(Archivio AGBU)
Istanbul (Fides) - Am 24. April 1915 wurden mehr als 100 armenische Intellektuelle, Parlamentarier, Schriftsteller und Journalisten aus ihren Häusern geholt und in die türkischen Städte Çankırı und Ayaş deportiert. In Erinnerung an dieses tragische Ereignis begehen armenische Gemeinschaften in der ganzen Welt am 24. April das „Meds Yeghem“-Gedenken mit Blick auf die systematischen Massaker an Armeniern, die zwischen 1915 und 1916 auf der anatolischen Halbinsel verübt wurden und auch als „Große Kathastrophe“ bezeichnet werden. Auch in diesem Jahr sind in Armenien und in vielen Städten auf der ganzen Welt Gedenkveranstaltungen und Treffen geplant. Auch in der Türkei hatte die "Plattform für das Gedenken an den 24. April" beim Gouverneur von Istanbul einen Antrag auf Genehmigung einer Gedenkveranstaltung in der Kadıköy-Oper gestellt. Der Antrag wurde jedoch von den örtlichen Behörden abgelehnt.
In den letzten Jahren und bis 2019 hatten die türkischen Behörden Gedenkzeremonien und -veranstaltungen genehmigt, die zum Teil auch an zentralen Orten in Istanbul, wie dem Taksim-Platz, stattfanden. In den vergangenen zwei Jahren wurden die Gedenkfeiern für die armenischen „Meds Yeghem“-Opfer aufgrund der Coronamaßnahmen abgehalten. Diese einschränkenden Maßnahmen gelten nicht mehr, während sich die Türkei auf Parlamentswahlen vorbereitet, deren Ausgang von vielen Analysten als ungewiss angesehen wird. „Es gibt keine nachvollziehbare Rechtfertigung für das Verbot unserer diesjährigen Gedenkfeier, wie es im letzten Jahr der Fall war", heißt es in einem Kommuniqué der "Plattform", in dem mit Bedauern darauf hingewiesen wird, dass hingegen rassistische und fremdenfeindliche Demonstrationen und öffentliche Reden geduldet werden.
In einem Leitartikel würdigt die in Istanbul erscheinende zweisprachige türkisch-armenische Zeitung „Agos“, das Andenken an "Hunderttausende von Armeniern", die vor 108 Jahren aus ihrem Land „gerissen“ wurden, und weist darauf hin, dass die Verdrängung der Erinnerung an diese Tragödie das nationale Gewissen weiterhin belastet und die neue Welle des Nationalismus die Anzeichen von Offenheit und Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den Ereignissen von 1915, die in den letzten Jahren von einflussreichen politischen Gruppierungen und den höchsten türkischen Behörden auszugehen schienen, zunichte zu machen scheint. "Ich verneige mich vor den osmanischen Armeniern, die unter den schwierigen Umständen des Ersten Weltkriegs ihr Leben verloren haben, und spreche ihren Nachkommen mein Beileid aus", hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan noch vor zwei Jahren (vgl. Fides 27/4/2021) in seiner Botschaft an den armenischen Patriarchen von Konstantinopel, Sahak II Maşalyan, anlässlich des 24. April geschrieben.
(GV) (Fides 24/4/2023)