VATIKAN - „AVE MARIA“ von Mgr. Luciano Alimandi - „Die Liebe sucht nicht ihren Vorteil”

Mittwoch, 8 April 2009

Vatikanstadt (Fidesdienst) – Die Erzählung von der Passion Jesu, die am Palmsonntag verlesen wird, kann das Herz desjenigen, der gläubig und demütig zuhört, nicht unberührt lassen. Vor dem geistigen Auge spielte sich, während dieser Erzählung, die dieses Jahr dem Markusevangelium entnommen ist, ein beeindruckendes Szenario ab, in dem sich die gleichsam imponierende und doch „ohnmächtige“ Figur Jesus abzeichnet, der, wie ein „Lamm, das man zum Schlachten führt“ (Jes 53,7), sich von den Menschen zerreißen lässt, um unsere Sünde an das hölzerne Kreuz zu nageln.
„Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Wie aktuell sind dese Worte in der Karwoche, welche Kraft der Wahrheit enthalten sie! Eine Kraft, die in der Lage ist, wenn man nur glaubte, aus dem Herzen und aus den Köpfen der Menschen jenen Stolz zur entfernen, der ihn auf das eigene „Ich“ beschränkt.
In diesem Szenarium der Passion eines menschgewordenen Gottes um unseres Heils willen, ist jeder berufen, nicht den Platz der Scharfrichter und Verräter, der Ungläubigen und der Ankläger Jesu einzunehmen, sondern den der frommen Seele, die das eigene Gefäß zerbricht, das verhärtete Herz öffnet, damit der „Wohlgeruch“, den es enthält, d.h. die Liebe, sich über den anbetungswürdigen Leib des Herrn ergießt.
Das Evangelium vom Leiden Jesu begann nicht umsonst mit der wunderbaren Szene, in der eine Frau aus Betanien etwas tut, was in den Augen derer, die daran gewöhnt sind, nur an die eigenen Interessen zu denken, auch wenn es um die Liebe zu Gott geht, etwas Absurdes tut: „Als Jesus in Betanien im Haus Simons des Aussätzigen bei Tisch war, kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll echtem, kostbarem Nardenöl, zerbrach es und goß das Öl über sein Haar. Einige aber wurden unwillig und (…) sie machten der Frau heftige Vorwürfe. Jesus aber sagte: Hört auf! Warum laßt ihr sie nicht in Ruhe? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. (…)
Sie hat getan, was sie konnte. Sie hat im voraus meinen Leib für das Begräbnis gesalbt. Amen, ich sage euch: Überall auf der Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man sich an sie erinnern und erzählen, was sie getan hat.“ (Mk 14,3 ff).
Diese Frau wäre nicht bekannt, hätte sie nicht dieses Werk der Nächstenliebe an Christus vollbracht. Gerade diese vollkommen selbstlose Liebe, ohne jegliche Berechnung, hat ihr das Lob und die Entlohnung des Herrn eingebracht: „Amen, ich sage euch: Überall auf der Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man sich an sie erinnern und erzählen, was sie getan hat.“ Eine demütige Frau, die sich Jesus nähert ohne auf das Urteil der anderen zu achten, die das Kostbarste, was sie hat, Gott schenkt, ist ein viel sagendes Zeichen dessen, was Liebe wirklich bedeutet..
Die Lieben, so der heilige Paulus in seinem hohen Lied der Liebe, „sucht nicht ihren Vorteil“ (1 Kor 13,5). In dieser Liebe, die ohne Eigeninteressen liebt, finden wir das Geheimnis der wahren Frömmigkeit. Der „Wohlgeruch“ jedoch, muss aus dem Gefäß, in dem er enthalten ist„befreit“ werden, damit er sich entfalten kann. Dies gilt auch für unsere Liebe. Im Grunde tragen wir sie in uns, als eine potentielle Gabe, die Gott uns geschenkt hat. Deshalb empfinden wir schon als Kinder das Bedürfnis nicht nur danach geliebt zu werden, sondern auch zu lieben, und wir verstehen, dass wir, damit wir wirklich lieben können, einen „Preis“ zahlen müssen, dass wir ein Gefäß zerschlagen, eine Barriere niederreißen müssen, nämlich die des eigenen „Ichs“, das es zu überwinden gilt.
