Istanbul (Fidesdienst) – Der Sprecher der Türkischen Bischofskonferenz, Rinaldo Marmara, dementiert unmissverständlich die Erklärungen, die ihm türkische Medien im Hinblick auf die Existenz historischer Dokumente in den Archiven des Vatikans zuschreiben, die beweisen sollen, dass der Ursprung des Völkermords an den Armeniern des Jahres 1915 interne „Probleme“ der armenischen Gemeinschaft gewesen sein sollen.
In den vergangenen Tagen war in der türkischen Presse die Nachricht veröffentlicht worden, dass die Universität Bahcesehir eine Forschungsabteilung eröffnen wird, die sich mit historischen Dokumenten aus den Archiven des Vatikans befassen soll. Insbesondere hatte die Tageszeitung „Vatan“ am 11. Dezember Erklärungen des Sprechers der katholischen Bischofskonferenz wiedergegeben und ihn dabei als „Verantwortlichen“ des akademischen Forschungsprojekts bezeichnet. Unter anderem soll der Sprecher der katholischen Bischöfe vertraulich mitgeteilt haben, dass unter den rund einer Million Dokumente und Geheimkorrespondenz bezüglich des Osmanischen Reichs und der Türkei, die in den Vatikanarchiven aufbewahrt werden, auch solche sein sollen, die „die Ereignisse des Jahres 1915 bezüglich der Armenier“ betreffen, die beweisen sollen, dass alles „mit armenischen Problemen begann“. Wie Vatan Berichtet soll Rinaldo Marmara auch offen gelegt haben, dass in den Vatikanarchiven „einige Dokumente zu den Vorfällen in der Ägäis“ aufbewahrt werden, „die die Verantwortlichkeit der Griechen und die Unschuld der Türken beweisen“.
Diese Erklärungen, die Marmara zugeschrieben werden, führten zu heftigen Reaktionen in den einheimischen christlichen Gemeinden, angefangen bei der armenischen Gemeinde. Auch aus diesem Grund möchte Marmara nun den Fall der propagandistischen Fälschung, deren Opfer er wurde, aufklären. Dies tut er in einer Mitteilung, die dem Fidesdienst vorliegt.
In der Mitteilung betont der Sprecher der katholischen Bischofskonferenz, dass es sich um Zitate handelt, „die Journalisten wissentlich zu provokatorischen Zwecken aus dem Kontext herausgerissen haben“. Dabei erinnert er daran, dass „ man sich mit einer derart delikaten und sensible Frage wie die der Armenier nur aufgrund von Archivdokumenten befassen kann“ und gibt eine korrekte Version der eigenen von der türkischen Press manipulierten Betrachtungen wider: „Die Geheimarchive des Vatikan“, so Marmara, „enthalten Hunderttausende Dokumente zur Geschichte der Türke. Ich bin gewiss, dass einige auch die armenische Frage b betreffen – einige Bücher wurden hierzu ausgehend von diesen Archivbeständen in Europa bereits veröffentlicht – doch diese Dokumente wurden noch nicht umfassend klassifiziert. Die Archive sind allen Forschern zugänglich und ich bin nicht für Forschungsarbeiten verantwortlich, die dort stattfinden. Ich betone nur die Bedeutung dieser Archive. Die Digitalisierung der Archive wurde bereits begonnen und dies gewährt bereits eine teilweise Einsicht online.“
Marmara betont in diesem Zusammenhang auch, dass die Armenierfrage nicht zu den spezifischen Bereichen seiner historischen Forschungen gehört. „Mein Forschungsbereich umfasst nur die lateinische katholische Kirche und deren Gemeinschaft. Ich möchte darum bitten, dass man mich nicht leichtfertig verurteilt. Ich bin nur für meine eigenen Schriften verantwortlich und nicht für aus dem Kontext herausgerissene Sätze, die mir zugeschrieben werden.“
Der 63jährige Rinaldo Marmara wurde in Istanbul geboren und ist derzeit auch Vorsitzender der türkischen Caritas. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur Geschichte der lateinischen katholischen Gemeinde in Istanbul. (GV) (Fidesdienst, 18/12/2012)