ASIEN/IRAK - „Wir müssen uns für den Aufbau einer reiferen Demokratie einsetzen, in der Christen anerkannt und geachtet werden“, so der Rektor des Chaldäischen Seminars in Ainkanava, P. Bashar Warda CSsR

Mittwoch, 3 März 2010

Mossul (Fidesdienst) – „Die Situation ist schwierig. Doch die irakischen Christen geben die Hoffnung nicht auf und werden zum Aufbau eines neuen Irak beitragen. Das Land und die irakische Gesellschaft sind reifer als noch bei den Wahlen vor vier Jahren. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen der Politiker und der christlichen Religionsführer“, so der chaldäische Priester und Redemptoristenpater Bashar Warda, der als Rektor das Priesterseminar „St. Peter“ in Ainkawa in der Nähe von Erbil im Norden des Irak leitet.
P. Warda hatte den chaldäischen Patriarchen bei dessen Besuch in Mossul begleitet. Kurz nach seiner Rückkehr sprach er mit dem Fidesdienst über die bevorstehenden Wahlen.

Wie beurteilen die irakischen Christen die bevorstehenden Wahlen und was erwarten sie sich davon?

Wir stellen fest, dass der demokratische Prozess im Vergleich zu vor vier Jahren Fortschritte gemacht hat. Der Irak befindet in einer sehr schwierigen Phase in der Zeit nach dem Regime. Internationale Hilfe unterstützt diesen Übergang und es gibt immer noch negative Elemente wie Gewalt, Entführungen, Terroranschläge. Doch das demokratische Bewusstsein ist gewachsen und es gibt mehr Offenheit in der Gesellschaft. Das Land lernt und Schritt um Schritt kommt es voran auf dem Weg der Demokratie. Die Christen sind wesentlicher Bestandteil des Landes und möchten an diesem Prozess des Wachstums und des Aufbaus einer zivilen und demokratischen Zukunft aktiv teilnehmen.

In welchem Maß nehmen die Christen an der Wahl und am Aufbau eines neuen Irak teil?

Was die direkte Wahlbeteiligung angeht, bin ich zuversichtlich. Nur in der Region um Mossul gibt es nach der Gewalt der vergangenen Tage eine wahre Notlage. Über 870 Familien haben die Stadt verlassen und in umliegenden Dörfern Zuflucht gesucht. Wo werden diese Menschen ihre Stimme geben. Man versucht einen Sicherheitsplan aufzustellen, der es diesen Binnenflüchtlingen ermöglicht, ihre Stimme abzugeben.
Unser Beitrag zum Aufbau des Irak geschieht durch die politische Vertretung (wir haben fünf Sitze im Parlament, die für uns reserviert sind), durch Öffentlichkeitsarbeit und soziale Einrichtungen. Dabei fordern wir Menschenrechten und Menschenwürde für alle. Es gibt christliche Kandidaten auf den Wahllisten der freien Wähler, die nicht politisch gebunden sind: dies ist ein gutes Zeichen, denn es bedeutet, wir wollen „Ferment in der Masse sein“.

Wie beurteilen Sie die jüngste antichristliche Gewalt? Welche Motive verbergen sich dahinter?

Die Gewalt steht ganz offensichtlich in Verbindung mit den Wahlen und soll die Christen einschüchtern. Doch man muss auch berücksichtigen, dass es eine Ungleichgewicht und Konflikte zwischen der örtlichen Verwaltung und der Zentralregierung gibt. Wenn man Christen trifft, dann führt dies zu Spannungen im ganzen Land und man weckt damit das Interesse der internationalen Staatengemeinschaft: die Christen könnten somit zu einem Spielball der Politiker geworden sein, denen es im Grunde um Fraktionskämpfe geht. Das Land sieht sich vor allem mit Konflikten zwischen Arabern und Kurden und zwischen schiitischen und sunnitischen Muslimen konfrontiert. Die christliche Glaubensgemeinschaft im Irak hat seit jeher als Brücke zwischen den verschiedenen Komponenten fungiert und sich für die Versöhnung eingesetzt. Dafür wurde sie von allen geschätzt. Man darf sich von einer solchen parteiischen Gewalt nicht mitreißen lassen, sondern es muss in einer solch schwierigen Lage vor allem Ruhe bewahrt werden.

Wie denken Sie über das Projekt, das die Ansiedlung aller irakischen Christen in Ninive vorsieht?

Natürlich ist die Idee eines solchen „Ghettos“ nicht akzeptabel: Christen wollen und müssen im ganzen Land leben, damit sie ihrer Sendung gerecht werden können. Ich glaube, dass Politiker, egal ob Christen oder Nichtchristen, dies auch nicht wollen: es würde bedeuten, dass man dem Fanatismus und dem Separatismus nachgibt. Vielleicht gab es ein Missverständnis im Hinblick auf diesen Vorschlag: einige sinn der Ansicht, dass auf der Grundlage der geltenden Verfassung ein „Sonderstatus“ für die Christen in Ninive möglich wäre, denn hier leben vorwiegend Christen. Dies würde aber nicht ausschließen, dass andere christliche Gemeinden unbehelligt in den anderen Teilen des Landes leben. Der Vorschlag einer „Sonderverwaltungsregion“ in Ninive für die Christen steht seit 2003 zur Debatte: ich glaube, dass christliche Religionsführer und Politiker sich treffen sollten, damit sie über den Vorschlag diskutieren, ihn prüfen und Lösungsvorschläge machen können.

Wie kann die Menschenrechtslage der Christen im Irak verbessert werden?

Damit wir dieses grundlegende Ziel erreichen können, müssen die Vertreter der Kirchen im Irak eng zusammenarbeiten und gemeinsam mit den christlichen Politikern vorgehen. Das Engagement für die Rechter von Minderheiten ist eine politische Angelegenheit, weshalb Christen, die sich in der Politik engagieren aufgerufen sind, Verantwortung dafür zu übernehmen. Bischöfe und Vertreter der Kirchen können und müssen diese Politiker mit Weitsicht unterstützen, damit sie christliche Werte vertreten. Ein konstruktiver Dialog ist heute von grundlegender Bedeutung für das Wohl der ganzen Gesellschaft. Die Kirche – die sich als solche nicht in der Politik engagiert – muss versuchen unter den Bürgern und unter den Politikern im Licht des Evangeliums ein spezifisches Bewusstsein entstehen zu lassen. (PA) (Fidesdienst, 03/03/2010)


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