AFRIKA/SUDAN - Im Falle der Unabhängigkeit wird der Südsudan mit der Rückkehr vieler Flüchtlinge aus dem Norden konfrontiert werden, befürchtet ein sudanesischer Bischof

Samstag, 8 Januar 2011

Khartoum (Fidesdienst) – „Wenn sich die erste Euphorie nach der Unabhängigkeit gelegt hat, wird man mit der harten Realität von Tausenden südsudanesischen Flüchtlingen konfrontiert werden, die in ihre Heimat zurückkehren und dort nichts mehr haben. Es gibt weder Schulen noch Krankenhäuser, weder Wohnungen noch genügend sauberes Trinkwasser“, so Bischof Macram Max Gassis von El Obeid. Der Südsudan stimmt am 9. Januar im Rahmen eines Volksentscheids über die eigene Unabhängigkeit ab. Nach Ansicht von Beobachtern werden sich die Bürger der Region mit großer Wahrscheinlichkeit für die eigene Unabhängigkeit entscheiden.
„Die Rückkehrbewegung hat bereits seit einiger Zeit eingesetzt“, so Bischof Gassis. „Vor zwei Wochen habe ich die Grafschaft Twic in der Region Bahr El Ghanzal besucht, wo es nach Angaben der lokalen Behörden bereits 50.000 Rückkehrer gibt. Diese Menschen werden von Lastwagen ins Nichts abgeladen. Sie haben nicht einmal einen geschützten Schlafplatz. Es gibt nur eine einzige Wasserverteilungsstelle und es gibt weder Moskitonetze noch Lebensmittel oder Medikamente“.
„Wenn man bedenkt, dass allein in Khartoum, der Hauptstadt des derzeit noch einheitlichen Sudan, rund 4 Millionen Südsudanesen leben, die eventuell ihre Heimat zurückkehren können, versteht man, dass wir vor einer möglichen humanitären Tragödie stehen“, so der Bischof von El Obeid weiter.
Der Volksentscheid ist Teil eines Friedensabkommens, das 2005 in Nairobi (Kenia) von der Zentralregierung und der Sudanesischen Befreiungsbewegung (SPLM) unterzeichnet wurde. Damit wurde ein 20jähriger Bürgerkrieg beendet.
„Der Ausgang des Referendums scheint gewiss, denn die Regierung in Khartoum hat sich nicht darum bemüht, die Option für einen einheitlichen Suden für die Menschen im Süden attraktiv zu machen. Das Friedensabkommen hatte eine 5jährige Wartezeit bis zur Durchführung des Volksentscheids vorgesehen, damit die Zentralregierung politische Maßnahmen ergreifen konnte, die die Bürger im Süden vom Erhalt eines einheitlichen Staates überzeugen sollten. Aber es ist das Gegenteil geschehen. Es wurden keinerlei politische Maßnahmen durchgeführt, die den Bedürfnissen der verschiedenen Völker entgegenkommen, aus denen sich das Land zusammensetzt, die unterschiedliche Religionen haben. Vielmehr besteht man weiterhin auf die Einführung der islamischen Gesetze der Scharia“, so Bischof Gassis.
Im Falle einer Unabhängigkeit des Südsudan sorgt sich der Bischof auch um das Schicksal der christlichen Kirchen im Norden des Landes: „Was wird aus der Kirche im Norden werden, wenn der Sudan in einen animistischen und christlichen Süden und einen größtenteils muslimischen Norden aufgeteilt sein wird? Ich befürchte, dass die Katholiken, die dort leben zusammen mit den orthodoxen Kopten im engsten Sinne der Scharia als so genannte ‚Protegés’ betrachtet werden, d.h., dass sie als Bürger zweiter Klass gelten oder schlimmer noch Opfer von Verfolgung werden“, so der Bischof von El Obeid abschließend. (LM) (Fidesdienst, 08/01/2011)


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