HINTERGRUND - Genitalverstümmelung an Frauen, eine dramatische Realität: Wo wird sie praktiziert und was tut die Kirche zur Bekämpfung dieser grausamen Prozedur

Montag, 20 September 2004

ZAHLEN
Die Gesamtzahl der beschnittenen Frauen und Mädchen beträgt nach Schätzungen von WHO, UNO und UNICEF weltweit zwischen 120 und 130 Millionen. Nach Ansicht von Haimo Iaakoonen vom Kinderhilfswerk UNICEF werden bis zum Jahr 2010 weitere 16 Millionen Mädchen dieser Gewalt unterzogen werden. Jahr für Jahr werden ungefähr 2 Millionen Mädchen beschnitten. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara ist die Praktik am meisten verbreitet, doch auch in arabischen Ländern, darunter Ägypten und der Jemen, in Europa und den Vereinigten Staaten werden Genitalverstümmelungen bei Frauen und Mädchen vorgenommen.

WO WERDEN BESCHNEIDUNGEN PRAKTIZIERT
In 16 verschiednen afrikanischen Ländern wird die Genitalverstümmelung an Frauen in unterschiedlichen Formen durchgeführt. An der Spitze steht dabei Guinea Bissau, wo nach offiziellen Angeben 1999 insgesamt 98,6 % aller Frauen beschnitten waren. Es folgt Somalia mit 98%. Drittes Land auf der Liste ist Ägypten, wo im Jahr 2000 der Anteil der beschnittenen Frauen bei 91,6 % lag. Derselbe Prozentsatz wird aus Mali gemeldet, wo die betroffenen Frauen zwischen 15 und 19 Jahre alt sind. In Kenia werden 38% der Mädchen und Frauen beschnitten. In Niger sind nach offiziellen Angaben nur 4,5 % der Mädchen und Frauen beschnitten. Auch im Sudan sind Genitalverstümmelungen an Frauen weit verbreitet.
Die weibliche Beschneidung wird auf von der muslimischen Bevölkerung Indonesiens, Indiens und Malaysias, sowie in einigen Teilen Pakistans und des Oman, im Jemen und in den Arabischen Emiraten vorgenommen.

DIE REGELN
In Maputo (Mosambik) billigten im Juli 2003 die afrikanischen Staats- und Regierungschefs im Rahmen eines Gipfeltreffens der Afrikanischen Union einstimmig (53 von 53 Stimmen) ein Dokument zum Schutz der Frauen, das im Kapitel 5 die Geschlechtsverstümmelung an Frauen verbietet. Bisher wurde das Dokument jedoch erst in drei der 53 Länder ratifiziert. Mindestens 15 Länder müssen das Papier ratifizieren, damit es als kontinentales Gesetz in Kraft treten kann-
Bei der Konferenz über Genitalverstümmelung bei Frauen in Nairobi (16. bis 18. September 2004), die von der kenianischen Regierung in Zusammenarbeit mit der Bewegung „Kein Frieden ohne Gerechtigkeit“ veranstaltet wurde, an der zahlreiche Nichtregierungsorganisationen und afrikanische Bürgerrechtsbewegungen teilnahmen und die von der Europäischen Union, dem Kinderhilfswerk UNIDEF, der norwegischen Regierung und der italienischen Gesellschaft für internationale Entwicklungszusammenarbeit finanziell unterstützt wurde, hat Kenia, das bereits vor einigen Jahren den so genannten „Childrens Act“ verabschiedet hatte, angekündigt, man habe das Protokoll von Maputo unterzeichnet, dass Genitalverstümmelungen bei Frauen gesetzlich verbietet. Diesem Beispiel folgten die Komoren, Ruanda und Libyen. Auch Ghana, das Gastgeberland der Folgeveranstaltung, kündigte ähnliche Maßnahmen an.