Die wahre Liebe braucht, damit wir sie an die anderen und vor allem an Gott weitergeben, auch einen offenen Weg des Herzen, der vom eigenen Egoismus manchmal versperrt wird. Denn der Egoismus erlaubt es der Liebe nicht, eine solche zu sein, weil er sie dem eigenen Kalkül unterordnet, in den Dienst der eigenen Interessen und Vorteile stellt. Der Egoismus kennt nur eine Sprache im Umgang mit den Mitmenschen: „ich liebe dich, weil du mir nützt“, „ich respektier dich, weil du mich respektierst“, „ich bemühe mich um dich, weil es mir etwas bringt“ … Diese Eigenliebe - ein anderes Wort für Egoismus – ist eine falsche Liebe, denn sie lässt den anderen nicht das Herz, sondern nur das Kalkül spüren. Diese Logik des Egoismus ist die Logik der Welt. Doch die Frau aus Betanien „bricht“ mit jeder Logik des Kalküls, denn Jesus ist viel mehr Wert, als unser Egoismus! Wie die Rebe, die sich nicht vom Weinstock trennen will, vom Lebensquell der göttlichen Liebe, tritt diese Frau, durch die reine Liebe in die Gemeinschaft mit Jesus ein. Die Anwesenden werden „unwillig“ oder gar „wütend“, weil ihre Logik, die im eigenen „Ich“ gefangen ist, von der Logik der Liebe überwältigt wird. Angesichts der echten Lieben, die diese Frau bezeugt, fällt die Maske, die Jesus zu verehren schien, ohne ihn wirklich zu lieben.
Papst Benedikt XVI. erinnert uns in seiner Predigt zum Palmsonntag daran dass die eine tägliche Zusage erfordert, ein aus sich herausgehen, ein das eigene Leben aufgeben. Man kann nicht lieben, wenn man sich nicht selbst verleugnet: „. Liebe bedeutet ja, sich selbst aufzugeben, sich zu geben, nicht sich besitzen wollen, sondern frei von sich zu werden: nicht sich auf sich selbst zurückziehen – im Sinne: Was wird von mir bleiben, sondern nach vorne schauen, auf den Anderen – auf Gott und auf die Menschen, die er mir schickt. (…) Liebe Freunde, es ist vielleicht relativ einfach, dies als große fundamentale Vision vom Leben zu akzeptieren. Aber in Wirklichkeit geht es hier nicht um das einfache Anerkennen eines Prinzips, sondern es geht darum, dessen Wahrheit konkret zu leben, die Wahrheit des Kreuzes und der Auferstehung. Und dafür genügt wiederum nicht eine große Entscheidung. Sicherlich ist es wichtig, einmal die große grundsätzliche Entscheidung zu fällen, das große „Ja“ zu wagen, das der Herr in einem bestimmt Moment unseres Lebens von uns will. Aber das große „Ja“ im entscheidenden Moment unseres Lebens – das „Ja“ zur Wahrheit, die der Herr uns zeigt – muss dann täglich neu erkämpft werden, in den alltäglichen Situationen in denen wir stets aufs Neue unser Ich beiseite lassen und uns zur Verfügung stellen müssen, wenn wir im Grunde uns doch an unser Ich klammern. (…) Gelingendes Leben ohne Opfer gibt es nicht. Wenn ich selbst auf mein eigenes Leben zurückblicke, muss ich sagen, dass gerade die Momente, in denen ich „ja“ zum Verzicht gesagt habe, die großen und wichtigen Momente meines Lebens waren“ (Papst Benedikt XVI., Predigt am Palmsonntag, 5. April 2009). (Fidesdienst, 08/04/2009 – 77 Zeilen, 1.091 Worte)


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