AMERIKA/KOLUMBIEN - „Den bewaffneten Gruppen wird es nicht gelingen, unsere Friedensarbeit zu beeinträchtigen, im Gegenteil, wir sind heute noch mehr mit den Menschen vereint, die sich uns anschließen“. Interview mit Bischof José Vélez Isaza von Valledupar

Donnerstag, 8 Juli 2004

Rom (Fidesdienst) - In 40 Jahren Bürgerkrieg starben über 35.000 Menschen. Der Fidesdienst sprach mit Bischof José Vélez Isaza von Valledupar CMF über die blutige Gewalt, mit der die Menschen in Kolumbien seit Jahrzehnten leben müssen, über die Gründe, die zu dieser Gewalt führen und über die Friedensarbeit der Kirche, für die diese mit dem Tod von Priestern, Ordensleuten und Laien einen hohen Preis zahlen musste. Es folgt der Wortlaut des Interviews.

Wie sind die bewaffneten Gruppen in Kolumbien entstanden?
Die linksgerichteten Guerillagruppen entstanden im Zeichen der marxistischen Ideologie zum Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit und die Armut der Bevölkerung. Die Gründer dieser Guerilla-Organisationen waren davon überzeugt, dass die sozialen und wirtschaftlichen Probleme Kolumbiens durch einen Volksaufstand gelöst werden könnten, mit dem sie an die Macht gelangen sollten und die Realität im Land verändern wollten. Die rechtsgerichteten paramilitärischen Gruppen, auch AUC (Autodefensas unidas de Colombia) wollten zunächst die reichen Großgrundbesitzer und deren Viehbestände vor den angriffen der kommunistischen Guerilleros schützen, da es der Polizei nicht gelang die Sicherheit zu gewährleisten.
Sowohl Paramilitärs als auch die linksgerichteten Guerilla-Organisationen gelangten schließlich in Besitz von Geld und Waffen und die Macht der Gewalt, worüber sie ihre ursprünglichen Ideale vergaßen so dass diejenigen, die eigentlich Beschützer des Volkes sein sollten, zu dessen schlimmsten Unterdrückern wurden. Sie schrecken vor Erpressung, Mord, Entführung, Massakern, Gewalt, Raub und Strafmaßnahmen nicht zurück und werfen dabei Zivilisten vor, auf der Seite der jeweils anderen Gruppen zu stehen. Die Menschen befinden sich auf diese Weise im Kreuzfeuer zwischen den linksgerichteten Guerilla-Organisationen und den rechtsgerichteten paramilitärischen Gruppen, die sich seit gut 40 Jahren gegenseitig bekämpfen und damit gewiss nicht die Probleme der Ungerechtigkeit, der Unterdrückung und der Armut des Volkes lösen, sondern vielmehr die Kontrolle über das Territorium gewinnen wollen.
Die Gewalt hat weitere Gewalt hervorgerufen und obschon es diesen Gruppen nicht gelungen ist, in den Besitz der politischen Macht des Landes zu gelangen, sind sie doch selbst zu einer Macht geworden. Eine große Einnahmequelle dieser Gruppen ist der Drogenhandel: deshalb versuchen sie die Gebiete zu kontrollieren, in denen Drogen angebaut werden, das Wohl der Menschen interessiert sie nicht mehr. Armut und Ungerechtigkeit gibt es immer noch und sogar in noch größerem Maß: bei dem Konflikt zwischen den beiden Seiten starben bis heute über 35.000 Menschen. Es sollte jedoch gesagt werden, dass es diesen Gruppen nie gelang die Zustimmung der Bevölkerung zu erlangen, weshalb man auch nicht von einem Bürgerkrieg im eigentlichen Sinne sprechen kann.

Welche Beziehungen bestehen zwischen der Drogenmafia und diesen bewaffneten Gruppen?
Der Drogenhandel ist gekennzeichnet von Schrecken, Blut und Tod. Leider bedienen sich diese bewaffneten Gruppen dieser Geschäfte zur Finanzierung ihrer Aktivitäten. Dabei geht es um Gewinne im Umfang von Millionen von Dollar, mit denen sie Waffen und Personen finanzieren. Zu den Massakern an Bauern, die die Guerilleros verüben, kommt es, weil diese sich weigern in den Drogenplantagen zu arbeiten. Die Gewalt soll also ein Klima des Schreckens unter der Bevölkerung entstehen lassen. Agiert in einem Gebiet nur eine bewaffnete Gruppe, dann werden die Menschen von dieser zwar mit Waffengewalt zum Gehorsam gezwungen, doch die Situation bleibt relativ ruhig. Versucht jedoch eine andere Gruppe, in dasselbe Gebiet einzudringen, dann werden die Menschen Opfer beider Gruppen und das ist die Hölle.
Die gegenwärtige Regierung versucht schrittweise die Gebiete, in denen die bewaffneten Gruppen ihre Drogen anbauen, wieder nutzbar zu machen, doch sie kommt dabei nur sehr langsam voran, denn es gelingt nur sehr schwer, die Gesetze durchzusetzen. Doch die Sicherheitslage hat sich bereits gebessert: auf einigen Straßen die früher unbefahrbar waren, weil man stets mit Überfällen durch Terroristen rechnen musste, wird die Sicherheit heute von Polizeibeamten und Soldaten gewährleistet.

Wie stehen die bewaffneten Gruppen zur Kirche?
Die bewaffneten Gruppen sind im Allgemeinen der Kirche gegenüber positiv eingestellt. Trotz allem schätzen sie die Arbeit von Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien und die Tatsache, dass die Kirche stets den Menschen zur Seite steht und vor allem dort wo die Situation am schlimmsten ist und ungeachtet aller Gefahren und Risiken, denen sie sich dabei aussetzt. Die Guerilleros respektieren unseres Sendung und wissen, dass wir als Hirten von unseren Gläubigen unterstützt werden.

Die Kirche musste mit dem Tod von Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und engagierten Laien für ihr Engagement einen hohen Preis bezahlen: Hat sich dies nicht auf die Friedensarbeit ausgewirkt?
Der Mord mehreren Priestern und am Bischof von Cali haben viel Schmerz, Leid und Trauer und vor allem eine große Abscheu gegenüber solch grausamen Taten hervorgerufen. Doch das Zeugnis dieser Brüder, die bereit waren, ihr eigenes Leben für Christus und die Mitmenschen hinzugeben hat uns alle geistlich wachsen lassen. Wir könnten heute sagen, dass ihr Tod unsere Entschlossenheit zum Aufbau des Friedens bestärkt hat, denn das Blut, das sie vergossen haben war Samen für diesen Frieden. Außerdem hat die allgemeine Abscheu gegenüber solchen kriminellen Taten den bewaffneten Gruppen gezeigt, dass sie uns nie von unserem Engagement abbringen werden, denn die Menschen haben sich uns noch mehr angeschlossen: sie wissen, dass wir für sie da sind. Abschließend möchte ich noch auf eine Besonderheit hinweisen: an den Orten, wo die Priester und der Bischof ermordet wurden haben die Priester- und Ordensberufe zugenommen. (RZ) (Fidesdienst, 8/7/2004 - 81 Zeilen, 891 Worte)


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