaroğlu in seinem Wahlkampf einen nationalistischen und einwanderungsfeindlichen Kurs eingeschlagen und die Ausweisung und Zwangsrückführung der Millionen syrischer Flüchtlinge versprochen, die in der Türkei Zuflucht gefunden haben. "Der Oppositionskandidat", so Bischof Bizzeti, "wollte mit Erdogan auf Erdogans Terrain konkurrieren, und das war keine sehr glaubwürdige Entscheidung“. „Die Opposition hatte nicht den Mut, für etwas wirklich anderes zu stehen. Das erklärt zum Teil auch das Ergebnis: Wenn die Argumente auf beiden Seiten mehr oder weniger gleich sind, entscheiden sich die Menschen dafür, den Mann an der Macht zu lassen, den sie bereits kennen“, betont er.
Zu den Gefühlen, die das Wahlergebnis bei den christlichen Gemeinschaften in der Türkei hervorrufen könnte, erklärt Bischof Bizzeti: "Ehrlich gesagt, hatte die katholische Kirche nie Schwierigkeiten mit der Regierung Erdogan. Es gibt Fragen, die immer ungelöst waren, wie die Rechtspersönlichkeit der katholischen Kirche. Aber das sind Probleme, die sich aus dem Vertrag von Lausanne ergeben, und sicherlich nicht von der Regierung der AKP, der Partei Erdogans“. „Außerdem", fügt der Bischof hinzu, "ist ein gewisser kemalistischer Laizität, der die Religion in den privaten Bereich verlegt, für uns nicht sehr wünschenswert. Auch in diesem Punkt müssen wir uns von bestimmten Verharmlosungen lösen. In Europa wird die totale Laizität des Staates als Wert angesehen, aber es gibt kontroverse Situationen und fragwürdige Aspekte. Ein Staat, der auf die religiösen Gefühle der Menschen Rücksicht nimmt, ist für uns jedoch wünschenswert. Wir können eine Religion nicht akzeptieren, die einfach auf das Gewissen abgeschoben wird".
(GV) (Fides 29/5/2023)


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