Vatikanstadt (Fidesdienst) - Wer die Dokumente liest, die der Heilige Stuhl seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil bis heute zur Ausbildung der Priesteramtskandidaten veröffentlichte wird vor allem davon beeindruckt sein, wie viel davon der menschlichen Ausbildung gewidmet sind. Dies zeigt, dass es sich dabei um eine Dringlichkeit handelt, die besondere Beachtung verdient. Es geht dabei um die Notwendigkeit, dass junge Männer, die sich auf das Priesteramt vorbereiten, Menschen sind, die diesen Weg nicht einschlagen, weil sie sich vor anderen Entscheidungen fürchten, nicht weil sie auf etwas verzichten, sondern weil sie auf die Möglichkeit einer authentischen Festigung und Verwirklichung ihrer eigenen Menschlichkeit gestoßen sind. Wir dürfen nicht denken, dass das Thema der menschlichen Ausbildung vom Thema der christlichen Ausbildung getrennt werden kann.
In diesen Jahren hat sich, nachdem man in angemessenem Maß darauf Wert legt, dass der Priester ein vollständiger Mensch ist, das Bemühen oft darauf konzentriert, nach dem vollkommenen Menschen zu streben und weniger nach dem wahren Menschen. In dem Dokument „Ratio fundamentalis“ des Jahres 1970 hieß es, dass die Berufung zum Priester „obschon sie ein übernatürliches und ganz bedingungsloses Geschenk ist, notwendigerweise auf verschiedenen natürlichen Begabungen basieren muss, und dass, wenn von diesen Begabungen einige nicht vorhanden sind, man richtigerweise daran zweifelt, dass eine wahre Berufung existiert“. Und in den „Richtlinien für die Erziehung zum priesterlichen Zölibat“ von 1974 heißt es sogar „wenn der Mensch nicht vorhanden ist, dann ist auch die Berufung nicht vorhanden“.
Diese Bemerkungen sind zutreffend, dürfen jedoch nicht dazu führen, dass wir in dem jungen Mann den perfekten Menschen suchen, sondern einen Menschen, der einen authentischen Weg eingeschlagen hat, einen Mann, der seine Menschlichkeit, all seine Begabungen und alle seine dunklen Seiten ernsthaft vor Christus ausbreitet. Ein Mensch, der nichts von sich selbst zensiert, der aber auch bereit ist, etwas von sich zu opfern, da er weiß, dass er den wertvollsten Schatz bereits empfangen hat.
Wir brauchen uns nicht davor zu fürchten, in unseren Priesterseminaren und Bildungshäusern lebendige, vielfältige oder auch problematische Persönlichkeiten aufzunehmen, vorausgesetzt, sie besitzen, wie dies immer wieder in den verschiedenen lehramtlichen Dokumenten betont wird, eine klare Absicht. Oder wie es in dem Dokument „Optatam totius“ heißt „eine aufrichtige Absicht und einen freien Willen“.
Die Erfahrung im Bildungshaus und im Priesterseminar selbst soll deshalb auch nicht eine Zensur des persönlichen Lebens sein, sondern sie soll, durch das angemessene Opfer zur Erfüllung jeder wirklichen Sehnsucht führen. Das Bildungshaus oder das Priesterseminar sollen vor allem ein Haus der Glaubenserfahrung sein, der Erfahrung des Volkes Gottes als Ort, an dem Versprechen wahr werden und die Prophezeiung sich erfüllt. Mgr. Massimo Camisasca, Generaloberer der Priesterbruderschaft vom heiligen Karl Borromäus. (Fidesdienst, 23/06/2006 - 41 Zeilen, 443 Worte)