GESCHICHTE UND GEGENWÄRTIGE SITUATION
Erstmals verboten die Jesuiten im 12. Jahrhundert die Geschlechtsverstümmelung, doch das Problem wurde von den Europäern nie wirklich ernst genommen, bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Kenia tätige Missionare ihren Gläubigen diesen Brauch verboten.
Der Vater des modernen Kenia, Yomo Keniatta, verteidigte die weibliche Beschneidung als einen wichtigen kulturellen Brauch.
Im Sudan verbot die englische Kolonialherrschaft die Beschneidung bei Frauen im Jahr 1946 was einen vorübergehenden Rückgang der Zahl der weiblichen Geschlechtsverstümmelungen mit sich bracht. Doch das Verbot wurde als eine gewaltsames Eingreifen der Kolonialmacht betrachtet, so dass die Beschneidungen bald wieder drastisch zunahmen.
In Ägypten wurde das Problem ab 1959 von einer eigens dafür eingerichteten Studienkommission untersucht, doch der Eingriff wurde erst 1997 offiziell verboten, nachdem ein beschnittenes Mädchen gestorben war. Beschneidungen an Mädchen und Frauen sind dort auch heute noch weit verbreitet. Krankenpfleger und Krankenschwestern runden sich damit oft die bescheidenen Gehälter auf.
Ein anderes Land, in dem die Genitalverstümmelung an Frauen sehr weit verbreitet ist, ist Senegal. Hier versuchen sowohl politische als auch religiöse Führungskräfte diese Praktik zu bekämpfen. Auch in Ghana wurde ein Gesetz verabschiedet, die weibliche Beschneidungen verbietet, Burkina Faso hat eine Anti-Beschneidungs-Kommission eingerichtet. Schlimm ist die Situation in Somalia. Die Somalin Kadhy Koita, die in Brüssel das europäische Frauennetzwerk zur „Ausrottung der FGM (weibliche Beschneidung)“ leitet, berichtet davon, dass in ihrem Land weiterhin Beschneidungen vorgenommen werden bei denen die Geschlechtsorgane der Frau bis auf eine kleine Öffnung zugenäht werden (siehe unten). Nach Angaben von Frau Koita verbreitet sich das Phänomen auch in einigen afrikanischen Auswanderergemeinden in Europa, vor allem in Frankreich und Holland. Insbesondere werden Geniatlverstümmelungen an Frauen von Zuwanderern aus Somalia, Mali und Guinea Bissau vorgenommen.
Frau Koita bestätigt, dass die Praktik der Genitalverstümmelung an Frauen unabhängig von der religiösen Zugehörigkeit vorgenommen wird. Bei der internationalen Konferenz über weibliche Beschneidung in Nairobi (September 2004) erklärte die Assistentin des dschibutischen Gesundheitsministers, Frau Safia Ewlmi Dijbril, dass unter den arabischen Bevölkerungsteilen Dschibutis die Beschneidung bei Mädchen bei wenigen Tage alten Säuglingen durchgeführt wird, während man in Somalia und unter den Afar bis zu drei Wochen wartet. In Dschibuti, wo im Dezember eine internationale Tagung zu diesem Thema stattfinden soll, sind 99% der Einwohner Muslime. 93% der Mädchen und Frauen sind beschnitten.

DREI VERSCHIEDENE FORMEN DER WEIBLICHEN BESCHNEIDUNG
Für die Genitalverstümmelung bei Frauen, die stets aus rituellen und nicht aus therapeutischen Gründen durchgeführt wird, gibt es drei verschiedene Prozeduren:
1. Beschneidung oder „Sunnah“: eine teilweise Entfernung der Geschlechtsorgane
2. Exzision, Ausschneidung: völlige Entfernung der Geschlechtsorgane
3. Infibulation oder sudanesische Beschneidung: Vernähen der weiblichen Genitalien
In allen Fällen soll das sexuelle Empfinden der Frau eingeschränkt und sie damit in ein Objekt verwandelt werden.
Das Alter der Mädchen, an denen diese Praktiken ausgeübt werden ist je nach Land und Kultur verschieden: Beschneidungen werden zum Beispiel in Nigeria an wenigen Tage alten Säuglingen vorgenommen, in Uganda an erwachsenen Frauen und in Somalia an Mädchen.
Die Beschneidung von Mädchen und Frauen führt sehr oft zu Komplikationen: darunter sehr schmerzhafte Monatsblutungen und schwere Komplikationen bei Geburten, bei denen die Frauen ihr Leben riskieren (eine unter 16 Frauen in Afrika und 1 unter 3 in Europa. Längerfristige Komplikationen bleiben oft lebenslang. (R.F.) (Fidesdienst, 20/09/2004 - 92 Zeilen, 946 Worte)


Teilen: