ASIEN/SYRIEN - Junger christlicher Oppositioneller: „Minderheiten werden im Konflikt bedrängt“

Freitag, 30 November 2012

Hassaké (Fidesdienst) – Die syrischen Minderheiten, die besonders angreifbar und schutzlos sind, werden in einem Konflikt bedrängt, der immer heftiger wird und dabei mehr und mehr Kampf zwischen verschiedenen Fraktionen mit sektiererischen und konfessionellen Zügen erscheint: dies betont ein junger Christ, der mit seiner Familie in Hassaké Zuflucht suchte, in einem Bericht zu den Ereignissen in Ras al-Ain an der Grenze zur Türkei. Die Zivilbevölkerung in der Region jenseits des Euphrat (Ostsyrien) wurde von dem Konflikt überwältigt, der zu einer Massenflucht der Zivilsten führte, die vor allem nach Hassaké und Kamishly flohen. Die einheimischen Bischöfe wandten sich bereits in einem dringlichen Appell an die internationale Staatengemeinschaft und den Papst, mit der Bitte „eine humanitäre Katastrophe zu verhindern“ (vgl. Fidesdiesnt vom 22/11/2012 und 23/11/2012). In Ras al-Ain, das am 8. November von den Truppen der Rebellen eingenommen wurde, bekämpfen sich heute kurdische und arabische Gruppen, die sich zunächst mit der syrischen Armee verbündet hatten. Dies zeige, dass das Konfliktpotential wachse. Der junge Christ, der sich selbst als Oppositionelle bezeichnet und aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte, schildert in dem Bericht, der dem Fidesdienst vorliegt, die dramatische Situation der Minderheiten in Mesopotamien.
„Im Herzen der Nacht, wurden die Einwohner von Ras al-Ain um zwei Uhr am 8. November, vom Lärm der Explosionen, Hubschrauber und Maschinengewehre geweckt. Es waren die Kämpfer der Freien Syrischen Armee und türkische Hubschrauber, die den Grenzübergang und die Stadt ohne große Schwierigkeiten einnahmen. Die Soldaten begannen mit der Plünderung der Häuser, die sie als Basislager benutzen. Unter den beschlagnahmten Häusern, war auch das Haus meines Großvaters, wo sich Frauen, Kinder und meine gelähmte Großmutter aufhielten. Alle Zivilsten wurden im Schlafanzug aus ihren Häusern vertreiben und konnten weder Dokumente noch Geld oder etwas anderes mitnehmen. Soldaten und Kämpfer gingen mit einer ‚schwarzen Liste’ von Haus zu Haus auf der Suche nach ihren Feinden. Auf der Liste standen auch die Namen christlicher Familienoberhäupter. Warum?“.
„Dies soll jedoch nicht bedeuten“, heißt es in dem Bericht weiter, „dass unser Volk gespalten ist. Ohne das Eingreifen eines Nachbarn meiner Familie, ein sunnitischer Muslim, der die bewaffneten Menschen darum bat, uns nichts anzutun, wären wir tot. Wir haben überlebt und sind geflohen. Die Menschen in Ras al-Ain, Muslime und Christen, haben jahrzehntelang in Frieden und Freundschaft zusammen gelebt. Weshalb sollen wir nun gegeneinander sein?“.
„In Ras al-Ain wurden nicht nur Christen Opfer der Rebellen, doch die Christen wurden als erste aus ihren Wohnungen vertrieben. Sie trugen ihre Kinder auf den Armen und müssten durch Straßen fliehen, auf denen Tote lagen. So gehen Invasoren vor und nicht Befreier, wie sich die Oppositionellen nennen“, heißt es in dem Bericht weiter.
„Kurden, Araber und Christen“, so der junge Berichterstatter, „insgesamt über 70.000 Menschen sind geflüchtet, und suchten größtenteils in Hassaké Zuflucht. Innerhalb weniger Stunden wurde die Stadt zu einer Geisterstadt. Den Alawiten blühte das schlimmste Schicksal: sie wurden ermordet, weil sie Alawiten sind. Unter den Opfern war auch ein Lehrer, der seine Stadt sehr liebte und viele Kinder aus allen Familien unterrichtet hatte. Die Soldaten suchten nach ihm und ermordeten ihn vor seiner Frau und seinen Kindern, die anschließend verschleppt wurden“.
„Heute sind die Straßen der Stadt gesperrt“, heißt es in dem Bericht abschließend, „Ein Linienbus, der Hassaké mit Aleppo verbindet wurde angehalten und alle Passagiere wurden identifiziert: die, die nicht Sunniten waren, wurden eliminiert. Wer hat den Milizen den Befehl gegeben, auf der Grundlage religiöser Kriterien zu ermorden? Und welches Recht haben sie, unabhängig von der Religionszugehörigkeit, unschuldige Zivilisten zu ermorden? Das internationale Recht legt fest, dass auch im Krieg das Überleben und die Rechte der Zivilbevölkerung geschützt werden muss. Doch dieses Prinzip scheinen die militärischen Gruppen der Rebellen nicht zu kennen. Warum? Wir haben bisher das Regime solcher Taten beschuldigt. Nun geht es hier um Verbrechen, die wir mit eigenen Augen gesehen haben und für die die Freie Syrische Armee verantwortlich ist“. (PA) (Fidesdienst, 30/11/2012)


Teilen: