Pune (Fides) – Die bei der Bekämpfung der Verheiratung von minderjährigen Mädchen gemachten Fortschritte könnten während der Corona-Pandemie durch eine Mischung aus Viren und Armut zunichte gemacht werden: Dies befürchtet die das Netzwerk "Girls Not Brides", in dem sich über 1.460 Organisationen in aller Welt zusammenschließen, darunter auch katholische Einrichtungen. "Alle im letzten Jahrzehnt erzielten Fortschritte werden darunter leiden", beklagt Shipra Jha, Leiterin der NGO "Girls Not Brides", die sich international für die Bekämpfung der Verheiratung minderjähriger Mädchen einsetzt. „Die frühe Ehe ist fest in der Ungleichheit der Geschlechter und den patriarchalischen Strukturen verwurzelt. Covid-19 hat die Situation verschärft ", beklagt die NGO in einer Verlautbarung, in der "Girls Not Brides" daran erinnert, dass Armut, mangelnde Bildung und Unsicherheit auch in stabilen Zeiten zu Kinderehen führen und dass Krisenzeiten das Problem verschärfen. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind jedes Jahr 12 Millionen Mädchen unter 18 Jahren von dem Phänomen betroffen.
Kinderehen sind von Indonesien bis Indien über Pakistan und Vietnam weit verbreitet, aber das Phänomene - so die NGO - war in den letzten Jahren dank des Engagements von Organisationen und Verbänden allmählich zurückgegangen die den Zugang von Frauen zu Bildung und Gesundheitsdiensten fördern. Diese Verbesserungen seien jedoch durch die Auswirkungen der Pandemie untergraben worden, die in vielen asiatischen Staaten zum Verlust von Arbeitsplätzen führt und Familien in ernsthafte Schwierigkeiten bringt.
„Girls Not Brides“ erklärt: "In Südasien lebt die weltweit größte Bevölkerung junger Menschen und Jugendlicher. Die Pandemie hat eine beispiellose Wirtschaftskrise verursacht und die Ungleichheiten verschärft. Die Auswirkungen sind besonders gravierend für Frauen und Mädchen, die einem höheren Risiko geschlechtsspezifischer Gewalt, ungewollter Schwangerschaften und früher Ehen ausgesetzt sind". Man fordern daher "politische Antworten, um auf ihre spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen einzugehen. Diese Situation muss sich ändern. Die Regierungen der asiatischen Nationen müssen ihre Bemühungen verstärken und Frauen und Mädchen zu den Prioritäten beim Schutz der Menschenwürde in Südasien zählen". "Wir müssen zwischen Regierungen und der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass Mädchen, bei denen das Risiko einer frühen Heirat besteht und bereits verheiratete Mädchen bei den Maßnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise nicht außer Acht gelassen werden", heißt es in dem Aufruf der NGO.
Caritas India versucht unterdessen in Dutzenden von Dörfern in Bihar Familien über die schädlichen Auswirkungen früher Ehen aufzuklären. In Indien ist diese Tradition hauptsächlich in den Bundesstaaten Jharkhand, Bihar, Rajasthan und Uttar Pradesh verbreitet, aber auch im reicheren Punjab, wo unter anderem die Schwestern der Heiligen Teresa aktiv sind, die im Rahmen von Gesprächen und durch gezielte Bildungsangebote die Familien der Diözese Jalandhar zur Aufgabe dieser Praxis bewegen wollen. Im Gegenzug bieten sie auch den jungen Menschen und insbesondere Mädchen Bildung und Berufsausbildung an, um Familien eine Alternative zu bieten.
Schwester Lucy Kurien von den Schwestern vom Heiligen Kreuz ist die Gründerin und Direktorin von "Maher" mit Sitz in Pune im indischen Unionsstaat Maharashtra, eine interreligiöse Gemeinschaft und Organisation für Frauen und Kinder aus indigenen Völkern, die Opfer von Missbrauch sind. In den "Maher"-Häusern in Jharkhand, Kerala, Uttar Pradesh und Maharashtra werden Familien aus ländlichen Gebieten dazu angehalten, ihre minderjährigen Töchter nicht zu verheiraten. Vor allem in hinduistischen, christlichen und muslimischen Gemeinden werden entsprechende Aufklärungsprogramme durchgeführt. Schwester Lucy gründete die Organisation "Maher" in den frühen 1990er Jahren und 1997 wurde das erste Maher-Haus im Dorf Vadhu Budruk am Stadtrand von Pune eröffnet. Im Februar 2017 gründete Schwester Lucy auch die “Association for Service to Humanity and Nature“ für den Dienst an Mensch und Natur, eine interreligiöser Verein, in der sich verschiedene ehrenamtliche Helfer in den Gemeinden für den Schutz und die Förderung von Menschenwürde und Gleichberechtigung einsetzen.
(MG-PA) (Fides 5/9/2020)