Bangalore (Fides) – Nach Ansicht von Pater Irudhaya Jothi (SJ) verstößt der jüngste Gesetzesentwurf zur Regelung religiöser Konversionen im indischen Bundesstaat Karnataka - einem Bundesstaat im Südwesten Indiens mit mehr als 64 Millionen Einwohnern - gegen die Verfassung, die Menschenwürde, die Gewissensfreiheit und die Religionsfreiheit. Dies betont der Jesuit und Wissenschaftler, der sich für soziale Dienste im Bundesstaat Karnatake einsetzt, gegenüber Fides. Die Gesetzgebung, die das Oberhaus des Staates Karnataka (der so genannte "Gesetzgebende Rat von Karnataka" im indischen Zweikammersystem) nach der Zustimmung des Unterhauses im Dezember 2021 endgültig verabschiedet hat, "ist ein drakonisches Gesetz, das nicht gerechtfertigt ist", bemerkt der Ordensmann. "Ziel ist es, Christen und Angehörige anderer Gemeinschaften zu verängstigen, um die Unterstützung für nationalistische Hindu-Parteien zu stärken", argumentiert er. „Die derzeitigen Klauseln des Gesetzes", so der Jesuit, "können dazu missbraucht werden, arme und unterdrückte Gemeinschaften, insbesondere Dalit (die so genannten Unberührbaren) und andere Stammesgemeinschaften, von Bildungs-, Beschäftigungs- und Sozialhilfeprogrammen fernzuhalten".
Pater Devasagayaraj M. Zacharias, ehemaliger Sekretär des Büros für Dalits in der indischen Bischofskonferenz (CBCI), stimmt dem zu: "Die indische Verfassung", so erinnert er gegenüber Fides, "verankert das Grundrecht einer Person, sich zu einer beliebigen Religion zu bekennen, sie zu praktizieren und zu propagieren, die sie nach ihrem Gewissen gewählt hat. Die Verabschiedung des Antikonversionsgesetzes verstößt gegen die indische Verfassung und sollte vor Gericht angefochten werden“. "Das Verfahren für den Übertritt von einem Glauben zum anderen ist so umständlich und bürokratisch, dass es fast unmöglich ist, einen Religionswechsel zu vollziehen", stellt er fest. Insbesondere würden alle Dalits, die zum Christentum konvertieren wollen, "aus politischen Gründen" daran gehindert, stellt er fest.
Das "Gesetz über das Recht auf Religionsfreiheit in Karnataka" wurde bereits am 23. Dezember 2021 vom Unterhaus von Karnataka verabschiedet, zunächst aber nicht dem Oberhaus vorgelegt, weil die hindu-nationalistische "Bharatiya Janata Party" (BJP), die das Gesetz befürwortet, zu diesem Zeitpunkt keine Mehrheit in dieser Kammer hatte. Im Jahr 2022 erlangte die BJP dank einiger administrativer Wahlen mit 41 von 75 Abgeordneten eine Mehrheit im Oberhaus. Am vergangenen 15. September wurde der Gesetzentwurf schließlich von der BJP eingebracht und verabschiedet.
"Der Oberste Gerichtshof bekräftig, dass die Religionsfreiheit keine Zwangskonvertierungen zulässt. Es besteht die Freiheit zu konvertieren, aber nicht unter Zwang", sagte der Innenminister von Karantaka, Araga Jnanendra, bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs am 15. September und zur Begründung des Gesetzes.
„Religiöse Bekehrung muss gesetzlich geregelt werden: Das ist die Absicht hinter dem Gesetzentwurf. Wir wollen niemandem ein Recht vorenthalten und auch nicht gegen Artikel 25 der Verfassung verstoßen [der das Recht auf Religionsausübung und -verbreitung garantiert, Anm. d. Ü.]", erklärte der Ministerpräsident von Karnataka, Basavaraj Bommai, den Zweck des Gesetzes: "Wir wollen Recht und Ordnung aufrechterhalten und religiöse Konflikte verhindern“.
Der katholische Schriftsteller und Journalist John Dayal kommentierte gegenüber Fides: "Das ist nicht der Weg, um Konflikte zu verhindern. Das Gesetz verstößt nämlich gegen die Rechtsstaatlichkeit und die Religionsfreiheit. Erinnern wir uns daran, dass Indien eine demokratische Republik ist, die die Grundrechte der Menschen, einschließlich der Freiheit, sich zu seiner Religion zu bekennen, sie zu praktizieren und zu verbreiten, immer unterstützt und geschützt hat“.
In dem Gesetzentwurf heißt es: "Niemand darf eine andere Person durch falsche Angaben, Gewalt, unzulässige Beeinflussung, Nötigung, Verlockung oder andere betrügerische Mittel oder durch Heirat direkt oder indirekt von einer Religion zu einer anderen bekehren oder dies versuchen; niemand darf die religiöse Bekehrung anderer Personen fördern oder organisieren".
Im Falle eines Verstoßes ist eine Gefängnisstrafe von drei bis fünf Jahren und eine Geldstrafe von 25.000 indischen Rupien (307 USD) vorgesehen, während die Gefängnisstrafe auf bis zu 10 Jahre und die Geldstrafe auf 50.000 Rupien (614 USD) ansteigt, wenn Minderjährige, Frauen und Menschen aus den "Scheduled Castes and Scheduled Tribes"-Gemeinschaften, die als marginalisierte und gefährdete Gruppen gelten, konvertieren.
Das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren sieht vor, dass eine Person, die ihren Glauben wechseln möchte, dies dem Religionsminister mitteilt, der dies öffentlich durch einen Aushang bekannt gibt, bis etwaige Einwände geprüft und untersucht werden. Wenn sich keine Fragen ergeben haben, wird die betreffende Person anschließend vom Richter vorgeladen, um ihre Identität festzustellen und den Inhalt der Erklärung zu bestätigen. Darüber hinaus können Familienangehörige, Verwandte oder Freunde einer Person, die behauptet, ihren Glauben geändert zu haben, vor Gericht eine "Klage wegen Zwangsbekehrung" einreichen.
Mehrere Bundesstaaten in Nord-, West- und Ostindien, wie Uttar Pradesh, Himachal Pradesh, Gujarat, Chhattisgarh, Odisha, Madhya Pradesh, Arunachal Pradesh, Uttarakhand und Jharkhand, haben bereits Gesetze zur Einschränkung religiöser Konversionen erlassen. Das südindische Bundesland Karnataka ist das letzte, das ein solches Gesetz erlassen hat. Indische Christen haben sich stets gegen solche Maßnahmen gewehrt und in einigen Fällen gerichtliche Rechtsmittel eingelegt
(PA-SD) (Fides 5/10/2022)