ASIEN/IRAK - NACH DEM KRIEG IST ERSTMALS EIN CHALDÄISCHER PRIESTER MITGLIED IM PROVINZRAT DER STADT MOSUL: „DER FRIEDEN HÄNGT VOM ENGAGEMENT ALLER AB“

Montag, 22 September 2003

Mosul (Fidesdienst) – In der Stadt Mosul, wo seit jeher viele Christen leben, ist ein chaldäischer katholischer Priester Mitglied im Provinzrat der Stadt. Es handelt sich um Pfarrer Louis Sako, der sich als Gemeindepfarrer in Mosul vor allem für die Jungendpastoral und den interreligiösen Dialog engagiert. Der Fidesdienst sprach mit ihm über sein soziales Engagement und die Situation im Irak.

Wie beurteilen Sie die heutige Situation im Irak? Geht es den Menschen heute besser als in der Vergangenheit?
Vor dem Krieg war der Irak wie eine große Kaserne mit vielen Soldaten und Waffen: niemand durfte öffentlich Kritik üben oder demonstrieren, der Alltag war militärisiert. Heute haben die Menschen zwar viele Probleme, aber sie leben wieder, es herrscht ein Klima der Freiheit und der Demokratie. Die Menschen können ihre Vertreter frei auswählen, so dürfen auf der Straße demonstrieren und Zeitungen herausgeben. Gewiss, in der Nachkriegszeit ist die Sicherheit noch nicht gewährleistet, doch mit der Zeit werden sich Lösungen finden: der Friede ist ein Projekt, das viel Zeit und das Engagement aller fordert. Heute herrscht im Land eine neue Atmosphäre: aus diesem Grund sind viele zuversichtlich und hoffen auf eine bessere Zukunft.

Fürchten Sie sich in Ihrem Amt im Provinzrat nicht vor einem Terroranschlag, wie er vor kurzem gegen Frau Akila Al Hashmi in Bagdad verübt wurde?
Ich habe keine Angst, denn ich versuche die Rechte von Armen und Unterdrückten zu schützen und Christen und Muslimen Gutes zu tun: und ich habe den Eindruck, dass dies von allen geschätzt wird. Der Provinzrat hatte mir fünf Leibwächter angeboten, die ich jedoch abgelehnt haben, weil ich der Ansicht bin, dass man Vertrauen unter Beweis stellen sollte: ich bin mir sicher, dass Gott immer bei mir ist und mich schützt, denn was ich tue, das tue ich im Dienst der Bürger von Mosul.

Wir gelingt es Ihnen Ihre Tätigkeit als Pfarrer mit diesem politischen Amt zu vereinbaren?
Jeder Pfarrer sollte seine Zeit zwischen der Tätigkeit als Pfarrer und anderen Tätigkeiten aufteilen. In der Pfarrei gibt es viele Laien, die mir helfen. Außerdem habe ich das politische Amt nur für die Zeit des Übergangs angenommen: ich wollte damit einen Beitrag zur Vorbereitung einer friedlichen und harmonischen Zukunft leisten, von der auch die Christen im Irak profitieren werden.

Wie viele christliche Mitglieder gibt es im Provinzrat der Stadt Mosul?
Der Provinzrat hat insgesamt 24 Mitglieder: 16 Araber, 3 Christen, 3 Kurden und 1 Turkmene. Die Mitglieder arbeiten in verschiedenen Kommissionen zusammen: ich arbeite in der Kommission für Kultur, Universität und religiöse Güter mit. Meine Erfahrung im Dialog mit muslimischen Intellektellen und Religionsführern hat mir die Arbeit im Provinzrat erleichtert, wo mich alle „Abuna“ nennen, was so viel heißt wie „Vater“.

Wie gestaltet sich die Arbeit im Provinzrat? Gibt es besondere Anliegen im Interesse der christlichen Gemeinde?
Wir engagieren uns für das Wohl aller Bürger von Mosul und die Angelegenheiten, mit denen wir uns befassen hängen oft davon hab, dass es im Irak mit dem Sturz des Regimes eine plötzliche Wende gegeben hat und die Menschen sich noch an die neue Situation gewöhnen müssen. Außerdem setze ich mich aber auch für den Schutz der sozialen, politischen und religiösen Rechte der christlichen Gemeinde ein. Christen dürfen heute Zeitungen herausgeben (von denen es in Mosul bereits fünf gibt) und sie sind dabei Radio- und Fernsehsender einzurichten. Außerdem versuchen wir wieder in den Besitz der Grundstücke der Chaldäischen Mönche um das Kloster des hl. Georg in Mosul zu gelangen, die vom Regime Saddam beschlagnahmt worden waren, und diejenigen in die Heimat zurückzuführen, die aus ihren Wohnungen und Dörfern vertrieben worden waren. In einigen Städten mit christlichen Mehrheit hat der Provinzrat, der auch für die Jurisdiktion in der Provinz zuständig ist, christliche Bürgermeister ausgewählt, wie zum Beispiel in Alqosh, Karakosh und Telkef. (BM) (Fidesdienst, 22/9/2003 – 58 Zeilen, 647 Worte)


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